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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Anville - Anweisung.

Anville (spr. augwil), Jean Baptiste Bourguignon d', franz. Geograph, der Reformator der alten und neuen Kartographie, geb. 11. Juli 1697 zu Paris, widmete sich mit so großem Erfolg den mathematischen und geographischen Studien, daß er schon im 22. Jahr königlicher Geograph wurde, mit welcher Stelle er später die eines Privatsekretärs des Herzogs von Orléans verband. Seit 1775 mit dem Ehrenposten eines Adjunkts der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Paris bekleidet, starb er daselbst 28. Jan. 1782. Von seinen Karten (er gab deren 211 heraus) verdienen namentlich Erwähnung: der "Atlas général" (1737-80, 66 Blätter) und der "Atlas antiquus major" (12 Blätter), wozu die "Geographie ancienne abrégée" (1769, 3 Bde.) als Text gehört. Ein Nachstich der letztgenannten Karten erschien zu Nürnberg 1785 (12 Blätter), mit deutschem Text von Hummel, Stroch, Heeren u. a., als "Handbuch der alten Erdbeschreibung zum Gebrauch der größern d' Anvilleschen Landkarten" (das. 1796-1800). D'Anvilles "Traité des mesures itinéraires anciennes et modernes" (1769) ist für das Studium der alten Geographie noch immer wichtig. Seine wertvolle Kartensammlung (aus 10,500 Nummern bestehend) wurde für die königliche Bibliothek angekauft.

Anwachsungsrecht, s. v. w. Alluvionsrecht (s. Accession und Akkreszenzrecht).

Anwalt (Prokurator, Sachwalter, als Beauftragter einer Person, die selbst fremdes Interesse vertritt, auch Aktor und als Beauftragter einer öffentlich anerkannten Gemeinheit Syndikus genannt), eigentlich der Stellvertreter eines streitenden Teils bei gerichtlichen Verhandlungen oder überhaupt vor einer Behörde. Den Gegensatz dazu bildet eigentlich der Advokat, d. h. derjenige, welcher nicht anstatt, sondern neben einer Partei auftritt. Heutzutage wird jedoch dieser Unterschied nicht mehr aufrecht erhalten; man gebraucht die Ausdrücke A. und Advokat als gleichbedeutend und faßt beide Funktionen unter der Thätigkeit und der Bezeichnung des Rechtsanwalts (s. d.) zusammen.

Anwaltskammer (Advokatenkammer), eine zur Wahrung der Interessen des Anwaltsstands für einen bestimmten Bezirk konstituierte Körperschaft. Nach der deutschen Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 besteht für jeden Bezirk eines Oberlandesgerichts und am Sitz des letztern eine A., welche sich aus den innerhalb des Oberlandesgerichtsbezirks zugelassenen Rechtsanwalten zusammensetzt. Die A. bei dem Reichsgericht besteht aus den bei demselben zugelassenen Rechtsanwalten. Der A. liegen die Bewilligung der Mittel zur Bestreitung des für die gemeinschaftlichen Angelegenheiten erforderlichen Aufwands und die Bestimmung des Beitrags der Mitglieder ob, ferner die Feststellung der Geschäftsordnung für die Kammer und den Vorstand sowie die Prüfung und Abnahme der von dem letztern zu legenden Rechnung. Die Kammer wählt aus ihren Mitgliedern den aus 9-15 Mitgliedern bestehenden Vorstand. Diese Wahl erfolgt auf vier Jahre, jedoch mit der Maßgabe, daß alle zwei Jahre die Hälfte der Mitglieder, bei ungerader Zahl zum erstenmal die größere Zahl, ausscheidet, indem die zum erstenmal Ausscheidenden durch das Los bestimmt werden. Der Vorstand wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden und den Schriftführer sowie deren Stellvertreter. Der Vorstand hat Streitigkeiten unter den Mitgliedern der Kammer auf Antrag zu vermitteln, ebenso Streitigkeiten aus dem Auftragsverhältnis zwischen einem Mitglied der Kammer und dem Auftraggeber auf Antrag des letztern; der Vorstand hat ferner Gutachten, welche von der Landesjustizverwaltung, sowie solche, welche in Streitigkeiten zwischen einem Mitglied der Kammer und seinem Auftraggeber von den Gerichten gefordert werden, zu erstatten; er hat das Vermögen der Kammer zu verwalten und derselben über die Verwaltung jährlich Rechnung zu legen; endlich hat der Vorstand die Aufsicht über die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten zu üben und die ehrengerichtliche Strafgewalt zu handhaben. In letzterer Beziehung entscheidet nämlich der Vorstand im ehrengerichtlichen Verfahren als Ehrengericht in der Besetzung von fünf Mitgliedern. Dieses Ehrengericht besteht aus dem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter und drei andern Mitgliedern des Vorstands und kann auf Warnung, Verweis, Geldstrafe bis zu 3000 Mk. und auf Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft erkennen. Gegen das Urteil des Ehrengerichts ist das Rechtsmittel der Berufung an den Ehrengerichtshof gegeben, welcher aus dem Präsidenten des Reichsgerichts als Vorsitzendem, drei Mitgliedern des Reichsgerichts und drei Mitgliedern der A. bei dem Reichsgericht besteht. Vgl. Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878, § 41-97.

Anwaltsprozeß, Bezeichnung für diejenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen die Parteien notwendigerweise durch einen Rechtsanwalt vertreten sein müssen. Während nach der deutschen Zivilprozeßordnung für die bei den Amtsgerichten anhängigen Rechtssachen kein Anwaltszwang besteht, müssen sich die Parteien vor den Landgerichten und vor allen Gerichten höherer Instanz durch einen bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Ein bei dem Prozeßgericht zugelassener Rechtsanwalt kann sich selbst vertreten. Den Gegensatz zum A. bildet der sogen. Parteiprozeß vor dem Amtsgericht, in welchem die Partei selbst oder durch einen Prozeßbevollmächtigten, der kein Rechtsanwalt zu sein braucht, vor Gericht auftreten kann. Vgl. Deutsche Zivilprozeßordnung, § 74 ff.

Anwaltszwang, s. Anwaltsprozeß.

Anwartschaft (Exspektanz), die jemand (Anwärter, Exspektant) erteilte und von diesem angenommene Zusicherung, daß ein gewisses Recht oder Gut ihm nach dem Abgang dessen, dem es gegenwärtig zusteht, übertragen und zur Verfügung gestellt werden soll. Der Begriff hat seinen Ursprung im Lehnrecht. Es pflegten nämlich Lehnsherren ihren Untergebenen, die sie irgend einer Ursache wegen zu belohnen wünschten, wenn sie bei dem Mangel an eröffneten Lehen dies nicht sogleich thun konnten, statt dessen die Zusicherung künftiger Belehnung zu erteilen. Etwas der Lehnsexspektanz Ähnliches ist die Eventualbelehnung (s. d.). Aus dem Lehnrecht ging das Rechtsinstitut der A. auch in das Staats- und Kirchenrecht über insofern, als einzelnen Personen Staats-, Gemeinde- oder Kirchenämter für den Fall der Erledigung durch den Abgang der derzeitigen Inhaber derselben zugesichert wurden. Im Kirchenwesen findet man sie noch jetzt mit der Adjunktion und Substitution verbunden, d. h. wo ein jüngerer Kirchendiener einem ältern zur Aushilfe gegeben ist und dazu die Exspektanz auf das volle Amt für die Zukunft bekommt.

Anweiler, s. Annweiler.

Anweisung (Assignation, Assignatio), ein Auftrag, durch welchen jemand (der sogen. Assignant) einen andern (nämlich den sogen. Assignaten) bevollmächtigt, an einen Dritten (d. h. an den Assignatar)