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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Amerika

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Amerika (Pflanzenwelt).

Küstengebiet gleicht wie nach seinem Klima, so nach seiner Vegetation dem europäischen Mittelmeergebiet. Hier hat der Weinbau Wurzel geschlagen, Feige, Pfirsich und andre Früchte reifen hier zu seltener. Vollkommenheit, Cerealien und Futterkräuter liefern stellenweise außerordentliche Erträgnisse. Sehr reich vertreten sind die Nadelholz- und Cypressenformen, und nirgends auf Erden besitzen die Koniferenwaldungen einen solchen Riesenwuchs wie hier (Mammutbaum, Sequoia gigantea, über 100 m). Andre riesenhafte Nadelhölzer, Laubhölzer mit immergrünem Blattschmuck, Eichen, Linden, Eschen, Weiden, Sträucher von Oleander-, Myrten- und Heidekrautform sowie zahlreiche Stauden und Gräser vollenden die oft parkartige Form dieses kleinen, aber ausgezeichneten Gebiets.

Das mexikanische und das westindische Gebiet zeigen einen entschieden tropischen Charakter der Vegetation, Wälder von gemischten Formen und weniger Wiesenbildung. Eigentümliche vegetabilische Gruppen drücken hier der Flora einen besondern Typus auf: die fleischigen und wunderlich gestalteten, größtenteils mit prachtvollen Blumen bedeckten Kaktaceen mahnen an die Saftpflanzen vom Kap, die Kannaceen mit ihren großen und ungeteilten, glänzenden Blättern an die ostindischen Scitamineen. Neben ihnen werden tropische Rubiaceen und Euphorbiaceen überwiegend. Außer den europäischen Cerealien und Obstarten werden im südlichen Teil auch noch Reis, Mais, Hirse, dann Bananen, Ananas, Orangen, Mango, Kujaven, Avogatobirnen und andre tropische Früchte, Maniok, Yamswurzeln und Bataten, auf den westindischen Inseln insbesondere auch Zuckerrohr, Kaffee, Kakao, Indigo, Tabak und Baumwolle gebaut. Im scharfen Gegensatz zu dieser Fülle steht die Halbinsel Yucatan, eine flache, steinige, heiße Savanne, welche nur durch ihre Kampeschewälder einige Bedeutung besitzt. Die vielfach steppenförmige pazifische Abdachung Mexikos wird am Meeresufer von einem tropischen Wald umsäumt, welcher Blauholz liefert und Kokospalmen in sich birgt. Das südamerikanische Reich bietet unter allen Teilen der Erde die reichste und üppigste Vegetation dar. Die unermeßlichen Grasebenen, die Llanos, Campos etc., die in Südamerika innerhalb der Wendekreise die asiatischen Steppen vertreten, sind in der Regenzeit das Bild überschwenglicher Fruchtbarkeit und außer Gräsern mit andern Pflanzen der verschiedensten Art bedeckt. In den undurchdringlichen Urwäldern sind die Bäume und Sträucher nur in einzelnen kleinen Partien gesellig, wo die örtlichen Verhältnisse es begünstigen; im allgemeinen aber herrscht ein Gemisch von unendlicher Mannigfaltigkeit, in welchem prachtvolle Bauhinien und Banisterien mit zahlreichen Melastomaceen eine Hauptrolle spielen. Gegen die Grenzen von Guayana hin bilden aber auch die geselligen Catingas mit ihren Hesperidenfrüchten selbständige Wälder, die sich in der Trocknen Jahreszeit entlauben. Wenn aber auch die südamerikanische Vegetation der tropisch-asiatischen an Zahl der Gattungen und an Mannigfaltigkeit der Formen vielleicht überlegen ist, so steht doch die Fruchtbildung im allgemeinen weit hinter der asiatischen zurück, und köstliche Harze, edle Gewürze und kräftige Arzneimittel sind in A. viel seltener als in Ostindien. Außer den tropischen Kulturgewächsen werden auch Wein und die europäischen Cerealien und Obstsorten im südlichen Teil dieses Reichs angebaut. Während Grisebach dieses Florengebiet in sieben Provinzen zergliedert, unterscheiden andre vier größere Vegetationsbezirke, wovon ein jeder wieder in einzelne Teile getrennt werden muß. Die Flora der Terra firma (Schouws Reich der Kaktaceen und Piperaceen) umfaßt Mittelamerika, Neugranada, Venezuela, Guayana und das innere Südamerika bis an den Amazonenstrom. Die mittlere Wärme ist 29° C. Überwiegende Gruppen, welche der Vegetation dieses Gebiets ihren eigentümlichen Typus aufdrücken, sind die Guttiferen, Leguminosen (über 300), Rubiaceen (über 200), Myrtaceen, Malpighiaceen, Sapindaceen, Bignoniaceen, Kapparidaceen, Verbenaceen, Kaktaceen (in zahlreichen, oft abenteuerlichen Gestaltungen), Solanaceen, Euphorbiaceen und Piperaceen. Die Flora von Brasilien und Buenos Ayres (bei Schouw im N. das Reich der Palmen und Melastomaceen, im S. das der holzartigen Synanthereen) erstreckt sich vom Amazonenstrom im Innern und längs der Ostküste bis zur Mündung des Rio de la Plata hinab, umfaßt demnach Brasilien, Paraguay und die Argentinische Republik bis an die Andes. Die mittlere Temperatur ist 29° C. Die brasilische Flora ist vielleicht die reichste der Welt. Europäische Formen sind hier selten und treten erst im S. sparsam und vereinzelt, zum Teil ziemlich abweichend, wieder auf. Die in der Flora der Terra firma vorherrschenden Familien sind auch hier zahlreich, doch erreichen andre und zwar bedeutsamere und imposantere Gruppen das Übergewicht, besonders die Oxalidaceen, Salikaceen, Malpighiaceen, Violaceen, Droseraceen, Rutaceen, Vochysiaceen (Brasilien ganz eigentümlich), Hämodoraceen, Amarantaceen, Begoniaceen und vor allen die majestätischen Palmen, die hier in den mannigfaltigsten Formen die ganze Vegetation beherrschen. Prächtige Zwiebelgewächse, Riesengräser, baumartige Farne erreichen hier ihren Kulminationspunkt. Die Flora der Andes (bei Schouw in zwei Reiche geteilt, nämlich in das Humboldtsreich oder Reich der Cinchonaceen, von 1600 bis 3000 m, und das Reich der Eskallonaceen und Kalceolarien, über 3000 m, die jedoch allmählich und unvermerkt ineinander übergehen) umfaßt die Kordilleren vom 5. bis 20.° südl. Br. und die nächstliegenden Gebirgsländer. Die mittlere Temperatur steigt von +1° bis +20° C. In dieser Gebirgsflora werden die nordischen und mittelländischen Formen, doch fast ohne Ausnahme in eigentümlichen Familien und Gattungen, wieder häufiger. Gegen 20 Amentaceen (Weiden, Betulinaceen und Kupuliferen, besonders aber Eichen) bilden Wälder und Haine. Vorherrschend sind in dieser Alpenflora besonders die Synanthereen (über 300), Polygalaceen, Passifloraceen, Solanaceen, Eskallonaceen und Piperaceen. Die Fieberrindenbäume bilden in zahlreichen Spezies ganze Wälder. Noch 15 Palmengattungen finden sich hier, darunter steigt Ceroxylon andicola bis zu 2600 m auf. Gräser und Farne kommen in mehr als 100 Gattungen vor. Nordisch wird die Vegetation unter den Tropen erst an der Grenze des ewigen Schnees, noch bis zu einer Höhe von 3250 m ist sie mit tropischen Formen gemischt. Die Flora von Peru und Chile begreift den schmalen Westküstensaum Südamerikas zwischen dem Fuß der Andes und dem Stillen Ozean in Peru, Bolivia und Chile bis zum 40.° südl. Br. Das südliche Peru und das nördliche Chile sind die Südgrenze der rein tropischen Familien, über welche hinaus nur noch wenige ihrer Formen sich verbreiten. Vereinzelte Amentaceen, eine Weide, mehrere Myrikaceen, eigentümliche Nadelhölzer (Araucaria, Podocarpus) bilden ganze Wälder. Es finden