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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Anethol - Anfechtung.

mer, wo er zur klerikalen Partei gehörte. Als diese bei den Wahlen im Juni 1870 wieder siegte, ward A. mit der Bildung des klerikalen Ministeriums betraut, dessen Seele indes nicht er, sondern Malou war. Als der Bankrott Langrand-Dumonceaus die klerikale Partei und besonders einige Schützlinge Anethans, wie den Gouverneur von Limburg, Dedecker, arg kompromittierte, mußte A. mit seinem Ministerium im Dezember 1871 zurücktreten und ward zum Gesandten beim päpstlichen Stuhl ernannt. Diesen Posten verlor er 1880, als die belgische Regierung die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan abbrach. 1884 ward er zum Präsidenten des Senats erwählt.

Anethol, s. Anisöl.

Anethou (Pic d'A. oder franz. Pic de Néthou), der höchste Gipfel der Pyrenäen, zum Gebirgsstock der Maladetta (s. d.) gehörig, 3404 m hoch, bildet eine ovale Plattform von 23 m Länge und 8 m Breite, aus aufgetürmten Massen von quarzhaltigem Porphyr bestehend, und trägt drei kleine Türme mit einem Register zur Einschreibung der Besteigungen, die jetzt in zwei Tagen ausgeführt werden können und ziemlich häufig sind. Die erste fand 1787 durch den Pyrenäenreisenden Ramond statt. Am nördlichen Gehänge des Bergstocks liegen mächtige Gletscher mit einer Totalausdehnung von 9200 m.

Anēthum L. (Dill, Gurkenkraut), Gattung aus der Familie der Umbelliferen, mit nur einer Art, A. graveolens L. (gemeiner oder Gartendill, Kümmerlingskraut), einer einjährigen, 0,6-1,25 m hohen Pflanze mit, wie die Blätter, bläulich bereiftem Stengel, zwei- bis dreifach fiederteiligen Blättern mit linealisch fadenförmigen Zipfeln, hüllenlosen Dolden und Döldchen, gelben Blüten und ovalen, 4 mm langen Früchten, findet sich in Südeuropa und Ostindien, wird bei uns in Gemüsegärten kultiviert und kommt bisweilen von da aus verwildert vor. Dill gedeiht in jedem Boden und jeder Lage und wird zweckmäßig in die Spargelbeete gesäet. Einmal angesäet, besamt sich das Beet durch Ausfall von selbst. Keimfähigkeit der Samen zwei Jahre. Man gebraucht die Blüten oder Samendolden wie auch die grünen Pflanzenteile beim Einmachen von Gurken und Weißkohl. Die Dillsamen riechen gewürzhaft, stark erwärmend und geben bei der Destillation ein blaßgelbes ätherisches Öl, welches von sehr durchdringendem Geruch, süßlich-brennendem Geschmack, 0,881 spez. Gew., in Wasser schwer, in Alkohol und Äther leicht löslich ist und, wie die Samen, als diuretisches Mittel gebraucht wird. Der Sowadill (A. sowa), in Bengalen, dessen Früchte in Ostindien als Arzneimittel und Gewürz benutzt werden, ist wohl nur eine Varietät des vorigen.

Aneurīe (Anervie, griech.), Mangel an Nerv oder an Spannkraft; Sehnenlähmung.

Aneurin, ein Held und gefeierter Barde der Kymren (Kelten) in Wales, welcher in der Schlacht bei Cattraeth die Angelsachsen besiegte, starb um 570. Sein Lied zur Verherrlichung des genannten Siegs ist noch vorhanden.

Aneurýsma (griech., Pulsadergeschwulst), sackartige Erweiterung einer Pulsader. Man unterscheidet: 1) Die wahren Aneurysmen (A. verum); diese sind sackförmige Erweiterungen des Arterienrohrs und lassen anfangs, wie dieses, drei Wandschichten unterscheiden; später wächst der Sack weiter, wird mitunter so groß wie ein Kindskopf (Aortenaneurysma) und besteht dann nur aus einer derben fibrösen Hülle. Den Inhalt bilden flüssige und geronnene Blutmassen. 2) Die falschen Aneurysmen (A. spurium) entstehen durch vollständige oder unvollständige Zerreißung der Arterienwand, wobei das austretende Blut sich in der Wand selbst oder in der Umgebung eine Höhle wühlt, die nun, prall mit Blut gefüllt, dem wahren A. sehr ähnlich wird. Liegt ein A. der äußern Untersuchung zugänglich, so stellt es sich als pulsierende Geschwulst dar, die wegen ihres Zusammenhanges mit einer (größern) Arterie sehr gefährliche Blutungen bedingen kann. Die Behandlung der äußern Aneurysmen hat entweder die Verödung des Sackes oder die völlige Entfernung desselben zum Zweck. Zuerst muß die Kompression angewendet werden, und wenn diese nicht zum Ziel führt, unterbindet man die Arterie dicht oberhalb des A. Der Aneurysmasack sinkt dann zusammen und verödet durch Gerinnung des in ihm enthaltenen Bluts. - Als eigentümliche Formen des A. sind noch folgende aufzuführen: Das A. cirsoideum, ein Konvolut stark erweiterter und geschlängelter Arterien, kommt vorzugsweise am Hinterhaupt, in der Schläfen- und Scheitelgegend vor und stellt eine flache pulsierende Geschwulst dar, welche sich durch die Haut so anfühlt, als befänden sich eine Menge von Regenwürmern in derselben. Diese Form des A. entsteht manchmal durch Schlag, Stoß etc. und entwickelt sich besonders bei jugendlichen Individuen. Das A. varicosum ist ein zwischen einer Arterie und einer Vene liegender Aneurysmasack, welcher auch mit der Vene zusammenhängt, so daß das Blut aus der Arterie durch die Geschwulst in die Vene überfließt. Der Varix aneurysmaticus ist eine Geschwulst, welche durch den Übergang des arteriellen Bluts in eine Vene und zwar gewöhnlich durch die Verwundung mit einem spitzen Instrument entsteht, welches die Vene durchbohrt hat und bis in eine nahe dabeiliegende Arterie vorgedrungen ist.

Anfahren, im Bergwesen das Hineinsteigen in eine Grube; auch das Erreichen oder Angreifen von Lagerstätten oder Flözen bauwürdiger Mineralien.

Anfangsgeschwindigkeit der Geschosse, s. Flugbahn.

Anfechtung, im Zivilrecht oder Prozeß im weitern Sinn jeder durch Benutzung eines Rechtsmittels im weitesten Sinn erfolgende Angriff gegen die Gültigkeit eines Rechts- oder Prozeßaktes; im engern Sinn scheidet man oft den Fall aus, wo eine Rechtshandlung vermöge innern Mangels ungültig, nichtig ist (z. B. Nichtigkeit eines Geschäfts wegen Mangels der gesetzlichen Form), und versteht, im Gegensatz zur Geltendmachung dieser Nichtigkeit, unter A. nur den Fall, wo aus Umständen, die außerhalb der Rechtshandlung liegen, die Ungültigkeit der an sich gültigen Rechtshandlung herbeigeführt wird (z. B. A. eines Geschäfts wegen Betrugs oder Zwanges). Die A. in letzterm Sinn steht nicht, wie die Geltendmachung der Nichtigkeit, jedem Beteiligten zu, sondern nur den Personen, für welche nach dem Gesetz der Anfechtungsgrund wirksam ist. A. von Rechtshandlungen eines Schuldners wegen Benachteiligung der Gläubiger war nach früherm gemeinen Recht regelmäßig nur wegen bezüglichen Verhaltens des Schuldners zulässig (sogen. Paulianische Klage des römischen Rechts). Das jetzige deutsche Recht bestimmt ähnlich wie das neuere englische und französische, daß Rechtshandlungen zum Nachteil der Gläubiger, die der Schuldner nach Eröffnung des Konkursverfahrens vornimmt, nichtig sind, im übrigen aber binnen einem Jahr von Eröffnung des Konkursverfahrens ab folgende Rechtshandlungen des Schuldners zum Nachteil der Gläubiger der A.