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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Walther von der Vogelweide - Walujew.

Walther von der Vogelweide, der größte deutsche Lyriker des Mittelalters, wurde gegen 1160 geboren. Über seine Heimat gehen die Meinungen stark auseinander; auch die Ansicht, nach welcher Walthers Geburtsstätte die »Vogelweide« auf dem Laiener Ried im Eisackthal in Tirol gewesen ist (vgl. Zingerle in »Im neuen Reich« 1874, Nr. 12), läßt sich nicht erweisen. W. war von ritterlicher Abkunft, aber arm. Gegen Ende der 80er Jahre verließ er seine Heimat und begab sich nach Wien an den Hof Herzog Leopolds VI. Wie bei diesem, stand W. auch bei dessen Nachfolger Friedrich dem Katholischen (gest. 1198) in hoher Gunst. Nicht so bei Leopold VII., dem nächsten Herzog von Österreich. W. verließ infolgedessen den Wiener Hof, und es kamen Zeiten schwerer Bedrängnis über den heimatlosen Dichter. Wir begegnen ihm in Mainz zur Zeit der Krönung Philipps von Schwaben, den er in herrlichen Sprüchen feierte (September 1198), dann in Magdeburg, wo der König zur Weihnachtszeit 1199 glänzenden Hoftag hielt. Um Pfingsten 1200 weilte er wieder in Wien; im November 1203 ist er urkundlich in dem österreichischen Zeisselmauer nachzuweisen; seit 1204 war er wiederholt der Gast Landgraf Hermanns von Thüringen auf der Wartburg, wo bekanntlich eine Anzahl der berühmtesten Sänger damals verweilte. In dem Kampf Kaiser Ottos mit Innocenz III. hielt W. so lange an dem schwer bedrängten Welsen fest, bis Ottos Sache unrettbar verloren war. Dann erst trat er zu dem siegreichen Gegenkaiser, dem Hohenstaufen Friedrich II., über (1213-14). Was W. von Otto vergebens wiederholt erbeten hatte, die Gewährung einer Heimstätte, ward ihm durch Friedrich II. zu teil; er verlieh ihm ein Lehen, das zwar geringen Ertrag, aber doch eine willkommene Ruhestatt für den Dichter bot. Wir finden ihn ferner als Gast an Heinrichs von Medlick glänzendem Hof zu Mödling bei Wien sowie bei dem Patriarchen von Aquileja, d. h. vielleicht bei Wolfger von Ellenbrechtskirchen. Später wirkte er litterarisch für Friedrichs II. Kreuzzug. Bald nach der Bannung des Kaisers muß er gestorben sein; sein Grab war im Münster zu Würzburg. Im September 1889 wurde ihm zu Bozen ein Brunnenstandbild (von Natter) errichtet. W. gehört zu den hervorragendsten Dichtern überhaupt. Er gebot über die lieblichsten und süßesten Weisen des eigentlichen Minneliedes; aber in nicht minderm Grad war ihm auch die Fähigkeit verliehen, in gewaltigen Tönen für die höchsten Angelegenheiten des öffentlichen Lebens, für das Vaterland, das Recht und die Wahrheit in politischen Dingen seine Stimme zu erheben. Neben dem Minnesang pflegte er die poetische Gattung des Spruches mit Vorliebe. Die mächtige Wirkung seiner politischen Dichtungen erhellt am sichersten aus dem Vorwurf Thomasins von Zirkläre, W. habe Tausende bethört, daß sie überhörten Gottes und des Papstes Gebot. Die Form entspricht in Walthers Gedichten an künstlerischem Wert ihrem reichen Ideengehalt. Die Annahme Wilhelm Grimms und W. Wackernagels, nach welcher W. auch der Verfasser der Spruchsammlung »Freidanks Bescheidenheit« sein soll, ist namentlich durch Franz Pfeiffer mit schwer zuwiderlegenden Gründen bestritten worden. Unter den Ausgaben des Dichters heben wir hervor die von K. Lachmann (Berl. 1827; 5. Ausg. von Müllenhoff, 1875), von W. Wackernagel und M. Rieger (Gieß. 1862), von Fr. Pfeiffer (Leipz. 1864; 6. Aufl. von Bartsch, 1880), von Wilmanns (2. Ausg., Halle 1883; Textausg. 1886) und von Paul (das. 1882). Übersetzungen gaben K. Simrock (7. Aufl., Leipz. 1883), Fr. Koch (Halle 1848), G. A. Weiske (das. 1852), Pannier (Leipz. 1876), Schröter (Nachdichtungen, Jena 1881), Wenzel (Plauen 1888). Vgl. Uhland. W., ein altdeutscher Dichter (Stuttg. 1822; abgedruckt im 5. Band der »Schriften«); Fr. Pfeiffer, über W. (Wien 1860); die Biographien des Dichters von M. Rieger (Gieß. 1863) und R. Menzel (Leipz. 1865); Wilmanns, Leben und Dichten Walthers von der Vogelweide (Bonn 1882); W. Leo, Die gesamte Litteratur Walthers von der Vogelweide (Wien 1880).

Walther von Habenichts (Gautier Senzavehor), franz. Ritter, nahm 1095 das Kreuz und stellte sich mit seinem Oheim Walther von Pekejo an die Spitze eines Haufens Kreuzfahrer aus niedern Ständen, der schon Ende 1095, ohne das Ritterheer abzuwarten, die Donau abwärts nach dem griechischen Kaiserreich und nach Kleinasien zog, aber durch Krankheiten, Hunger und das Schwert der durch die Gewaltthaten der Kreuzfahrer gereizten Einwohner fast völlig vernichtet wurde. W. selbst fiel 1096 bei Nikäa im Kampf gegen die Seldschukken.

Walther von Klingen, Minnesänger, stammte aus einem adligen Geschlecht im Thurgau und lebte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. Seine noch vorhandenen acht Lieder (in v. d. Hagens »Minnesängern«, Bd. 1) gehören zu den bessern seiner Zeit. Vgl. W. Wackernagel, W. (Basel 1845).

Waltiere, s. v. w. Wale (s. d.).

Waltner, Charles, franz. Kupferstecher und Radierer, geb. 24. März 1846 zu Paris, widmete sich anfangs der Malerei bei Gérome, dann der Kupferstecherkunst bei Martinet und Henriquel-Dupont und errang 1868 den römischen Preis. Nachdem er anfangs einige kleinere Blätter gestochen, wendete er sich später mit Vorliebe der Radierkunst zu und erreichte bald in der Wiedergabe von Gemälden der koloristischen Richtung, insbesondere Rembrandts, eine große Virtuosität, in welcher er nur von seinem deutschen Schüler K. Köpping übertroffen wird. Seine Hauptwerke sind: Bildnis des Barons v. Vicq nach Rubens (1870), Infantin Margarete nach Velazquez, Rembrandt nach dessen Selbstporträt, die chinesische Vase nach Fortuny, Grablegung nach van Dyck, der Angelus nach Millet, Christus vor Pilatus nach Munkacsy (1882), die Nachtwache nach Rembrandt (1885).

Walton le Dale (spr. uáhlt'n li dehl), Stadt in Lancashire (England), in malerischer Lage an der Vereinigung von Ribble und Darwent, dicht bei und südöstlich von Preston, hat Baumwollfabrikation und (1881) 9286 Einw.

Walton le Hill (spr. uálht'n li), Wohnstadt dicht bei und nordöstlich von Liverpool, mit (1881) 18,772 Einwohnern.

Waltscha (Vâlcea), rumän. Kreis in der Walachei, am Fuß der Transsylvanischen Alpen, mit der Hauptstadt Rimnik.

Waluiki, Kreisstadt im russ. Gouvernement Woronesh, an der Mündung des Walui in den Oskol, mit Progymnasium für Mädchen, vier griechisch-orthodoxen Kirchen und (1885) 4425 Einw. Die Stadt litt entsetzlich im 17. Jahrh. bald durch die krimschen Tataren, bald durch die asowschen Strelitzen.

Walujew, Peter Alexandrowitsch, russ. Minister, geb. 1815 zu Moskau, trat 1841 in den Staatsverwaltungsdienst, ward 1845 Beamter beim Generalgouvernement in Riga, 1853 wegen eines Memoires über die nötigen Reformen, in dem er besonders die Abschaffung der Branntweinpacht empfahl, Zivilgouverneur in Kurland, dann Departements-^[folgende Seite]