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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Aktie und Aktiengesellschaft

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Aktie und Aktiengesellschaft (Staatsaufsicht).

sitzern solcher Aktien ein ausgedehnteres Stimmrecht als denen der Stammaktien in der Generalversammlung eingeräumt. Steht das Unternehmen günstig, so können die neuen Aktien leicht über pari begeben werden. Der dadurch erzielte Gewinn fließt dem Reservefonds zu. Meistens werden jedoch den neuen Aktien deswegen Vorrechte eingeräumt, weil bei ungünstigem Stande des Unternehmens und mangelndem Vertrauen des Publikums nur durch solche der Absatz gesichert werden kann. Wegen dieser Vorrechte nennt man solche Aktien Prioritätsaktien, Stammprioritätsaktien, Prioritätsstammaktien, Stammprioritäten, auch oft kurz Prioritäten (actions privilégiées, preference shares, preferred shares). Von denselben sind wohl zu unterscheiden die Prioritätsobligationen (auch kurz Prioritäten, früher oft fälschlich Prioritätsaktien genannt), welche auf den Inhaber ausgestellte Schuldscheine der Gesellschaft sind und gern begeben werden, wenn die Ausgabe weiterer Aktien wegen des niedrigen Kurses der bereits emittierten als unthunlich oder bei gegründeter Aussicht auf Dividendenerhöhung als unvorteilhaft erscheint. Mit dem Ausdruck Priorität soll angedeutet werden, daß der Reingewinn zunächst zur Verzinsung dieser Obligationen verwendet wird, ehe die Aktionäre davon etwas erhalten. Zuweilen wird auch den Inhabern dieser Prioritäten ein ausdrückliches Pfandrecht an dem Immobiliarvermögen der Gesellschaft bestellt, und alsdann sind dieselben bevorzugte Gläubiger. Ein Kündigungsrecht ist ihnen in der Regel nicht zugestanden. Die Aktien unterscheiden sich von den Obligationen dadurch, daß die Inhaber der letztern nicht Mitglieder, sondern Gläubiger der Gesellschaft sind. Sie beziehen einen festen Zinsbetrag, den sie auch zu fordern haben, wenn das Unternehmen keinen Reingewinn abwirft. Oft ist ihnen ein Kontrollrecht eingeräumt. Das durch Emission der Obligationen aufgebrachte Kapital gehört nicht zum Grundkapital und wird in der Regel während des Bestehens der Gesellschaft unter Aufstellung eines Tilgungsplans durch Amortisation wieder heimgezahlt. Meist ist (z. B. in Preußen) staatliche Genehmigung für Ausgabe von Inhaberobligationen, nicht aber auch für die von Inhaberaktien erforderlich. Vgl. v. Strombeck, Über Prioritätsstammaktien (Berl. 1876); Meili, Die Lehre der Prioritätsaktien (das. 1877).

Verminderung des Grundkapitals. Amortisation. Die Aktiengesellschaft darf eigne Aktien im geschäftlichen Betrieb, sofern nicht eine Kommission zum Einkauf ausgeführt wird (Interimsscheine auch dann nicht), weder erwerben, noch zum Pfand nehmen. Eine Amortisation der Aktien ist zulässig, sofern sie unter Beobachtung der für die Zurückzahlung oder Herabsetzung des Grundkapitals maßgebenden Vorschriften erfolgt. Ohne Beobachtung derselben darf die Gesellschaft ihre Aktien nur aus dem nach der jährlichen Bilanz sich ergebenden Gewinn und nur in dem Fall amortisieren, daß dies durch den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag oder durch einen den letztern abändernden, vor Ausgabe der Aktien gefaßten Beschluß zugelassen ist. Eine solche Amortisation kann auch durch den Staat erfolgen, wenn derselbe an dem Unternehmen durch Zinsgarantie beteiligt ist. Der Inhaber einer ausgelosten Aktie scheidet dann aus der Gesellschaft aus, und seine Rechte gehen auf den Staat über. Zu unterscheiden hiervon ist die Mortifikation (s. d.), welche bisweilen auch Amortisation genannt wird. Nicht immer ist das ganze ursprünglich vorgesehene Aktienkapital zum Betrieb der Unternehmung erforderlich; eine Einschränkung desselben kann insbesondere bei nicht gewinnbringenden Geschäften geboten sein. In diesem Fall kann, jedoch nur auf Beschluß der Generalversammlung und unter Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen, welche zur Wahrung der Interessen der Gläubiger erlassen sind, eine teilweise Zurückzahlung des Grundkapitals an die Aktionäre oder eine Herabsetzung des Nominalwerts der Aktien durch Abstempelung derselben, beziehentlich Ersetzung von mehreren alten Aktien durch eine neue erfolgen. Der Beschluß der Generalversammlung muß, sofern nicht weitere Erfordernisse aufgestellt sind, durch eine Mehrheit von drei Vierteln des in derselben vertretenen Grundkapitals gefaßt sein. Sind verschiedene Gattungen von Aktien ausgegeben, so bedarf es zu dem von der gemeinschaftlichen Generalversammlung gefaßten Beschluß der Zustimmung einer besondern Generalversammlung der benachteiligten Aktionäre. An die Stelle von zur Rückzahlung ausgelosten Aktien tritt der Genußschein (franz. action de jouissance). Der Inhaber desselben bezieht nicht mehr die festgesetzten Dividenden (sogen. Zinsen), bleibt aber im übrigen im Besitz aller Rechte des Aktionärs; insbesondere ist er zum Bezug der Superdividende berechtigt. Bei Auflösung der Gesellschaft und erfolgender Vermögensverteilung wird ihm der bereits ausgezahlte Aktienbetrag natürlich in Anrechnung gebracht.

Die Aktiengesellschaft. Staatsaufsicht.

Notwendiges Erfordernis für die Errichtung einer Aktiengesellschaft ist der Gesellschaftsvertrag (auch Statut oder Statuten genannt), durch welchen alle Verhältnisse der Gesellschaft nach innen und außen geregelt werden. Über Errichtung und Inhalt desselben muß eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufgenommen werden. Der Vertrag ist in das Handelsregister aufzunehmen, doch ist vor der Eintragung, durch welche die Gesellschaft juristische Persönlichkeit erlangt, festzustellen, daß das ganze Grundkapital gezeichnet ist, und daß mindestens 25 Proz. des Nominalbetrags und im Fall einer Ausgabe der Aktien für einen höhern als den Nominalbetrag auch dieser Mehrbetrag eingezahlt sind.

Die Beschaffung des Grundkapitals erfolgt durch die Aktienzeichnung, d. h. die Erklärung, sich bei einer Aktiengesellschaft mit Einlagen beteiligen zu wollen, und zwar können entweder die Unternehmer das ganze Kapital selbst zeichnen, oder sie bieten es durch öffentliche Aufforderung (Prospekt, Plan) ganz oder teilweise dem Publikum zur Zeichnung an.

Für die Besorgung der Angelegenheiten der Gesellschaft, die Verwaltung des Vermögens und Führung der Geschäfte derselben sind drei Organe vorhanden: 1) die Generalversammlung (s. d.) als Willensorgan; in derselben gewährt jede Aktie das Stimmrecht, welches nach den Aktienbeträgen ausgeübt wird, doch kann dasselbe für den Besitzer mehrerer Aktien durch den Gesellschaftsvertrag mittels Festsetzung eines Höchstbetrags oder in Abstufungen oder nach Gattungen beschränkt werden; 2) der Aufsichtsrat (s. d.) als Kontrollorgan und 3) der Vorstand (Direktion, Direktoren) als Ausführungsorgan, bestehend aus einer oder mehreren Personen, welcher die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertritt, dieselbe durch die in ihrem Namen abgeschlossenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet und im Handelsregister eingetragen werden muß. Durch ihn wird die Generalversammlung berufen, soweit nicht nach dem Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag auch andre Personen dazu befugt sind. Er hat Sorge