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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Algesheim; Alghēro; Algīe; Algier

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Algesheim - Algier.

Algesheim, Stadt, s. Gau-Algesheim.

Alghēro, Kreishauptstadt in der ital. Provinz Sassari, Insel Sardinien, an der Westküste gelegen, mit befestigtem Hafen, alter Kathedrale, Gymnasium, nautischer Schule, ist Sitz eines Bischofs und mehrerer Konsulate und zählt (1881) 8995 Einw., welche Weinbau und Korallenfischerei treiben.

Algīe (griech.), "Schmerz" im allgemeinen; bei einigen medizinischen Schriftstellern nur von solchen Schmerzen gebraucht, für welche man im Leben eine plausible Ursache nicht aufzufinden vermag. S. Neuralgie.

Algier (franz. Alger, span. Argel, arab. Al Dschesair, d. h. "die Inseln", das alte Icosium, im Mittelalter bei den Arabern Mesrana genannt), die ehemalige Residenz des mächtigsten der Barbareskenfürsten und als solche lange Zeit der Schrecken aller Seefahrer im Mittelmeer, jetzt Hauptstadt und zugleich erster Kriegs- und Handelsplatz der franz. Kolonie Algerien, liegt hart am Mittelmeer, an der Westseite eines geräumigen, halbmondförmig gegen S. eingetieften, herrlichen Golfs, dessen Ostspitze das Kap Matifu bildet, und an dem ins Meer abfallenden nördlichen Abhang eines niedrigen Gebirgszugs, des Sabel, der im Buzaréa (etwa 7 km nordwestlich von der Stadt) zu 402 m Höhe ansteigt und mit blühenden Ortschaften, reizenden Villen und lachenden Gärten übersäet ist. Die Stadt bildet ein ziemlich gleichseitiges Dreieck, indem sie am Meer ihre breiteste Basis hat, dann, immer schmäler werdend, an dem Hügel hinaufsteigt und auf der Höhe mit der Kasba, der alten Burg der Deis, endet. Sie besteht aus zwei sehr verschiedenen Teilen, einem europäischen und einem maurischen Quartier. Ersteres breitet sich am Meer aus, hat breite Straßen und elegante Gebäude und ist Sitz des Handels und Fremdenverkehrs; letzteres klimmt die Höhe hinan und besteht aus nur 2-2½ m breiten, gewundenen, zum Teil mit Treppen versehenen Gassen mit fensterlosen Häuserfronten, wie sie jeder orientalischen Stadt eigentümlich sind. Vor der europäischen Stadt breitet sich der große Hafen aus mit einem Flächenraum von 95 Hektar, dessen erster Gründer Chaireddin Barbarossa war, der 1525 vier an der Küste liegende Inseln (daher der Name "Al Dschesair") mit dem Festland verband. In seiner jetzigen Gestalt wurde der Hafen 1836 von französischen Ingenieuren angelegt und unter Napoleon III. durch zwei Steindämme von 700 und 1235 m Länge gegen NO., O. und S. geschützt. Ein mittlerer Damm von 210 m Länge trennt den nördlichen Handelshafen von dem südlichen Kriegshafen. Beide sind durchschnittlich 12 m tief, mit Docks und Bassins versehen und zur Aufnahme von 40 Kriegs- und 300 Handelsschiffen ausreichend. Militärisch geschützt werden Stadt und Hafen durch eine 10 m hohe Mauer und ein ausgedehntes System von Forts und Bastionen; selbst der Leuchtturm ist zur Verteidigung eingerichtet. An dem Hafen dehnen sich die Kais über 400 m lang aus, an denen unmittelbar am Wasser die Douane, die Büreaus der Dampfschiffgesellschaften und der Bahnhof der Oraner Bahnlinie liegen. Von hier führen Freitreppen und fahrbare Straßen hinauf auf den Boulevard de la République, den eigentlichen Glanzpunkt der Stadt, eine prachtvolle, mit ornamentalem Geländer versehene, 2000 m lange Terrasse (1860-66 von dem Engländer Morton Peto erbaut, Kosten ca. 8 Mill. Frank). Diese ruht auf einer doppelten Reihe von Bogen (ca. 350), und die von denselben gebildeten Hallen werden zu Magazinen und Verkaufshallen benutzt. An diesem Boulevard liegen die palastartigen Gebäude der Bank, der Post, des Justizpalastes etc., am Ende desselben aber die Place de Gouvernement, der schönste Platz der Stadt, mit einer Reiterstatue des Herzogs von Orléans (von Marochetti) und an demselben der erzbischöfliche Palast, ein älterer maurischer Prachtbau, und die Moschee Dschama el Dschedid. Etwa in der Mitte des Boulevard de la République öffnet sich nach W. die große Place Bresson mit dem Nationaltheater im Hintergrund, daher auch Place du Théâtre genannt, und in unmittelbarer Nähe des Gouvernementsplatzes liegt die kleine Place Bruce mit dem Winterpalast des Gouverneurs und der katholischen Kathedrale. Vom Gouvernementsplatz aus laufen nach N. die Straße Bab el Uëd, an deren Ende das an den Jardin Marengo anstoßende Nationallyceum liegt, und die Rue de la Marine, nach S. die Straße Bab Asun, alle mit schönen Arkaden versehen und die eigentlichen Stätten des Verkehrs. Die obere maurische Stadt wird von Mauren, Arabern und Juden bewohnt und, wie erwähnt, von der Kasba, der alten Citadelle, gekrönt, die 130 m ü. M. liegt und jetzt als Kaserne dient. Vor dem Thor Bab el Uëd im N. liegt die gleichnamige Vorstadt, auf der Südseite dagegen die Vorstadt Agha und weiterhin das Dorf Mustafa, der Glanzpunkt der nähern Umgebung Algiers, wo auch der Gouverneur seine Sommerresidenz hat. Die beliebteste Promenade bildet außer dem Boulevard de la République der schon erwähnte Jardin Marengo hinter dem Lyceum.

Als Hauptstadt der Kolonie ist A. Sitz des Generalgouverneurs, der obersten Militär- und Zivilbehörden sowie der Behörden für die Provinz und das Arrondissement A., der verschiedenen Konsulate, der Bank von Algerien etc. Ferner residieren hier ein katholischer Erzbischof, ein protestantisches Konsistorium sowie die höhern Geistlichen der Moslems und Juden. A. besitzt verschiedene katholische Kirchen, darunter die Kathedrale, eine englische Kirche, eine protestantische Kirche, mehrere Synagogen und vier Moscheen, unter denen als die älteste und schönste die Dschama el Kebir in der Rue de la Marine (11. Jahrh.), nächstdem die oben erwähnte Dschama el Dschedid (17. Jahrh.) Auszeichnung verdienen. Außerdem sind die zahlreichen Grabkapellen, die dem Andenken von Marabuts oder Heiligen gewidmet sind, bemerkenswert. An wissenschaftlichen Anstalten besitzt A. eine Akademie, ein Lyceum, ein archäologisches Museum und eine öffentliche Bibliothek (beide im ehemaligen Palast des Deis Mustafa), eine medizinische Präparandenschule, Pensionate für höhern Unterricht und zahlreiche Elementarschulen für alle Konfessionen. Auch eine Historische Gesellschaft (seit 1856), welche die "Revue Africaine" veröffentlicht, Gesellschaften für Kunst, Agrikultur, philanthropische Zwecke sowie mehrere Theater, Waisen- und Armenhäuser, Militär- und Zivilhospitäler, ein Lazarett etc. sind vorhanden. Die Zahl der Einwohner, die sich 1838 auf 30,395 (darunter 18,400 Eingeborne) belief, betrug 1881: 70,747 (mit. 12,000 Muselmanen). Die Hauptmasse der einheimischen Bevölkerung bilden die Mauren, die ihren Lebensunterhalt im Kleinhandel und als Handwerker, namentlich als Goldsticker, Seidenwirker, Schuhmacher und Sattler, suchen, während die ehemals unter dem furchtbarsten Druck lebenden Juden (ca. 8000) jetzt als reiche Kaufleute, als Haus- und Gutsbesitzer und Fabrikeigentümer leben. Die Hauptquelle des Erwerbs ist aber für A. der Handel, da die Stadt der wichtigste Handelsplatz der