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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Äthiopier; Äthiopische Bibelübersetzung; Äthiopische Kirche; Äthiopische Rasse; Äthiopische Sprache, Schrift und Litteratur

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Äthiopier – Äthiopische Sprache, Schrift und Litteratur

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Äthiopien'

Kaiser Theodor II. gelang, die Hauptprovinzen sich zu unterwerfen. Über das Weitere s. Abessinien.

Die Könige Ä.s führten den Titel Negús (auch Nagâsi) oder Negûsa-Nagast (König der Könige). Außer ihren Eigennamen hatten sie noch einen oder mehrere Reichsnamen, die sie sich bei ihrer Thronbesteigung beilegten. Ihre Residenz war in ältester Zeit zu Axum, von Jekunô-Amlâk an eine Zeit lang zu Tegulet in Schoa, später zu Gondar in Dembea, obwohl Axum noch lange die Krönungsstadt blieb. Doch residierten die Könige wenigstens in den geschichtlich bekannten Zeiten fast nie in den Städten, sondern in mobilen Lagern, unter Zelten, und wechselten den Ort je nach Bedürfnis. Die Einkünfte des Königs bestanden in Naturalien, wie Gold, Pferde, Maultiere, Rinder, Herdenvieh, Getreide, Häute, Zeugen und andern Fabrikaten, so daß jede Provinz jährlich ein bestimmtes Quantum davon zu liefern hatte. Die Einkünfte der Zölle und Wegegelder dagegen wurden meist an die Beamten der einzelnen Provinzen und Distrikte abgegeben. Im Grunde aber war der König der Herr und Eigentümer des ganzen Landes; er konnte nach Belieben jedem Manne seinen Grund und Boden nehmen und ihn einem andern schenken. Nur Kirchen und Klöster haben gewisse liegende Güter als ewige Schenkungen zum Eigentum, und einzelne Familien einzelne Distrikte zum erblichen Besitz innerhalb der Familie. Die Macht des Königs war durchaus uneingeschränkt; nur über gewisse, durch jahrhundertelange Sitte geheiligte Grundordnungen wagte auch er sich nicht wegzusetzen. Auch in der Kirche war er wie Schützer so höchster Herr. Die Statthalter der einzelnen Provinzen und Distrikte scheinen immer verhältnismäßig sehr selbständig gestellt gewesen zu sein (obgleich jederzeit durch den König absetzbar), und Beispiele, daß sie sich empörten, weist die Geschichte in Menge aus. Das Gericht war von der Verwaltung nicht geschieden. Bei Hofe war eine Anzahl gelehrter Männer (Wonbar oder Liq hieß ein solcher), die zusammen den obersten Gerichtshof bildeten, und mit deren Hilfe schwierige Fälle entschieden wurden. Seit dem 13. oder 14. Jahrh. hatten sie auch ein geschriebenes Gesetzbuch (Fetcha Nagast), das weltliches und kanonisches Recht umfaßte, in Ägypten verfaßt und zum Teil aus griech. und röm. Rechtsquellen geschöpft, in Abessinien aber mannigfach interpoliert und verändert worden war.

Über die ältere und neuere Geschichte Ä.s vgl., außer Ludolf, die Reisewerke von Bruce und Rüppell, sowie Dillmann in der «Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft» (Bd. 7, Lpz. 1852) und in den «Abbandlungen» der Berliner Akademie der Wissenschaften (1878, 1880 u. 1884); Basset, Études sur l’historie de l’Ethiope (Par. 1882); Perruchon, Histoire des guerres d’Amda Syon (im «Journal asiatique», 1889); Esteves Pereira, Historia de Minás (Lissab. 1888).

Äthiopier, ursprünglich ein Kollektivname, womit man die «Sonnenverbrannten» (Menschen, die Schwarzen oder Neger, s. d.) bezeichnet. Homer nennt sie «zweigeteilt» und läßt sie als Fabelvolk teils im äußersten Osten, teils im äußersten Westen wohnen, indem er dabei offenbar von der Voraussetzung ausgeht, daß die Sonne da am stärksten die Hautfarbe der Menschen beeinflusse, wo sie ihnen am nächsten komme, d. i. da, wo sie auf- und untergeht. Darum heißen bei ihm die Ä. die «äußersten der Menschen», das entfernteste Volk und wohnen ↔ am Okeanos, d. h. dem die Erdscheibe umwallenden großen Strom. Bei Hesiod erscheinen sie schon lokalisiert (in Libyen); die alten Geographen machen den Nil oder den Arabischen Meerbusen zur Grenzscheide des «zweifach geteilten» Volks. Auch Herodot (VII, 70) spricht von zweierlei Ä., denen von Sonnenaufgang (aus Asien) und denen aus Libyen, die sich durch ihre Sprache und ihr Haar (letzteres bei jenen gerade und schlicht, bei diesen kraus und wollig) unterschieden. Da Herodot die asiatischen Ä. den Indern im Heere des Xerxes zugeordnet nennt, so scheint er sich die Wohnsitze derselben im heutigen Belutschistan und Afghanistan zu denken. Die libyschen Ä. läßt Herodot von Elephantine an aufwärts wohnen und nennt Meroe als ihre Hauptstadt (wahrscheinlich in der Gegend des heutigen Assur). Später spricht man nur noch von diesen südlichen afrikanischen Ä. Sie gelten dem Herodot für die größten und schönsten der Menschen. Ihre Bildungsstufe war nach den Aussagen der Alten eine niedere; eine Ausnahme bildete der handeltreibende Kulturstaat Meroe. – Vgl. Tümpel, Die Athiopenländer des Andromedamythos. Studien zur rhodischen Kolonisation (Lpz. 1887).

Äthiopische Bibelübersetzung, s. Äthiopische Sprache, Schrift und Litteratur.

Äthiopische Kirche, s. Abessinische Kirche.

Äthiopische Rasse (Varietas Aethiopica) nannte Blumenbach den Menschenschlag des mittlern und südl. Afrikas (s. Menschenrassen).

Äthiopische Sprache, Schrift und Litteratur. Die äthiop. Sprache (von den Eingeborenen außer mit diesem, dem Griechischen entlehnten Namen, auch Geez genannt) gehört dem semit. Sprachstamme an. Sie war ursprünglich nur die Sprache eines der lange vor Beginn unserer Zeitrechnung aus Südarabien in Abessinien eingewanderten arab. Stämme, und zwar desjenigen, der sich im nördl. Abessinien, speciell in der Provinz Tigre und deren Hauptstadt Axum niederließ. Die Sprache erlangte aber dann mit der Ausbildung des Axumitischen Reichs (s. Äthiopien) die Herrschaft als Schrift-, Reichs- und Kirchensprache. Infolge ihrer frühen Fixierung und Erstarrung als Schriftsprache geriet die geschriebene äthiop. Sprache selbst aber bald in Widerspruch mit der sich lebendig weiter entwickelnden gesprochenen, so daß zu Ausgang des Mittelalters die erstere längst nur noch eine besondere tote Schriftsprache war. Als herrschende Verkehrssprache wurde das Äthiopische um diese Zeit durch die Amharische Sprache (s. d.) ersetzt, während sie als Schrift-, namentlich als Kirchensprache sich bis heute erhalten bat. Von den beiden aus der Weiterentwicklung der äthiop. Sprache hervorgegangenen Volksdialekten soll der nördlichere, das Tigrê, der äthiop. Schriftsprache noch am nächsten stehen; leider wissen wir bisher sehr wenig von diesem Dialekt. Der südlichere, das Tigriña, ist wohl stärker entartet und mehr vom Amharischen beeinflußt. (Vgl. über diesen Dialekt Prätorius, Grammatik der Tigriñasprache, Halle 1872, und Schreiber, Manuel de la langue Tigraï Wien 1887.) Eine für ihre Zeit vortreffliche Bearbeitung der äthiop. Sprache gab Job Ludolf in der «Grammatica Aethiopica» (2. Aufl., Frankf. a.M. 1702) und im Lexikon (2. Aufl., ebd. 1699); neuerdings wurde sie ausführlich dargestellt von Dillmann in der Grammatik (Lpz. 1857) und im Lexikon (3 Tle., ebd. 1862–65). Ein kurzes Lehrbuch verfaßte Prätorius (1886).

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 34.