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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Anemonin - Anethan.

giftig und können Entzündungen im Magen- und Darmkanal herbeiführen. Die Kamtschadalen bereiten aus dem Safte der Pflanze ein Pfeilgift. Sie enthält flüchtiges Anemonin C15H12O6 ^[C_{15}H_{12}O_{6}]. Dies bildet farblose, leicht zerreibliche Prismen, ist geruchlos, fast geschmacklos und löst sich wenig in kaltem Wasser und Alkohol; nach dem Schmelzen schmeckt es höchst brennend pfefferartig und bewirkt einige Tage anhaltende Taubheit der Zunge. A. ranunculoides L. (gelbe Osterblume), mit gelben Blüten, hat mit der ihr auch sonst ähnlichen vorigen Art gleiche Eigenschaften.

Anemonīn, Alkaloid, s. Anemone.

Anemophilae, s. Blütenbestäubung.

Anemoskōp (griech.), Instrument zum Anzeigen der Windrichtung, Wind- oder Wetterfahne.

Anenkephalīe (griech.), angeborner Mangel des Gehirns, ist stets mit mangelhafter Schädelbildung (Akephalie, Hemikephalie) verbunden; das Gesicht ist vorhanden, meist mit Glotzaugen und an die Form eines Froschkopfes erinnernd. Die gehirnlosen Mißgeburten sind nicht lebensfähig.

Anepigrăpha (griech.), unbetitelte Schriften; anepigraphisch, ohne Aufschrift.

Anerbe (Grunderbe, Wehrfester), bei unteilbaren Bauerngütern derjenige Erbberechtigte, welchem allein das ganze Gut als Erbe zufällt. S. Abfindung.

Anerbenrecht, s. Höferecht.

Anerio, Felice, einer der namhaftesten ital. Komponisten aus der Palestrina-Periode, geb. 1560 zu Rom, angeblich ein Schüler des ältern Nanini und in Palestrinas Musikschule zu Rom gebildet, erhielt 1594 die Ehrenstelle eines Compositore der päpstlichen Kapelle, die vor ihm Palestrina bekleidet hatte, und starb in Rom 1630. Seine Werke bestehen in 2 Büchern Hymnen und Motetten zu 5, 6 und 8 Stimmen, 2 Büchern Madrigalen zu 6 Stimmen, ferner in vierstimmigen Responsorien, Messen, Kanzonetten, Psalmen etc. Viele seiner Schöpfungen liegen noch als Manuskript in den Archiven des Vatikans und der päpstlichen Kapelle. Die Sammlungen alter Kirchenkompositionen: "Musica divina" und "Selectus novus missarum" von Proske (Regensburg) enthalten einige herrliche Messen von ihm. - Sein Bruder Francesco Giovanni A., geb. 1567 zu Rom, eine Zeitlang königlich polnischer Kapellmeister und wahrscheinlich zu Anfang des 17. Jahrh. in Rom als Kapellmeister an der Laterankirche gestorben, hat sich ebenfalls durch eine Menge fünf- bis achtstimmiger Motetten, Madrigale, Kanzonetten, Litaneien etc. Ruhm erworben.

Anerkennung (Anerkenntnis), die bejahende Erklärung über die Wirklichkeit, Wahrheit und Identität einer Person oder Sache oder eines Verhältnisses, vorzüglich insofern die eigne Mitwirkung dabei in Frage gestellt ist; z. B. A. eines Kindes, einer Urkunde, Unterschrift etc., besonders auch das Zugeständnis eines fremden Rechts oder faktischen Zustandes. Im Privatrecht versteht man namentlich darunter die A. eines Anspruchs, also ein Schuldbekenntnis, und man spricht von einem besondern Anerkennungsvertrag, wenn die A. dem Gegner gegenüber zu dem Zweck erfolgt, damit dieser dieselbe dem Anerkennenden gegenüber geltend machen und gebrauchen könne. So wird z. B. die Abrechnung und die A. der dabei sich herausstellenden Schuld in der modernen Gerichtspraxis vielfach als ein Verpflichtungs- und Klagegrund behandelt. Die A. eines Rechtsverhältnisses kann auch zum Gegenstand einer rechtlichen Klage und eines Rechtsstreites gemacht werden. Die deutsche Zivilprozeßordnung statuiert dies ausdrücklich, indem sie (§ 231) bestimmt, daß auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf A. einer Urkunde oder auf Feststellung der Unechtheit derselben Klage erhoben werden kann, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. (Vgl. Bähr, Die A. als Verpflichtungsgrund, 2. Aufl., Götting. 1867.) Im Völkerrecht ist die A. namentlich dann von Wichtigkeit, wenn es sich um ein bestrittenes Recht einer Nation, einer Schuldforderung u. dgl. handelt, weil hier im Streit bei dem Mangel eines entscheidenden richterlichen Urteils und völliger Klarheit des bestimmten Rechts die Motive der Ehre und die öffentlichen Interessen und Rücksichten nie so sehr vor erfolgter A. für die Erfüllung der Verbindlichkeit wirken, als nachdem diese ausgesprochen ist. Von noch höherer Bedeutung aber erscheint die A. dann, wenn es sich entweder um die völkerrechtliche Existenz oder Souveränität des Staats überhaupt oder um die völkerrechtliche Geltung seiner Verfassung und Regierung handelt. Die A. ist hier allerdings weder Grund noch Bedingung der Souveränität des anerkannten Staats, denn der Staat soll bereits als eine souveräne Persönlichkeit dastehen, bevor er auf A. Anspruch macht. Der positive Inhalt der A. besteht vielmehr darin, daß man den anzuerkennenden Staat als eine konstituierte völkerrechtliche Persönlichkeit betrachtet, und daß man einen völkerrechtlichen Verkehr mit ihm für möglich hält und anknüpft. Große Nationen pflegen, wie wir aus der Geschichte lernen, eine allgemeine A. für ihre Staatsumwälzungen viel leichter zu erlangen als kleinere. Sehr schwierig ist dabei die Frage, wie weit und nach welchen Prinzipien die A. eintreten darf, wenn ein Teil eines Staats sich von demselben losreißt, oder wenn zwei Parteien in einem Land um die Herrschaft kämpfen. Als ein zweckmäßiges Auskunftsmittel wird hier die Entsendung von diplomatischen Agenten ohne gesandtschaftlichen Charakter empfohlen, doch ist in diesen Fällen Vorsicht geboten. S. auch Allianz.

Aneroïd, s. Barometer.

Anervīe, s. Aneurie.

Änesidēmos, skept. Philosoph, aus Gnossos auf der Insel Kreta gebürtig, Schüler des Heraklides, lehrte zu Alexandria in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts vor oder um den Anfang des ersten Jahrhunderts n. Chr. Er suchte die absolute, in der Natur der Dinge selbst begründete Unmöglichkeit, etwas mit Sicherheit zu erkennen, darzuthun. Von der ins einzelne gehenden Durchführung seiner Ansichten sind nur die Darstellung des Ungewissen und des Streits der Empfindungen untereinander sowie die Zweifel gegen die Erkenntnis von dem ursachlichen Verhältnis der Dinge uns bekannt. Des A. Schriften sind sämtlich verloren gegangen. Vgl. Saisset, Aenésidème (Par. 1840); Derselbe, Le scepticisme. A., Pascal, Kant (das. 1865). G. E. Schulze (s. d.) gab unter dem Titel: "Ä." eine Schrift heraus (Helmst. 1792), worin er Kants Kritik vom Standpunkt des Skeptizismus aus bekämpfte.

Anethan (spr. an'tāng), Jules Joseph, Baron d', belg. Staatsmann, geb. 1803, studierte die Rechte trat in den Staatsjustizdienst, ward 1831 königlicher Prokurator, 1836 Generaladvokat am Appellhof in Brüssel, 1843 im klerikalen Ministerium Nothomb Justizminister und blieb dies auch unter de Weyer und de Theux, bis 1847 die Liberalen ans Ruder kamen. Seit 1844 vertrat er Löwen in der Deputiertenkam-^[folgende Seite]