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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ahnen; Ahnenkultus; Ahnfeldt

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Ahnen - Ahnfeldt.

der Mathematik und der neuern Sprachen. Nach kurzer Amtsführung als Katastergeometer (1822) und als Lehrer der neuern Sprachen am Gymnasium zu Aachen (1824-26) leitete er längere Zeit eine von ihm begründete realistische Privatanstalt und trat nach deren Auflösung 1843 als Lehrer an der mit dem Gymnasium verbundenen Realschule in Neuß ein. Im J. 1863 in den Ruhestand versetzt, starb er 21. Aug. 1865. Seinen ausgebreiteten Ruf verdankte A. seiner litterarischen Thätigkeit und ganz besonders seinem "Praktischen Lehrgang zur schnellen und leichten Erlernung der französischen Sprache" (1. Kursus, Köln 1834, 206. Aufl. 1883; 2. Kursus, das. 1840, 47. Aufl. 1881). Die von A. befolgte und nach ihm benannte Methode gehört nicht ihm ursprünglich an, vielmehr ist sie eine Weiterbildung der von dem Rektor Seidenstücker (gest. 1817 zu Soest) in seinen Elementarbüchern zur Erlernung der französischen, lateinischen und griechischen Sprache angewendeten Methode, nach welcher von Beispielen ausgegangen und erst nachher die Regel gegeben wird. Die Ausführung dieser richtigen Grundanlage wird in den Ahnschen Lehrbüchern durch die übermäßige Häufung von auswendig zu lernenden Wörtern beeinträchtigt. Die Lehrbücher von Ploetz (s. d.) u. a., welche diesen Fehler vermieden, haben dieselben allmählich verdrängt. In ähnlicher Weise wie die französische behandelte A. die englische, italienische, holländische Sprache. Auch für angehende Kaufleute schrieb er sprachliche Lehrbücher.

Ahnen (althochd. ano, mittelhochd. an), im engsten Sinn s. v. w. Großeltern, dann überhaupt Vorfahren. Der Beweis der A. (Ahnenprobe) war eine wichtige Institution des auf die Geburtsstände begründeten germanischen Rechts. Die aus nicht ebenbürtiger Ehe hervorgegangenen Kinder waren in verschiedenen Beziehungen ungünstig gestellt, namentlich succedierten sie nicht in die Lehen. Nur der Sohn war ebenbürtig, dessen Vater und Mutter aus ebenbürtiger Ehe hervorgegangen waren. Der Sachsenspiegel schreibt daher durchweg den Beweis von vier A., also der beiden Großelternpaare, vor. Auch für das Kampfgericht war die Ahnenprobe erforderlich, weil jeder nur seinen Genossen kämpflich ansprechen konnte. Unter der Herrschaft des Sachsenspiegels waren diese Verhältnisse so streng geordnet, daß die mit einem Dienstweib erzeugten Kinder eines freien Herrn den Adel, die mit einer Bauerntochter erzeugten Kinder eines Ritterbürtigen den Heerschild (s. d.) verloren. Etwa von 1400 an wurde dies Recht laxer gehandhabt. Schon König Ruprecht erteilte Befreiungen vom Zwang der Ebenbürtigkeit. Durch die Begründung des nicht feudalen Briefadels verlor die Ahnenprobe viel von ihrer frühern Bedeutung, anderseits aber wurde von dem Lehnsadel, um die "neugebackenen" Edelleute von den Orden, Domstiftern, Ritterspielen etc. auszuschließen, eine immer strengere Ahnenprobe (zu 8, 16 und 32 ebenbürtigen A.) eingeführt. In Schlesien und in der Lausitz galt bis in die neueste Zeit nur der "vierschildige", d. h. der von vier ebenbürtigen Geschlechtern abstammende, Edelmann als vollberechtigt. Wer an den vier A. Mangel litt, konnte keinen rechten Edelmann an Ehren verletzen, nicht gegen denselben Zeugnis ablegen; er war in keinem Ehrenhandel zu brauchen, kurz er war der adligen Privilegien nicht teilhaftig. Jedes Fürstentum der genannten Provinzen hatte eine Ritterbank, die von dem Fürsten, resp. dem Landvogt mit einem Marschall und zwölf Beisitzern besetzt wurde; außerdem fungierte bei dem Ritterrecht ein Herold. Vor diesem Gerichtshof wurden die A. erprobt und Ehrenhändel im Zweikampf ausgefochten. Die Probenden führten die gemalten Schilde ihrer vier A. vor, welche von Angehörigen der betreffenden vier Geschlechter beschworen werden mußten. Die schlesische Ahnenprobe war also eine rein heraldische. Im übrigen Deutschland bediente man sich bei den Ahnenproben der Ahnentafel (s. unten), in welcher sämtliche zu beweisende A. mit Vor- und Zunamen sowie dem richtigen Wappen aufgeführt und die Filiation urkundlich nachgewiesen sein mußte. Unter der Filiationsprobe versteht man nämlich den Nachweis, daß alle in der Ahnentafel als Ehegatten aufgeführten Personen in rechtsgültiger Ehe gelebt haben, und daß die in der Ahnentafel aufgeführten Kinder ehelich erzeugt sind. Hierzu mußte dann noch der Beweis der Ritterbürtigkeit kommen. Als Beweismittel wurden neben den Kirchenbüchern auch Grabsteine, Leichenpredigten und das eidliche Zeugnis zweier Edelleute angenommen. Da diese Ahnenproben den Weg in die reichen Pfründen der Domkapitel und der adligen Stifter bahnten, hielten vorsichtige Väter oder Freier noch im vorigen Jahrhundert sehr darauf, sich nach den A. des andern Teils zu erkundigen, ehe sie sich in ein Eheverlöbnis einließen. Mit der Säkularisierung der Kirchengüter im Anfang des 19. Jahrh. verloren die Ahnenproben den letzten Rest ihrer rechtlichen Bedeutung. Nur für den Eintritt in das Domkapitel zu Olmütz, für den preußischen Johanniter-, den Deutschen, Malteser-, den bayrischen St. Georgs- und einige andre Orden sowie für die Kammerherrenstellen ist heute noch eine Ahnenprobe erforderlich.

Unter Ahnentafel, vom Stammbaum (s. d.) wohl zu unterscheiden, versteht man eine Aufstellung der väterlichen und mütterlichen A. einer bestimmten Persönlichkeit nach folgendem Schema:

^[Liste]

⃞ Großvater O Großmutter ⃞ Großvater O Großmutter

⃞ Vater O Mutter

Dies würde eine Ahnentafel zu vier A. sein. Wird dieselbe noch weiter zurückgeführt, so entstehen Ahnentafeln von 8, 16, 32, 64 u. s. f. Ahnen, da sich durch Hinzufügung einer weitern Generation die oberste Ahnenreihe immer verdoppelt. Mit der Beseitigung der exklusiv adligen Domkapitel im Anfang dieses Jahrhunderts (nur das erzbischöfliche oder Metropolitan-Domkapitel von Olmütz nimmt auch jetzt noch bloß Edelleute auf) haben die Ahnentafeln ihren eigentlichen praktischen Zweck verloren.

Ahnenkultus, s. Manendienst.

Ahnfeldt, Arvid, schwed. Litterarhistoriker, geb. 16. Aug. 1845 zu Lund, studierte daselbst, später in Upsala und that dann Dienst auf der königlichen Bibliothek zu Stockholm, widmete sich aber bald ausschließlich der Schriftstellerei, indem er Hauptmitarbeiter des "Aftonblad" wurde. Seit 1881 ist er Redakteur einer politischen Zeitschrift: "Ur Dagens Krönika" ("Aus der Chronik des Tags"). Litterarisch bekannt machte ihn das Werk "Verldliteraturens historia" (Stockh. 1874-76), eine Geschichte der Weltlitteratur, welche sich an die bekannten Arbeiten von Scherr u. a. anlehnt, die heimische Litteratur aber durchaus selbständig behandelt hat. Außerdem veröffentlichte A. litterarhistorische Monographien von originaler Gründlichkeit, so über Almquist (Stockh. 1876), Rääf (das. 1879), Crusenstolpe (das. 1880), Palmer (das. 1880), ferner noch eine Biographie des Landesbischofs Thomander (das. 1876), eine kultur-^[folgende Seite]