Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Arabische Litteratur

727

Arabische Litteratur (Geschichtschreibung).

den Dichter über alle Vorstellung einträglich waren. So gab der Feldherr Táher dem Abu Nowás 300,000 Dirhems für drei Verse auf seine Freigebigkeit mit den Worten: "Wären der Verse mehr, so wären auch der Dirhems mehr". Die berühmtesten Dichter sind: der eben erwähnte Abu Nowás (gest. 814), der auch frische Trinklieder verfaßte (hrsg. von Ahlwardt, Greifsw. 1861); Asmai (Açma'i, gest. 828 oder 328), auch ausgezeichnet als Kenner der alten Poesie und Sprachforscher; Abu Temmám (s. d.); Ibn Doreid (s. d.); Mutanabbi (s. d.); Abul-Alá (gest. 1057), voll Ernst und Leidenschaft die Schäden seiner Zeit geißelnd (vgl. Rieu, De Abul-Alae vita et carm., Bonn 1843; Auszüge mit Übersetzungen von A. v. Kremer in der "Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft", Bd. 29-31); Tograi (s. d.); Ibn al Fáridh (s. d.); Isseddín al Makdisí (gest. 1279), allegorisch über Vögel und Blumen (hrsg. von Garcin de Tassy, Par. 1821); Buçíri (gestorben um 1295), berühmt durch ein Lobgedicht auf Mohammed unter dem Titel: "Bordah" (hrsg. mit deutscher Übersetzung von C. A. Ralfs, Wien 1860), u. a. Da es nach arabischer Ansicht das Merkmal eines guten Gedichts ist, daß es mit Weisheitssprüchen (Hikmah) durchwebt ist, so nehmen Sprichwörter und Gnomen in dieser Litteratur natürlich eine hohe Stelle ein. Nicht geringer ist die Bedeutung der sprichwörtlichen Redensarten, deren Kenntnis zum Verständnis gelehrt schreibender Schriftsteller oft ganz unentbehrlich ist. Die meist apokryphischen je 100 Sprüche Alis, Abu Bekrs, Omars und Othmans hat der persische Dichter Watwát (gest. 1182) gesammelt (Alis Sprüche allein hrsg. von Fleischer, Leipz. 1837). Spätere Sammlungen sind von Meidani (gest. 1124; hrsg. von Freytag, Bonn 1838-1843, 3 Bde.), Samachschari (1074-1143; übersetzt von Fleischer, Leipz. 1835, und von Weil, Stuttg. 1836). Die Gewohnheit, Sittenlehren und Lebensregeln in Fabeln, Parabeln und Apologen einzukleiden, ist schon aus der Bibel bekannt und im Orient einheimisch. Die a. L. besitzt zwei berühmte Sammlungen dieser Art. Die eine, aus Indien stammend (wo das Werk den Titel: "Pantschatantra", d. h. Fünfbuch, trägt), in der aus dem Persischen geflossenen arabischen Übersetzung "Calila wa dimna" genannt, enthält Klugheitsregeln für einen Monarchen, in Tierfabeln eingekleidet, und ist unter den verschiedenen Namen: "Fabeln Bidpais", "Humajun Nameh" ("Kaiserliches Buch") u. a. eins der im Orient verbreitetsten Bücher und in viele abendländische Sprachen übersetzt, aus dem Persischen ins Arabische von dem Perser Ibn el Mukaffa (gestorben etwa 756; der arabische Text hrsg. von de Sacy, Par. 1816; mehrfach auch seit 1251 d. H. in Bulak gedruckt). Die andre Sammlung führt den Namen Lokmans (s. d.). Noch ausschließlicher der Volkslitteratur gehört der Roman an. Die arabischen Romane geben sich teils als wahre Erzählungen (Kiçça) oder Biographien (Síret), teils als Märchen (Hikájah); hauptsächlich wählte man Ritter- und Heldengeschichten zum Gegenstand der Darstellung, doch wurden manche Stoffe auch aus dem Persischen entlehnt. Die beiden umfangreichsten und zugleich beliebtesten Romane sind: "Das Leben Antaras", das in der altarabischen Zeit, und "Das Leben des Sultans Bibárs", das in den Kreuzzügen spielt. Märchen gehören noch heutzutage zu den beliebtesten Unterhaltungen; an der Spitze derselben stehen "Tausendundeine Nacht" (s. d.). Als Anthologien sind neben den beiden Hamasen (s. d.) zu nennen: das "Große Liederbuch" des Abulfáradsch al Isfaháni (gest. 967), eine großartige Sammlung mit biographischen und theoretischen Beigaben (Ausgabe mit Übersetzung, begonnen von Kosegarten, Greifsw. 1840; vollständig gedruckt in 20 Bdn., Bulak 1285 d. H.), und die "Einzige Perle der Welt" des Tha'álebi (gest. 1038), nach den Ländern geordnet (vgl. Dieterici, Mutanabbi und Seifuddaula, Leipz. 1847). Neuarabische Sprichwörter hat Burckhardt gesammelt (übersetzt von Kirmß, Weim. 1834), Volkspoesien (besonders der Beduinen) Wallin und Wetzstein. Der Poesie sehr innig verwandt sind die sogen. Makamen (s. d.), die von den Arabern als Meisterstücke der Redekunst gepriesen werden und in ihrer Form sich an die Reimprosa des Korans anlehnen. Sie sind bald im erzählenden, bald im dialogischen Ton gehalten. Begründet wurde diese Dichtungsweise durch Hamadáni (gest. 1007), vollendet durch Hariri (s. d.). Vgl. außer den bereits angeführten Werken noch: Humbert, Anthologie arabe (Par. 1819); Jolowicz, Polyglotte der orientalischen Poesie (2. Ausg., Leipz. 1856), und die verschiedenen arabischen Chrestomathien von de Sacy, Kosegarten u. a.

Geschichtschreibung. Geographie.

Die historische Litteratur fällt zunächst mit der Traditionswissenschaft, zum Teil auch mit der philologischen Erklärung der alten Poesie (Stammsagen u. dgl.) und der Genealogie zusammen. Allmählich entwickelt sie sich selbständiger. Wákidi (747-823) wird als Darsteller der ersten islamitischen Eroberungszüge genannt (manches ist ihm untergeschoben, echt die von v. Kremer, Kalk. 1855-56, herausgegebenen und die von Wellhausen, Berl. 1882, übersetzten Stücke); Ibn Koteibah (828-889) lieferte höchst wichtige Nachrichten über die alte Geschichte und die verschiedenen Stämme in einem universell angelegten Kompendium (hrsg. von Wüstenfeld, Götting. 1850). Seit dem 3. Jahrh. der Hedschra aber wurde nach dem Bekanntwerden mit der persischen Überlieferung, mit griechischer Astronomie und christlicher Chronologie und durch Erweiterung des Gesichtskreises die Geschichte ein Lieblingsgegenstand der arabischen Gelehrten. Das Verfahren ist annalistisch, ohne historischen Pragmatismus, aber in der guten Zeit nie ohne Angabe der schriftlichen oder mündlichen Quelle. Anekdotische Details lieben die Geschichtschreiber besonders und vergessen darüber oft das Wichtigere; bei den meisten findet sich Übertreibung, Wundersucht und Leichtgläubigkeit, aus vielen spricht ein religiöser Geist und eine theokratische Ansicht der Weltbegebenheiten. Seit dem 10. Jahrh. schrieb man auch Universalgeschichtswerke, worin die Geschichte häufig nach Dynastien behandelt wird, und Al Berúni (973-1048), ein höchst bedeutender Kopf, verfaßte eine wichtige "Chronologie orientalischer Völker" (hrsg. von Sachau, Leipz. 1876-78; engl. von demselben, Lond. 1879). Die Sprache ist meist einfach und schmucklos, bei vielen selbst vernachlässigt, bei andern umgekehrt schwülstig und bombastisch. Trotz dieser Beschaffenheit der arabischen Geschichtschreibung ist ihr Inhalt wichtig, und für manche Partien ist sie unsre einzige Quelle. Die ersten umfassenden Geschichtschreiber sind Perser; unter ihnen ragt durch gewaltigen Fleiß hervor Tábari (839-923), dessen für die Geschichte des Orients unvergleichlich wichtige Weltgeschichte verloren schien, jetzt aber ziemlich vollständig wieder aufgefunden ist und von einem Verein von Orientalisten unter de Goejes Leitung herausgegeben wird (bisher 13 Halbbde., Leid. 1879-84; einiges war schon