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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Afrika

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Afrika (Entdeckungsgeschichte).

großen Teil in zahlreiche kleine Reiche und Gebiete zersplittert, wodurch seine Besetzung durch Europäer ungemein erleichtert wird. Daher konnte englische, französische, in allerjüngster Zeit auch deutsche Herrschaft sich ohne große Schwierigkeiten an den Küsten ausbreiten und im Innern aus vielen kleinen Bruchteilen ein großer Staat geschaffen werden. Von den afrikanischen Inseln bildet allein Madagaskar ein unabhängiges Reich, das in vollkommen despotischer, in neuerer Zeit durch europäische Einflüsse modifizierter Weise regiert wird.

Alle übrigen besitzenswerten großen Inseln sind europäische Kolonien der Portugiesen (Azoren, Madeira, Kapverdische Inseln), der Spanier (Kanarische Inseln, Fernando Po), der Engländer (St. Helena, Ascension, Seschellen, Mauritius, Sokotora) und der Franzosen (Mayotte, Nossi Bé, Réunion). Es läßt sich nicht voraussagen, wie weit sich von S. und N. aus europäische Bevölkerung, wenigstens europäischer Einfluß im Lauf der Zeit über A. ausdehnen wird; das läßt sich aber mit Sicherheit voraussehen: die afrikanischen Völker werden nicht alle dem Schicksal der Indianer Nordamerikas anheimfallen, ein großer Teil des Kontinents wird ihnen als von der Natur angewiesene und unbestrittene Heimat bleiben, von der das Klima den Europäer für immer verbannt.

Noch beschränkt sich der europäische Besitz auf dem Kontinent, mit Ausnahme französischer Eroberungen im Mittelmeer und der britischen Kolonien in Südafrika (Kapkolonie, Natal), wo auch die aus jenen Kolonien ausgewanderten holländischen Boers die Republiken Transvaal und Oranjefreistaat gegründet haben, fast durchweg auf den Küstenrand, seine Ausdehnung nach dem Innern zu ist außerordentlich unbestimmt. Selbst der Besitz der Küsten ist nicht endgültig festgestellt; England, Frankreich, namentlich aber Portugal erheben Ansprüche auf Strecken, die sie bisher in ihrem Besitzstand offiziell gar nicht aufführten. Die Küstenlänge, welche die verschiedenen Staaten faktisch besitzen, beträgt für England 3220 km, für Frankreich (ohne Algerien und Tunis) 750, für Portugal 3360, für Spanien 70 und endlich für Deutschland, das erst 1884 hier Besitzungen erwarb, 1260 km (1050 km Damaland und Angra Pequena, 170 km Camerun, 40 km Sklavenküste). Für diese deutschen Besitzungen lassen sich Areal und Bevölkerung ziffermäßig noch nicht geben. Der Umfang des Kolonialbesitzes andrer Staaten wird aus der eben gegebenen Tabelle (S. 168) ersichtlich.

Entdeckungsgeschichte Afrikas.

(Hierzu die Karte der Forschungsreisen.)

Schon die Könige der alten Ägypter haben Züge nach den Negerländern Innerafrikas und nach dem Osthorn des Kontinents unternommen. Einer derselben, Necho, beauftragte 600 v. Chr. phönikische Schiffer, A. vom Roten Meer aus zu umsegeln, was ihnen auch gelang. Phöniker hatten übrigens schon in der Zeit von 1100 bis 950 an der Westküste Marokkos von Elmehassen bis zum Draa 300 Kolonien begründet, welche später von eingebornen afrikanischen Stämmen zerstört wurden, so zwar, daß ihre Positionen nicht mehr auffindbar sind. Von Karthago aus unternahm es um 470 der ältere Hanno, mit einer Flotte die Westküste Afrikas zu beschiffen, und mag wohl bis über Sierra Leone hinaus vorgedrungen sein. Bei den Griechen finden sich autoptische Nachrichten über den Kontinent bei Herodot, der Ägypten bereiste, bei Eratosthenes, Hipparch, vor allen aber bei dem gelehrten alexandrinischen Bibliothekar Klaudios Ptolemäos, welcher weitgereiste Kaufleute ausforschte und das genaueste Bild von A. entwarf, welches das Altertum überhaupt besaß. Er stellte die Lehre von dem "Mondgebirge" auf und ließ von diesem den Nil herabrinnen, dessen Quellen sich zu den "Nilsümpfen" vereinigten, denen dann der wahre Nil entströmte. Der Kontinent bog nach Ptolemäos' Ansicht an den Küsten nahe dem Äquator sowohl gegen W. als gegen O. ab, nach letzterer Richtung am Vorgebirge Prason. Ptolemäos' Lehre blieb bis in die jüngste Zeit bestehen, ja Oskar Peschel durfte sagen, die Geographie der Nilquellen habe man bis 1863 nur aus den Ptolemäischen Karten studieren können. Römische Heerführer zogen auf Karawanenpfaden durch die Sahara (Älius Gallus, Suetonius Paullinus, Septimius Flaccus, Cornelius Balbus, Julius Maternus), und Kaiser Nero entsandte einige Offiziere, die den Nil aufwärts bis in das Gebiet der Dinka- und Nuërneger vorgedrungen sein mögen. Das Wissen der Alten von A. wurde ein Erbe der Araber, deren große Geographen es ansehnlich erweiterten, so Massûdî in seinem Werk "Die goldenen Wiesen" (947), Ibn Haukal (976), Obeid el Bekri, der 1067 die erste Geographie der Negerländer schrieb, Idrisi, der das arabische Wissen über A. auch kartographisch niederlegte, Ibn Chaldun, Ibn al Wardî, Abulfedâ (1273-1332), welcher auf astronomische Positionsbestimmungen besondern Wert legte, Bakui, der die Kaffern beschrieb, Leo Africanus (1492-1526), der große Reisen an die innerafrikanischen Höfe von Timbuktu und Bornu machte, Ibn Batûtâ, welcher nicht nur den Sudân, sondern auch die Küste von Sansibar persönlich bereiste, u. a. m. Einem See (Kuro) sollten nach arabischer Vorstellung mehrere Ströme entspringen, die sämtlich den Namen "Nil" erhielten. Als Grenzland im Innern Afrikas wird eine Gegend Lamlam genannt. Den Kirchenvätern und Gelehrten des frühen Mittelalters galt Innerafrika als Wüstenei (terra inhabitabilis propter calorem) voller Untiere und menschlicher Mißgestalten (gignens dracones, homines sine auribus, monoculos). Sehr viel trugen zur Erkenntnis der wahren Verhältnisse Afrikas italienische Kaufleute im 13. und 14. Jahrh. bei, welche unter dem Schutz der Fürsten der Barbareskenstaaten ganz Nordafrika durchzogen, sogar bis Timbuktu vordrangen, das Nilthal und Abessinien bereisten und den heimatlichen Kartographen (Marino Sanuto, Giovanni Leardo, Fra Mauro u. a.) unschätzbares autoptisches Material lieferten. Das Verdienst, die wahre Küstengestalt Afrikas festgestellt zu haben, gebührt den Portugiesen, deren Vorläufer in der Beschaffung atlantischer Räume italienische und normännische Seefahrer gewesen sind. Bereits im 14. Jahrh. hatten die Genuesen Madeira und die den Alten schon bekannten Kanarischen Inseln wieder aufgefunden; im 15. traten dann die Portugiesen ihre große Entdeckerlaufbahn an, angeregt von ihrem Infanten Heinrich dem Seefahrer (1416-60), der rastlos bemüht war, die Schiffahrt seines Landes zu heben, und dadurch der Schöpfer von Portugals Größe wurde. Ihre Expeditionen schritten zuerst schüchtern, dann immer beherzter am Westrand Afrikas nach S. vor. 1434 wurde Kap Bojador von ihnen glücklich umsegelt; 1442 sah Lissabon