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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Apothema - Appenzell.

jedes Mittel hatte sein besonderes Zeichen. Diese Zeichenschriften sind jetzt durch gewöhnliche (abbreviierte) Schreibart verdrängt; nur einige werden bisweilen noch angewendet, z. B. ^ für Wasser, ^ für Alkohol, ^ für Zucker, ^ für Pulver etc. Mit den chemischen Zeichen haben diese A. nichts zu schaffen.

Apothēma (griech.), Senkrechte vom Mittelpunkt auf die Seite eines regulären Vielecks.

Apotheōse (griech., lat. Consecratio), Vergötterung eines Menschen, insbesondere die feierliche Versetzung desselben unter die Götter. Dieser Gebrauch, durch Ehrfurcht und Dankbarkeit veranlaßt, durch Schmeichelei und Aberglauben fortgepflanzt und vervielfältigt, findet sich bei den meisten Völkern des Altertums, am frühsten bei den Assyrern, Ägyptern und Persern, dann auch bei den Griechen und Römern. Die Griechen vergötterten auf das Geheiß von Orakelsprüchen besonders verdiente Helden nach ihrem Tode, dann auch die Gründer von Kolonien und Städten; in der Folge eigneten sich Fürsten sogar noch bei Lebzeiten göttliche Würde zu und ließen sich in diesem Sinn Denkmäler und Ehrensäulen errichten. Bei den Römern war Romulus der erste und lange Zeit der einzige, dem die Ehre einer feierlichen A. zu teil wurde; der zweite war Julius Cäsar, den Augustus vergöttern ließ, wie ihm selbst nach seinem Tode diese Ehre zu teil wurde. Nach ihm nahmen dieselbe alle Kaiser, Vespasian ausgenommen, für sich in Anspruch, und sie wurde ihnen in der Regel infolge eines Senatsbeschlusses zugeteilt. Ähnliche Ehrenbezeigungen wurden in den Provinzen den Prokonsuln erwiesen, aber die Unsittlichkeit der damit Ausgezeichneten machte die ganze Sache bald zum Gespött. Die A. oder Konsekration der Kaiser und ihrer Gemahlinnen findet sich auf römischen Denkmälern sehr häufig. Gewöhnlich wird sie durch Aufschweben zum Himmel dargestellt, wobei die Kaiser von Adlern, die Kaiserinnen von Pfauen getragen werden. Auf Vasenbildern sieht man die A. des Herakles derart dargestellt, daß der Heros aus den Flammen des Scheiterhaufens auf einem Viergespann zum Himmel fährt. Berühmt ist auch die "A. Homers", ein figurenreiches Relief wahrscheinlich aus dem 1. Jahrh. v. Chr., im 17. Jahrh. an der Via Appia gefunden, jetzt im Britischen Museum befindlich.

A potiōri (lat.), dem Hauptteil, der Mehrzahl nach, z. B. a p. fit denominatio, seinem Hauptteil nach erhält ein Ding seine Benennung.

Apoxyomĕnos (griech., der "Schaber"), der sich mit dem Schabeisen von Staub, Schweiß und Öl reinigende Athlet, Name einer im Altertum gefeierten Erzstatue des Lysippos, von welcher sich eine wohlerhaltene antike Marmorkopie im Vatikan zu Rom befindet (1849 zu Trastevere in Rom aufgefunden).

Appalachen (spr. -latschen, Appalachian System), Gebirgssystem, s. Alleghanygebirge.

Appalachicola (spr. -atschikohla), Fluß in Nordamerika, welcher durch die Vereinigung des Chattahoochee und des Flint River im südwestlichen Teil des Staats Georgia entsteht, Florida durchströmt und sich in die Appalachicolabai des Golfs von Mexiko ergießt. Er ist auf seinem ganzen etwa 150 km langen Laufe für Dampfboote fahrbar. Nahe an seiner Mündung liegt die Stadt A., mit Ausfuhr von Holz und Holzwaren (1883 für 206,760 Doll.).

Apparāt (lat.), die Gesamtheit der zu einer Arbeit, Verrichtung etc. nötigen Hilfsmittel und Werkzeuge.

Appareille (franz. appareil, spr. -räj), s. Rampe.

Apparition (lat.), das Sichtbarwerden (von Gestirnen); Erscheinung; Gespenst.

Appartement (franz., spr. -t'māng), Zimmerreihe; einzelnes Zimmer; (unfranz.) Abort.

Appassionāto (ital.), musikal. Vortragsbezeichnung: mit leidenschaftlichem Ausdruck.

Appel comme d'abus (franz., spr. Appell kom dabüh), das Rechtsmittel der Beschwerde wegen Missbrauchs der geistlichen Amtsgewalt, welches an die Staatsgewalt und deren zuständige Organe gerichtet wird (s. Recursus ab abusu).

Appell (lat.), das Versammeln von Truppen zur Befehlsausgabe, Entgegennahme von Meldungen, Bitten, Revision von Kleidern, Pferden etc. Das Zusammenrufen geschieht in der Regel durch das Signal "A.!" Auch versteht man unter A. die Gewandtheit der Truppen in rascher Auffassung und präziser Ausführung von Befehlen. - In der Fechtkunst ist A. ein lebhafter Tritt mit dem rechten Fuß, mit oder ohne Ausfall, der beim Unterricht zum Beweis dient, daß der Schüler im Gleichgewicht steht und leichte Haltung hat, d. h. zum Ausfall bereit ist. Beim Kontrafechten gehört der A. zu den Finten, indem man dem Gegner dadurch Anlaß zu fehlerhaften Bewegungen geben will; besonders gern wird derselbe von den Franzosen geübt.

Appellabel nennt man ein Erkenntnis dann, wenn dasselbe mit dem Rechtsmittel der Berufung (s. d.) oder Appellation angefochten werden kann.

Appellation (lat.), Berufung, Rechtsmittel, durch welches die nochmalige Prüfung und Entscheidung einer Rechtssache herbeigeführt werden soll (s. Berufung); daher Appellationsrichter, der Oberrichter, welcher in zweiter Instanz (in appellatorio) zu entscheiden hat, wie denn in verschiedenen deutschen Staaten die zweitinstanzlichen Gerichte die Bezeichnung Appellationsgericht und die drittinstanzlichen den Namen Oberappellationsgericht bis zum Inkrafttreten der neuen deutschen Justizgesetze führten. In übertragener Bedeutung spricht man von der A. als von der Berufung an eine höhere und bessere Stelle und an ein sachverständigeres Urteil.

Appellatīvum (lat.), s. Substantivum. ^[richtig: Substantiv.]

Appellieren (lat.), das Rechtsmittel der Berufung (s. d.) einlegen; sich auf etwas berufen, auf eine höhere und bessere Entscheidung antragen.

Appéndix (lat.), Anhang oder Zusatz zu einem Buch etc.; Appendicula, Anhängsel; Appendizien, s. v. w. Pertinenzien; appendizieren, als Anhang nachträglich beifügen.

Appenzell, Kanton der nordöstlichen Schweiz, ganz vom Kanton St. Gallen umgeben, 420 qkm (7,6 QM.) groß mit (1880) 64,799 Einw. Das Land ist ein wald- und wiesengrünes, mit hübschen Dörfern und zahllosen Häuschen übersäetes, von tiefen Flußtobeln (s. Sittern) durchfurchtes und von den kahlen Felswänden des Säntisgebirges (2504 m hoch) überragtes Voralpengelände, das gegen den Bodensee abfällt. Inselartig von flachem Niederland umgeben, schaut es nach allen Seiten aus, der innern Schweiz zu mehr an andre Berg- und Thalpartien angelehnt (Hinterland), nach dem Rhein und Bodensee kühner und freier vortretend (Vorderland). Der Kanton zerfällt seit 1597 infolge der Reformation in zwei selbständige Hälften: das äußere Gebiet (Außer-Roden), dessen Bewohner weit überwiegend reformiert sind, und das fast ganz katholische innere Gebiet (Inner-Roden). Die Außer-Roder sind ein geistig aufgewecktes Völkchen, haushälterisch und außerordentlich thätig. Sie pflegen den National- und Volksgesang sehr eifrig. In ihren öffentlichen Zusammenkünften