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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Aderflügler; Adergeflecht; Aderhaut; Aderhautentzündung; Aderholz; Aderknoten; Aderlaß

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Aderflügler - Aderlaß.

Entzündung der Gefäßhäute und des umgebenden Gewebes an der Halsblut- oder Drosselvene. Durch den im Gefäß sich bildenden Blutpfropfen wird dies mehr oder weniger undurchgängig und schwillt nach dem Kopf hin zu einem dicken, harten Strang an; von der Aderlaßwunde aus treten Eiterung und Jauchenabsonderung ein, und es entsteht ein Fistelgeschwür. Mögliche Folgen sind Hirnentzündung, Aufnahme von Jauche ins Blut. Ursachen sind in mechanischen Reizungen der Aderlaßstelle durch Reiben und Scheuern zu suchen; Behandlung: anfangs kühlende Mittel, wiederholte Einreibung einer kräftigen, scharfen Salbe längs der entzündeten Vene, unter Umständen ist die operative Entfernung des kranken Teils des Gefäßes notwendig.

Aderflügler, Insektenordnung, s. Hautflügler.

Adergeflecht, s. Plexus.

Aderhaut, s. Auge.

Aderhautentzündung (Choroiditis), entweder auf die Aderhaut des Auges beschränkte, oder mit einer Entzündung des Ciliarkörpers (Cyclitis) oder der Regenbogenhaut (Irido-Choroiditis, s. Tafel "Augenkrankheiten", Fig. 8) verbundene Krankheit. Die A. tritt in akuter und chronischer Form auf. Im ersten Fall beginnt sie mit lebhafter Schmerzhaftigkeit, großer Spannung, Hitzegefühl im Auge; bald treten Eiterflocken im Kammerwasser auf, die Entzündung ergreift alle übrigen Gewebe des Auges und führt zur Panophthalmitis (s. d.). Als Ursachen dieser Form stehen obenan direkte Verletzungen des Auges. Dann kommt die A. vor bei schweren Infektionskrankheiten, Rückfalltyphus, Wochenbettfieber und als embolische A. bei Wundfiebern; mitunter entsteht die A. durch Fortleitung einer eiterigen Gehirnhautentzündung. Die chronische A. tritt häufig in einzelnen Herden und Flecken auf (Chor. disseminata), je nach ihrer Ausbreitung leidet die Sehkraft. Eine nicht seltene Ursache ist die Syphilis, in deren Verlauf Iritis und Irido-Choroiditis zusammen sich entwickeln. Das erste Symptom ist meist eine lebhafte Rötung des Auges um die Hornhaut herum, verbunden mit Schmerzhaftigkeit und Lichtscheu. Später gesellen sich Flecke in der Aderhaut und Netzhaut und Verwachsungen der Organe untereinander hinzu. Die Behandlung der akuten Formen erfordert starke antiphlogistische Maßregeln, Eis, Blutentziehungen, Abführmittel etc. Die chronische syphilitische A. erfordert außerdem eine Allgemeinbehandlung; beider einfachen chronischen sind Punktionen der hintern Augenkammer empfohlen; die Kranken sind in allen Fällen vor heller Lichtwirkung zu schützen.

Aderholz, im Gegensatz zu Hirnholz (s. d.) geschnittenes Holz, dessen Schnittfläche dem Lauf der Fasern parallel liegt.

Aderknoten, s. Krampfadern.

Aderlaß (Venaesectio, Phlebotomīa), die kunstgemäße Eröffnung einer Vene, die man macht, um schnell dem Körper eine größere Quantität Blut zu entziehen. Der A. kann zwar an allen Blutadern, welche oberflächlich liegen, gemacht werden; doch bevorzugt man allgemein die Vena mediana in der Armbeuge. Man läßt den Patienten sich legen oder setzen, umschlingt den entblößten Oberarm mit einer Binde nahe über dem Ellbogen, um den Rückfluß des Bluts zu hindern und dadurch die Adern anschwellen zu machen, aber ohne zugleich den Blutstrom der Pulsadern zu unterdrücken. Ehe man die Ader eröffnet, überzeugt man sich, ob die darunterliegende Arterie normal verläuft. Sodann öffnet man die Ader, indem man sich entweder des sogen. Schneppers (s. Figur) oder, wie jetzt meist, der Lanzette bedient. Die Wunde soll am besten schräg gegen den Verlauf der Ader gerichtet sein. Um das Ausfließen des Bluts zu befördern, läßt man den Kranken einen Stock abwechselnd fest erfassen, drehen, die Finger schließen und öffnen, damit durch die sich zusammenziehenden Muskeln das Blut mehr in die oberflächlichen Hautvenen getrieben werde. Ist eine hinreichende Menge Blut abgelassen, so löst man die Binde, wodurch der Blutausfluß sogleich aufhört. Man legt sodann den Daumen auf die Wunde, verschiebt die Haut etwas, reinigt den Arm von dem Blut, legt eine Kompresse auf und befestigt diese mit einigen Bindentouren. Der Arm muß dann etwa 24 Stunden ruhig gehalten werden, und der Verband wird erst nach 3 Tagen entfernt. Trotz aller Geschicklichkeit und Umsicht des Wundarztes können beim A. doch schlimme Zufälle eintreten, z. B. Entzündungen der Venen und Lymphgefäße, heftige Schmerzen infolge der Verletzung eines Nervs. Zu den übelsten Zufällen aber gehört die Verletzung der Arterie der Armbeuge, wodurch entweder eine tödliche Blutung oder eine Blutgeschwulst, ein Aneurysma spurium (s. Aneurysma) oder Varix aneurysmaticus, entstehen kann. Der A. stand schon bei den alten indischen Ärzten in ausgedehntem Gebrauch, und Hippokrates hat für denselben als eins seiner wichtigsten Mittel bei akuten Krankheiten junger robuster Individuen sehr genaue Anzeigen festgestellt. Für die Heilung akuter Entzündungen, besonders der Lunge, des Herzens, des Gehirns, blieb der A. auch bis in die neuere Zeit ein sehr beliebtes Mittel, und noch gegenwärtig glauben viele Ärzte denselben nicht entbehren zu können. Der Gebrauch des Aderlasses ist aber gegen früher ganz enorm eingeschränkt worden. Man öffnet heutzutage eine Ader bei den durch Schlagflüsse oder andre Ursachen, wie Erhängen etc., scheintot Gewordenen und läßt bei den durch langwierige Geburten scheintot zur Welt gekommenen Kindern etwas Blut durch die Nabelgefäße ab, wodurch sich dieselben oft rasch erholen und zu Atem kommen. Als allgemein feststehende Regel aber mag dienen, daß ein A. niemals anders als auf das Gebot eines Arztes gemacht werden soll. Vgl. Bauer, Geschichte der Aderlässe (Münch. 1871).

Aderlaß bei Haustieren. Bei Pferden und Rindvieh läßt sich am besten die Drosselvene am Hals öffnen. Das Anschwellen der Ader wird dadurch herbeigeführt, daß man um den Hals eine Schnur fest anzieht, oder daß man die Finger gegen die Vene andrückt. Der A. an der Schweifrübe oder an den Gliedmaßen ist bei den großen Tieren nicht mehr gebräuchlich. Bei Schafen läßt man auch, wenn man einen geringern Abzug an Blut beabsichtigt, an der Stirn, über oder unter dem Auge, am Schwanz, am Fuß und an der Kinnlade zur Ader. Bei Schweinen macht man in das Ohr, da, wo es an den Kopf anstößt, einen Schnitt, so daß eine oder einige der dort sichtbaren Blutadern quer durchschnitten werden, und läßt die Wunde bluten, solange sie will,

^[Abb.: Aderlaßschnepper.]