Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Aarestrup; Aargau

9

Aarestrup - Aargau.

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Aare'

den Brienzer See und verläßt diesen nur, um sofort in den Thuner See zu münden. Aus den Seitenthälern des Berner Oberlands fließen ihr Lütschine und Kander zu. Bei Thun, nachdem sie den zweiten See verlassen, betritt die A. die schweizerische Hochebene, umschlingt das halbinselartig auf hohem Plateau thronende Bern, zieht vielfache Windungen durch das "Seeland", wo ihr jetzt durch die Juragewässerkorrektion eine Ablenkung gegeben ist. Weiterhin schmiegt sie sich dem Südfuß des Jura an, den sie schließlich, unmittelbar nach Aufnahme von Reuß und Limmat, durchbricht, wenige Stunden bevor sie bei Koblenz (oberhalb Waldshut) in den Rhein mündet. Die beträchtlichsten Zuflüsse ihres Mittellaufs sind links Saane und Zihl, rechts die Große Emme. Die A. selbst ist 279,8 km lang und hat, abgesehen von Reuß und Limmat, 11,617 qkm Flußgebiet, wovon 294 qkm, d. h. 2,53 Proz., durch Gletscher eingenommen sind.

Aarestrup, Emil, dän. Dichter, geb. 4. Dez. 1800, studierte Medizin, ließ sich 1827 als praktischer Arzt auf Laaland nieder und wurde 1849 Stiftsphysikus auf Fünen und Hospitalarzt in Odense. Er starb 1856. Seine ersten Gedichte erschienen 1838, fanden indessen damals wenig Beachtung. Erst nach seinem Tod, nachdem G. Brandes in einer vortrefflichen Abhandlung auf seinen Wert aufmerksam gemacht hatte, wurde A. sozusagen entdeckt und ihm nun die gebührende Anerkennung als einem der ersten Lyriker Dänemarks gezollt. Darauf erschienen auch seine hinterlassenen Poesien (1863). A. steht als Dichter Öhlenschläger und Chr. Winther am nächsten. Die bei dem erstern naiv und bei dem letztern verschlossen hervortretende Sinnlichkeit bricht bei A. in schwellender und kräftiger Fülle aus. Ein begeisterter Vertreter der Form und Färbung, hat er die Schönheit des Weibes in berauschenden Gedichten besungen ("Erotische Situationen") und wie kaum ein andrer die Macht geschildert, welche dieselbe über den Mann ausübt. Seine "Samlede Digte", mit Charakteristik von Brandes, gab Liebenberg (Kopenh. 1877) heraus.

Aargau, ein Kanton der nördlichen Schweiz, wird im N. durch den Rhein vom Großherzogtum Baden geschieden, im übrigen von den Kantonen Baselland, Solothurn, Bern, Luzern, Zug und Zürich begrenzt und hat ein Areal von 1404 qkm (25,5 QM.). Er gehört dem größern Teil nach der Schweizer Hochebene an, erstreckt sich aber auch über jurassisches Gebiet, das infolge des Durchbruchs der Aare in eine westliche und östliche Hälfte zerfällt; die erstere enthält das Frickthal, auch nach dem Volk der Rauraker Raurachien genannt, ein zum Rhein abfallendes Hügel- und Thalgelände, die andre, kleinere das zwischen Limmat, Aare und Rhein ausgebreitete Hügelland (Grafschaft Baden). Die Landschaften der Ebene bilden eine Reihe flacher Thäler, aus welchen die kleinern Flüsse zur Aare hinaustreten (Unteraargau); durch den Lindenberg abgesondert, zeigt sich das Freiamt als ein eigenartiges, breites Halbthal der Reuß. Der Kanton zählt (1880) 198,645 Einw. deutscher Abstammung und größtenteils protestantischer Konfession (88,893 Katholiken und 1234 Juden). Entsprechend der buntscheckigen Zusammensetzung des Kantons, ist die Bevölkerung nach den Landschaften von ungleichem Wesen. Hier wirft man ihr Lässigkeit und Bigotterie vor, dort ein unruhiges, neuerungssüchtiges Wesen. Im Unteraargau, dem (einst bernischen) Stammland, herrscht Protestantismus; dagegen sind Freiamt und Baden, als die ehemaligen "gemeinen ↔ Herrschaften", sowie das Frickthal, als Teil der einstigen "vorderösterreichischen Lande", überwiegend katholisch. Im allgemeinen gilt der Aargauer für einen verständigen und aufgeweckten Schlag. Der Landbau, überall eine Hauptbeschäftigung, erzeugt nicht genug Getreide, dagegen Stein- und Kernobst zur Ausfuhr; der Weinbau, fast nur an der Südgrenze fehlend, in den Jurabezirken Brugg, Baden, Laufenburg am stärksten und in Kastelen, Schinznach, Wettingen etc. ein vorzügliches Gewächs liefernd, deckt den Bedarf nicht völlig. Das Rindvieh ist meist von schöner Rasse, bald Berner, bald Schwyzer Vieh. Aus dem Freiamt findet Ausfuhr nach den Welschlandmärkten statt. Auch die Schweinezucht ist ansehnlich. Berühmte Heilquellen sind zu Baden, Schinznach, Wildegg und Birmensdorf, drei bedeutende Salinen zu Rheinfelden, Ryburg, Kaiseraugst. Die Sandsteinbrüche von Würenlos, Mellingen etc. bilden eine fast ununterbrochene Reihe; sie liefern Bausteine, Brunnentröge, Säulen, Herdplatten u. dgl. Im Jura gewinnt man viel Kalkstein und Gips, auch Alabaster; besonders ist der blaßrote von Ehrendingen von Bildhauern geschätzt. Auf dem Bözberg bei Effingen bricht man (nicht in Tafeln, die Blöcke werden gesägt) einen feinen Kalkstein, dessen Verwendung als Lithographiestein indessen nicht, wie man gehofft hatte, gelungen ist; außerdem finden sich Tuffstein (bei Biberstein), Bohnerz (bei Aarau), Torf (im Bünzthal). Die Hauptindustrie des Aargaus bilden Baumwollmanufaktur und Strohflechterei. In jener arbeiten am meisten der Unteraargau und der Bezirk Baden; sie beschäftigt über 300,000 Spindeln. Damit verbinden sich die Baumwollweberei (im Frickthal) und besonders zahlreiche Färbereien, Druckereien und Bleichen. An mehreren Orten wird auch Seidenbandweberei, Zigarren- und Tabaksfabrikation getrieben, und die Hauptstadt Aarau hat eine rührige und angesehene Industrie in Metallwaren; Hauptsitz der Strohflechterei ist Wohlen.

Nach der Verfassung vom 22. Febr. 1852 (revidiert 1863, 1869, 1870 und 1876) bildet A. einen auf der Souveränität des Volks beruhenden Freistaat und als solcher ein Bundesglied der schweizerischen Eidgenossenschaft. Die Gesamtheit der stimmfähigen Bürger übt ihre Souveränität aus durch Annahme oder Verwerfung der Verfassungsbestimmungen, durch Initiative in Verfassung und Gesetzen, durch Gesetz- und Finanzreferendum, durch Wahl und Abberufung des Großen Rats. A. ist somit von der Repräsentativform zur rein demokratischen (24. April 1870) übergegangen (s. Zürich). Die in den Schweizer Verfassungen üblichen Grundrechte, als Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Gewissens- und Kultfreiheit, Preßfreiheit, Vereins- und Petitionsrecht, Unverletzlichkeit der Person und des Eigentums, freie Niederlassung, Gewerbe- und Handelsfreiheit etc., sind gewährleistet. Der Kanton teilt sich in 11 Bezirke und diese in 50 Kreise. Der Große Rat, kreisweise (je ein Mitglied auf 1100 Seelen) gewählt, unterstellt sämtliche von ihm erlassene Gesetze und andre wichtige Erlasse dem Referendum des Volks, dessen Abstimmung ordentlicherweise zweimal jährlich, im Frühling und Herbst, stattfindet. Die vollziehende Gewalt ist dem aus sieben Mitgliedern bestehenden Regierungsrat übertragen, dessen Präsident den Titel Landammann führt, während sein Stellvertreter der Landstatthalter ist. Er wird vom Großen Rat gewählt, wie das aus neun Mitgliedern bestehende Obergericht. Organe der Staatsgewalt sind in jedem Bezirk der Bezirksamtmann und das Bezirksgericht, beide durch die Gesamtheit der Bezirks-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 10.