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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Altiloquénz; Altimeter; Altin; Altiōra; Altis; Alti Schahar; Altĭus tolléndi jus; Altkatholizismus

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Altiloquenz - Altkatholizismus.

Altiloquénz (lat.), Großsprecherei.

Altimeter (lat.-griech.), Werkzeug zur Höhenmessung; Altimetrie, Höhenmessung. S. Meßinstrumente.

Altin (Altyn), russ. Kupfermünze, = 3 Kopeken. Unter Peter I. (1700-25) wurden auch silberne Altine im Wert von 12,08 Pfennig geprägt.

Altiōra (lat.), das Höhere, z. B. A. betreiben, sich den höhern Studien widmen.

Altis, der von einer Mauer umschlossene Tempelbezirk in Olympia (s. d.).

Alti Schahar (Alti Schehr, "Sechs-Städte-Gebiet"), türkisch-tatar. Bezeichnung der chinesischen Provinz Thianschan-Nanlu (Ostturkistan), welche seit 1865 ein selbständiges Reich unter der Herrschaft Jakub Begs bildete und von ihm den Namen Dschiti Schahar ("Sieben-Städte-Gebiet") erhielt, da er zu den sechs Städten von A. (Aksu, Turfan, Kaschgar, Jarkand, Jangihissar und Chotan) noch die im SW. von Jarkand gelegene Landschaft Sarikul mit der Stadt Taschkurgan eroberte. S. Turkistan.

Altĭus tolléndi jus (lat.), das Recht, in Bezug auf des Nachbars Haus höher bauen zu dürfen.

Altkatholizismus, Name für eine kirchliche Bewegung, welche den von der nationalen Idee getragenen Widerstand der Gewissenhaftigkeit und der Wissenschaftlichkeit im deutschen Katholizismus gegen die im Unfehlbarkeitsdogma vollendete ultramontane Entwickelung der römischen Kirche darstellt. Bisher war es unter Beihilfe der Politik deutscher Regierungen der Kurie gelungen, den Widerspruch der deutschen Wissenschaft (Hermes, Günther, Frohschammer u. a.) zu unterdrücken, Männer, die sich römischen Zumutungen unfügsam zeigten, von den Bischofstühlen zu entfernen oder zurückzuhalten (Sedlnitzky, Schmidt) und in Klerus und Gemeinde den Ultramontanismus zur Herrschaft zu bringen. Als aber trotz der Einsprache der deutschen Theologie, trotz des Protestes einer starken Minorität auf dem vatikanischen Konzil 18. Juli 1870 das Dogma von der Unfehlbarkeit zu stande gekommen war; als dieselben deutschen Bischöfe, die sich vorher so entschieden dagegen ausgesprochen hatten, dasselbe dennoch (in Bayern mit Umgehung des Placet) verkündigten und gegen die opponierenden Fakultäten von München, Bonn und Breslau sowie gegen einzelne Geistliche und Religionslehrer mit kirchlichen Zensuren einschritten, und als zugleich in dem Verhalten des Klerus und der katholischen Partei des Reichstags es sich unverhohlen zeigte, daß das Streben dahin gehe, den päpstlichen Willen auch zum obersten Gesetz der Staaten zu machen: da wurde es vielen der Besten zur Gewissenspflicht, sich der Einführung eines Dogmas zu widersetzen, welches für den Papst eine schrankenlose Gewalt über jeden Einzelnen wie über Kirche und Staat in Anspruch nehme, und mit dem kein Recht, keine Freiheit, keine Gewissenhaftigkeit bestehen könne. Ein Brief des Stiftspropstes Döllinger zu München an den Erzbischof, in dem er in schneidiger Sprache (März 1871) begründete, daß er als Christ, als Theolog, als Geschichtskundiger, als Bürger das Dogma nicht annehmen könne, und den der Erzbischof mit der Exkommunikation beantwortete, gab der in weitern Kreisen verbreiteten Stimmung Ausdruck und Anlaß zu einer weiter gehenden Bewegung, die von einem Aktionskomitee in München geleitet wurde. Die anfängliche Hoffnung, die Annahme des Dogmas in der deutschen Kirche noch rückgängig machen zu können, schwand durch die in einem gemeinsamen Hirtenbrief des deutschen Episkopats ausgesprochene Unterwerfung desselben. Ihr stellte der Kongreß der Altkatholiken zu München (September 1871) die Behauptung entgegen, die Infallibilisten seien, durch den Jesuitismus verführt, vom Glauben der alten Kirche abgefallen, und diese bestehe rechtmäßig nur in ihnen fort. Damit war das Schisma ausgesprochen; unter dem Schutz und der Begünstigung des Staats bildeten sich eine Anzahl altkatholische Gemeinden, deren kirchlichem Bedürfnis der Erzbischof von Utrecht entgegenkam, indem er sich zu einer Firmelungsreise durch dieselben entschloß. In einer Reihe wissenschaftlicher und populärer Schriften entwickelten inzwischen die Führer der Bewegung, Schulte, Friedrich, Reinkens, Michelis u. a., aus Kirchenrecht und Kirchengeschichte die Ungültigkeit und Unstatthaftigkeit des Dogmas, seinen Widerspruch mit Religiosität und Sittlichkeit. Der zweite Kongreß in Köln, September 1872, hielt in seinen Anträgen an den Staat den bisherigen Anspruch, die rechte katholische Kirche zu sein, fest und beauftragte ein Komitee, die Einleitung zu einer Rekonstituierung der Kirche durch eine Bischofswahl zu treffen. Zugleich wurde auch die von Döllinger angeregte Frage nach der Möglichkeit einer Wiedervereinigung der getrennten Konfessionen ins Auge gefaßt und offen ausgesprochen, daß man nicht, wie anfänglich beabsichtigt gewesen, nur auf den Zustand des 7. Jahrh., vor der Trennung von der griechischen Kirche, zurückgreifen könne, sondern daß eine Revision der Entwickelung in Lehre, Verfassung und Kultus notwendig sei. In der That ist nur dann von der ganzen Bewegung ein mehr als vorübergehender Erfolg zu erwarten, wenn es ihr gelingt, durch ein Vertiefen in den objektiven religiösen Gehalt des Katholizismus ein neues religiöses Prinzip zu finden, auf dem eine kirchliche Gemeinschaft sich aufbauen könnte, ohne in den Romanismus zurückzufallen oder zum Protestantismus getrieben zu werden.

Zunächst wurde nunmehr einer neuen Delegiertenversammlung 4. Juni 1873 zu Köln ein von J. F. ^[Johann Friedrich] v. Schulte entworfenes Organisationsstatut vorgelegt und von derselben angenommen. Nach demselben beruht die Leitung der Kirche bei dem Bischof, dem ein Spezialausschuß von neun Personen, teils Geistlichen, teils Laien, zur Seite steht, den die Synode der Kirche erwählt, welche jährlich in der Pfingstwoche zusammentritt, und zu der sämtliche Geistliche und für jede Gemeinde, bez. für je 200 selbständige Männer ein Laiendeputierter berufen werden. Bei der gleich darauf vollzogenen Bischofswahl, an der 20 Geistliche teilnahmen, vereinigten sich die Stimmen auf den bisherigen Professor zu Breslau, Jos. Hubert Reinkens (s. d.), welcher 7. Okt. 1873 durch den preußischen Kultusminister in Berlin als Bischof der altkatholischen Gemeinden Preußens vereidigt wurde. Die neue Organisation hält fest an dem auch vom preußischen Obertribunal anerkannten Grundsatz, daß die Altkatholiken keineswegs aus der katholischen Kirche ausgeschieden seien, sondern daß sie nur durch Umstände außer ihrer Macht an der Teilnahme der vollen Gemeinschaft gehindert würden. Die Konflikte, in welche die römisch-katholische Geistlichkeit sich in Deutschland und der Schweiz mit der Staatsgewalt begeben hat, haben dem Wachstum der Bewegung nur förderlich sein können, die aber zumeist auf die Kreise der Gebildeten beschränkt bleibt.

In Deutschland wurden seit 1874 alljährlich die kirchenverfassungsmäßigen Synoden in Bonn gehalten; ebenso fand 1876 der fünfte Kongreß in Breslau, 1877 der sechste in Mainz, 1880 der siebente in Baden, 1884 der achte in Krefeld statt. Auf den frühern Ver-^[folgende Seite]