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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Weichselkirsche; Weichselmarmor; Weichselmünde; Weichseln; Weichselrohr; Weichselzopf

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Weichselkirsche - Weichselzopf.

vorüberführt, erhalten worden ist. Durch die Groß-Plehnendorfer Schleuse am Durchbruch bei Neufähr von der W. abgesperrt, befindet sich die Höhenlage des Wassers in diesem Arm fast im Niveau des Ostseespiegels; in die Ostsee geht er bei Neufahrwasser, wo die alte Mündung (die Norderfahrt) jetzt abgedämmt ist u. die See durch einen Kanal (die Westerfahrt oder das Neufahrwasser) erreicht wird.

Die Quelle des Stroms, dessen Gebiet 191,406 qkm (3476 QM.) umfaßt, sein Eintritt in Preußen und seine Mündung liegen fast unter demselben Meridian (18° 50' östl. v. Gr.). Die Stromlänge beträgt 1050 km (nach Strelbitsky nur 960 km), davon kommen auf Westpreußen mit Einschluß der Grenzstrecke gegen Posen 251 km. Der Wasserspiegel des Stroms liegt an der Mündung der Premsza 245, bei Thorn 35, bei Dirschau 3 m ü. M. Die Tiefe, im untern Lauf zwischen 2 und 6 m schwankend, im Danziger Hafen 5,6 m betragend, wechselt in den einzelnen Jahren durch die Veränderlichkeit der riesigen Sandmassen ganz bedeutend. An der Mündung der Premsza wird die W. für kleine, bei Krakau für mittlere, bei Sawichost, unterhalb der Mündung des San, für größere Fahrzeuge schiffbar; Seeschiffe gehen bis Danzig hinauf. Am Hafenplatz in Thorn kamen 1887 an 1088 Schiffe und 44,986 Flöße mit 97,665 Ton. Ladung inkl. Floßholz; es gingen ab 500 Schiffe mit 12,879 T. Ladung. Die Zollgrenze bei Thorn passierten zu Berg 849 Schiffe mit 31,395 T. Ladung, zu Thal 1453 Schiffe und 688,764 Flöße mit 785,278 T. Ladung inkl. Floßholz. Die Groß-Plehnendorfer Schleuse bei Danzig passierten zu Berg 9803 Schiffe und 1111 Flöße mit 171,806 T. Ladung inkl. Floßholz, zu Thal 9732 Schiffe u. 167,708 Flöße mit 296,588 T. Ladung inkl. Floßholz. Haupttransportartikel sind von Thorn aufwärts rohe Baumwolle, Steinkohlen, Roh- und Brucheisen und Steine. Im Thalverkehr sind Getreide nebst Hülsenfrüchten, Zucker, Steine und Holz die hauptsächlich zur Verschiffung gelangten Güter. Durch den Bromberger (Netze-) Kanal ist die W. mittelbar mit der Oder in schiffbare Verbindung gesetzt. Die bedeutendsten Nebenflüsse der W. sind, links: die Premsza, Piliza, Bzura, Brahe, das Schwarzwasser, die Montau, Ferse und die Mottlau mit der Radaune; rechts: die Sola, Skawa, Raba, der Dunajec, die Wysloka, der San, Wieprz, Bug mit dem Narew und mehreren aus dem südlichen Ostpreußen kommenden Zuflüssen, die Drewenz, Ossa und Liebe oder Alte Nogat. Die W. bildet eine Menge mehr oder weniger zu Tage liegender Sandbänke, welche sich fast nach jeder Anschwellung des Flusses verändern und die Fahrt sehr beschwerlich machen. Indessen wird an der Regulierung des Stroms eifrig gearbeitet. Zunächst sind durch Gesetz vom 20. Juni 1888 eine Reihe von Anlagen, insbesondere die Herstellung eines Durchstichs der Danziger Binnennehrung, angeordnet, deren Kosten auf 20 Mill. Mk. veranschlagt sind. Ferner sind in Rußland Regulierungsarbeiten von Warschau bis zur Bugmündung, von Wlozlawsk bis zur preußischen Grenze und von der österreichischen Grenze bis Pulawy in Angriff genommen, deren Kosten auf 5 Mill. Rub. veranschlagt sind. Überschwemmungen, am größten an den Mündungen der Nebenflüsse, treten jährlich dreimal ein: die erste und gefährlichste im April, welche zwei Wochen und länger andauert, die zweite um Johannis, die dritte vier Wochen später. Die mittlere Zeit des Zufrierens der W. ist um Warschau der 24. Dez., die der Befreiung vom Eis der 7. März. Infolge des Eisganges erfolgten im Dezember 1876 und März 1888 verheerende Durchbrüche, welche die Niederung zwischen der Nogat, dem Elbingfluß und der Fahrstraße nach Marienburg der Überflutung preisgaben. An Fahrzeugen auf der W. unterscheidet man: Schunen (350 Doppelztr. tragend), Dubassen (300 Doppelztr.) und Galeeren (225 Doppelztr.), Patelken und Wittinnen, die alle flach und ohne Masten sind und in der Regel nach ihrer Ausladung zerschlagen und verkauft werden; ferner in Preußen einmastige Berlinen oder Berlinken und Baidaken (von Pulawy bis Thorn fahrend) und zahlreiche Flöße (Tratwen); Dampfboote bugsieren die flachbodigen eisernen Gabaren. Der Strom führt einen fetten thonig-lehmigen Schlamm mit sich, der die überschwemmten Striche reichlich düngt und durch eine auf mehrere Jahre bewirkte Fruchtbarkeit in der Regel den Schaden ersetzt, der durch die Überschwemmung verursacht ist, wenn sie nicht zu groß und zerstörend war. Die W. liefert viele und gute Fische. Der größte Vorteil aber, den sie Polen gewährt, ist die bequeme Ausfuhr der Landeserzeugnisse an Getreide, Holz etc., die jährlich nach Danzig gebracht und von da ausgeführt werden. Krakau, Iwangorod, Nowogeorgiewsk, Warschau, Thorn und Danzig beherrschen als feste Punkte den Strom; stehende Brücken führen in Preußen bei Thorn, Graudenz und Dirschau über die W., bei Marienburg über die Nogat. Vgl. Brandstäter, Die W., historisch, topographisch und malerisch (Marienwerd. 1855); Licht, Die untern Weichselniederungen (Danz. 1878).

Weichselkirsche, s. Kirschbaum.

Weichselmarmor, s. Griotte.

Weichselmünde, Dorf im preuß. Regierungsbezirk Danzig, Kreis Danziger Niederung, an der Danziger Weichsel und unweit der Ostsee, mit Danzig durch Dampfschiffahrt verbunden, hat einen Teil der Festungswerke von Danzig, ein Seebad und (1885) 616 Einw. Vgl. Hoenig, Geschichte der Festung W. bis 1793 (Berl. 1886).

Weichseln, s. Kirschbaum.

Weichselrohr, Stockloden von Prunus Mahaleb, als echtes oder türkisches W. unterschieden vom unechten W. vom Sauerkirschbaum und der Traubenkirsche (Padus avium).

Weichselzopf (Wichtel- oder Judenzopf, Trichoma, Cirragra, Plica polonica), eine chronische Krankheit der behaarten Körperteile, infolge deren die Haare zu einem unentwirrbaren Geflecht zusammenkleben. Die Krankheit war im Mittelalter, bis zum 16. Jahrh., auch in Deutschland nicht selten und soll sich in der Schweiz, in Belgien, am Rhein, im Elsaß selbst endemisch gefunden haben. Jetzt kommt sie bei uns nur in ganz vereinzelten Fällen vor. Am häufigsten findet man sie in Polen und in den Donauländern. Es entsteht zunächst an einzelnen Punkten, weiterhin über die ganze Fläche der Kopfhaut ein nässender Ausschlag (eczema capillitii), der größtenteils zu Borken (Grind) eintrocknet und die Haare zu einem dichten, filzartigen Kuchen verklebt. Da ein Schlichten und Auskämmen des Haars zum Teil der Schmerzhaftigkeit, zum Teil mannigfacher abergläubischer Vorurteile wegen vermieden wird, so lagert sich in dem Haarfilz, abgesehen von dem Exsudat, Schmutz aller möglichen Art ab, der natürlich die Haarmasse noch dichter macht; nebenbei ist der W. dann auch, da er sich gewöhnlich bei den in Unreinlichkeit verkommenden untersten Klassen findet, ein sehr geeigneter Ort für Ungeziefer, Läuse u. dgl. Gehörige Sorge für Reinlichkeit und Kultur der Haare und der Haut können die Krankheit verhüten. Beginnt der Ausschlag, so sind diejenigen Mittel anzu-^[folgende Seite]