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Weinheimer Senioren-Convent – Weinlese
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Weinheim'
amte; hat (1895) 9676 E., darunter 2038 Katholiken und 153 Israeliten, Postamt erster Klasse, Telegraph, Reste der ehemaligen Befestigungen, altertümliche Häuser,
vier Kirchen, ein Schloß des Freiherrn von Berckheim, ehemals kurpfälz. Schloß mit Park, ein ehemaliges Deutschordenshaus, jetzt Zollamt, Rathaus (16. Jahrh.),
eine (Bendersche) Erziehungsanstalt, verbunden mit der höhern Bürgerschule, höhere Mädchenschule, mehrere Mädchenpensionate, Volks- und Gewerbeschule, neue
Kreispflegeanstalt, Wasserleitung, Kanalisation, Gasanstalt; Fabrikation von Kalb- und Glanzleder, Maschinen, Farben, Obstgelee, Stühlen, Seife, Schuhleisten und
Gewehrschäften aus Nußbaum, Seidenfärbereien, Kunstmühlen, Gerbereien, Ziegeleien, Obst-, Wein-, Getreide-, Kartoffel- und Tabakbau und in der Nähe ein stark
eisenhaltiges Stahlbad mit einer Wasserheilanstalt. In W. versammeln sich alljährlich die Vertreter des
Weinheimer Senioren-Convents (s. d.) Im Osten der Stadt steigt auf einem Bergkegel die von schönen
Anlagen umgebene alte Burg Windeck empor. In der Umgebung W.s sind hervorzuheben das Gorrheimer und das Birkenauer Thal sowie
der Ölberg mit zwei Ruinen. W. ist auch ein vielbesuchter Luftkurort. Es wird schon 755 erwähnt, gehörte dann zum Kloster Lorsch, seit 1232 zur Pfalz und seit
1803 zu Baden; es wird 1410 als Stadt und Festung erwähnt. Im Dreißigjährigen Kriege mehrmals erobert, wurde 1689 von den Franzosen gänzlich geplündert und die
Burg Windeck verbrannt. – Vgl. J. Z., Aus der Vorzeit der Stadt W. (1893); Hegewald, Der Luftkurort W. an der Bergstraße (Weinheim 1895); Ackermann, Führer durch
W. und Umgebung (ebd. 1895).
Weinheimer Senioren-Convent (W.S.C.), dem Kösener S.C.-Verband
nachgebildete Vereinigung von Korps auf den Technischen Hochschulen. Die Zusammenkünfte des W. S. finden Donnerstag und Freitag vor Pfingsten zu Weinheim statt.
Weinhold, Karl, Germanist, geb. 26. Okt. 1823 zu Reichenbach in Schlesien, studierte 1842–46 zu Breslau und Berlin erst Theologie, dann
deutsche Philologie. Er habilitierte sich in Halle Ostern 1847 für deutsche Sprache und Litteratur. Ostern 1849 wurde er außerord. Professor zu Breslau, 1850 ord.
Professor in Krakau, 1851 in Graz, 1861 in Kiel, und vertrat 1872–76 diese Universität im preuß. Herrenhause. Ostern 1876 wurde er nach Breslau, Ostern 1889 als
Nachfolger Müllenhoffs nach Berlin berufen. Mit ungewöhnlicher Vielseitigkeit der Interessen und des Wissens wußte W. das gesamte Gebiet der ältern und neuern
deutschen Sprache und Litteratur zu umfassen. Treffliche Beiträge zur Kulturgeschichte sind die Werke: «Die deutschen Frauen im Mittelalter» (3. Aufl., 2 Bde.,
Wien 1897), «Altnord. Leben» (Berl. 1856) und «Die heidn. Totenbestattung in Deutschland» (Wien 1859). Mythol. Forschungen enthalten die Schriften «Die Sagen von
Loki» (Lpz. 1848), «Die Riesen des german. Mythus» (Wien 1858) und seine Arbeiten in den «Sitzungsberichten» der Berliner Akademie der Wissenschaften (1890 fg.).
Einschneidend auf ihrem Gebiete wirkte die Schrift «Über deutsche Dialektforschung» (Wien 1853), der «Beiträge zu einem schles. Wörterbuch» (ebd. 1854) folgten,
wie denn W. mit besonderer Liebe die Sprache und Litteratur seiner engern Heimat Schlesien behandelt. Eine wissenschaftliche Darstellung der deutschen Mundarten
hat ↔ W. mit der «Alamann. Grammatik» (Berl. 1863) und der «Bayr. Grammatik» (ebd. 1867) begonnen. Die grammatischen Verhältnisse der ober- und
mitteldeutschen Sprache vom 12. bis 15. Jahrh. legt seine «Mittelhochdeutsche Grammatik» (2. Aufl. Paderb. 1883) dar. Kritische Ausgaben veranstaltete er von den
altdeutschen Bruchstücken des Traktats des Isidorus «De fide catholica» (Paderb. 1873) und den Dichtungen Lamprechts von
Regensburg (ebd. 1880). Durch sein Buch «Weihnachtspiele und Lieder aus Süddeutschland und Schlesien» (Graz 1853; 2. Ausg. 1855) lenkte er die Aufmerksamkeit auf
diesen Zweig volkstümlicher Poesie. Um die neuere Litteraturgeschichte machte er sich verdient durch seine treffliche Monographie «H. Chr. Boie» (Halle 1868) und
durch seine Ausgaben des «Dramat. Nachlasses von J. M. R. Lenz» (Frankf. a.M. 1884), der «Sicil. Vesper» (Bresl. 1887) und der «Gedichte von Lenz» (Berl. 1892).
In der Weimarer Goethe-Ausgabe wurde von W. der «Tasso» besorgt. Ferner veröffentlichte er: «Zur Geschichte des heidnischen Ritus» (Berl. 1896) und «Die mystische
Neunzahl bei den Deutschen» (ebd. 1897). Unter seiner Leitung erschienen seit 1882 «Germanistische Abhandlungen» (Breslau) in 9 Heften. Seit 1891 giebt er die
«Zeitschrift des Vereins für Volkskunde» (Berlin) heraus, den er mit gegründet hat.
Weinkahm, der Kahm (s. d.) des Weines.
Weinlese, in alamann. Gegenden Wimmet oder Wimmete genannt, die
Ernte der reifen Trauben, wird im Herbst, in Deutschland meist im Oktober bis in den November hinein, gehalten; Frühsorten werden auch schon im September gelesen.
Bei beginnender Reife werden die Weinberge behufs Überwachung gegen Traubendiebstahl oder zu frühes Lesen durch meist von den Gemeinden angestellte Wächter auch
für die Besitzer geschlossen. Den Beginn der W. einer Markung setzen meist die versammelten Eigentümer der Berge durch Abstimmung fest; von da an hört die
gemeinsame Überwachung auf. In den eigentlichen Edelweinlagen, z.B. im Rheingau, wartet man mit der Lese der weißen Trauben über die Reifezeit hinaus, bis die
sog. Edelfäule eingetreten ist, ein Zustand der Überreife, bei dem sich nicht nur der Zuckergehalt steigert, sondern der dem
Wein auch höhere Blume verleiht. In Edelweinlagen wird schon bei der Ernte eine Auslese gehalten., d.h. es werden die besonders gut entwickelten Trauben zuerst
gesammelt und weiter verarbeitet, um beste Weinqualitäten zu erzielen. Diese Auslese
(Ausbruch) gestattet sogar in wenig günstigen Jahren die Gewinnung vorzüglicher Weine. Die abgeschnittenen gesammelten Trauben
werden dann zerkleinert, wobei nicht nur die Beerenhülsen, sondern auch die Kämme oder Trappen, d.h. die Stiele der Trauben oder Beeren, meist mit in die Brühe
oder Maische hineingeraten. Für Herstellung gewöhnlicherer Weine ist dieses Verfahren nicht nachteilig. Da aber die Kämme die Qualität der Edelweine vermindern
können, so werden häufig zur Erzielung solcher die Trauben durch besondere Vorrichtungen (Traubenraspeln und Abbeermaschinen) entbeert (abgekämmt) und die
Sonderung der Beeren von den Kämmen durch ein hölzernes Gitterwerk, auf welchem die letztern zurückbleiben, bewerkstelligt. Die so erzielten Weine werden
Beerweine genannt. Da die Entwicklung der einzelnen Trauben, sogar
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 601.