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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Arbeitslohn

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Arbeitslohn.

arbeitshäuser für hartnäckige Bettler und gemeinschädliche Müßiggänger, in welchen diese durch Zwang zum Fleiß angehalten werden. Hierher können nach ihrem Wesen und Zweck die heutigen deutschen A., dann nach ihrem Hauptcharakter die englischen A. (workhouses) gerechnet werden, welche letztern in der englischen Armenpflege eine große Rolle spielen. Die Einrichtung des englischen Werkhauses stützt sich vorzüglich auf die Abschreckungstheorie. Sie ist darauf berechnet, von der Inanspruchnahme öffentlicher Hilfe möglichst abzuschrecken und durch eignen Erwerb die Aufnahme in A. zu vermeiden. 3) A., in welche arbeitsfähige Arme sich freiwillig aufnehmen lassen oder im Sinn einer humanen Armenpflege untergebracht werden. Dieselben können ebensowohl Privat- wie öffentliche Anstalten sein. Zu gunsten solcher A. sagt man, daß hier der Verdienst die durch Gemeinsamkeit der Benutzung etc. sehr ermäßigten Kosten der Unterstützung einigermaßen decken könne, und daß es durch die Einrichtungen der Anstalt wohl zu ermöglichen sei, dem Unterstützten die Lust an der Arbeit zu erhalten, welche ihm zugleich das Bewußtsein sichere, noch nicht zur Klasse der Almosenempfänger heruntergesunken zu sein. Da arbeitswillige, aber erwerbslose Menschen menschenfreundliche Teilnahme verdienen, so darf das Werkhaus mit Anstalten für Verbrecher und Müßiggänger niemals in Verbindung gebracht werden; es ist vielmehr alles aufzubieten, um das Ehrgefühl dieser schuldlos Unglücklichen zu schonen. Der Zweck der Verbringung in die Anstalt kann ein temporärer sein, man kann dieselbe anderweiter Unterstützung so lange vorziehen, bis es gelungen ist, den Armen wieder Arbeitsgelegenheit zu verschaffen. Die Anstalt, welche dem Arbeiter außer Heizung und Beleuchtung auch Werkzeuge und Materialien gewährt, soll jedem arbeitsfähigen Armen je nach dessen Fähigkeit Arbeit und so viel Verdienst verschaffen, daß er sich nähren kann. Diejenigen Armen aber, welche wegen Kränklichkeit oder hohen Alters nicht mehr zu arbeiten im stande sind, gehören nicht in A., sondern in Versorgungshäuser andrer Art. Die Kosten können durch die gemeinschaftliche Benutzung der Werkstätten im Werkhaus ermäßigt werden; Beschäftigungsarten, die zu viel Raum in Anspruch nehmen, sind auszuschließen. Der Kostenersparnis wegen sind Beschäftigungen vorzuziehen, die nur einfache Werkzeuge erfordern, oder man schafft vorzugsweise solche an, die von vielen benutzt werden können, wie Spinnräder, Webstühle, Drehbänke, Nähmaschinen, Gerätschaften zu Verfertigung von Holz- und Strohwaren. Hierbei geben Lokalverhältnisse, namentlich die Rücksicht auf Konkurrenz mit bereits bestehenden Gewerbsbetrieben, und die der Anstalt zu Gebote stehenden Mittel den Ausschlag. Stets muß der Austritt aus diesem Verhältnis dem Arbeiter frei stehen, unordentliche und unfleißige aber werden des bösen Beispiels wegen aus der Anstalt entfernt. Die Wohlthätigkeit der A. kann oft sehr erhöht werden, wenn dieselben zugleich den Verkauf der in ihnen gefertigten Gegenstände übernehmen; aber auch hier wird dem Arbeiter daneben der eigne Verkauf gestattet werden können, in welchem Fall ein verhältnismäßiger Teil des Erlöses für Benutzung von Werkzeugen, Feuerung und Licht an die Anstalt abzugeben ist. Je nach dem Bedürfnis und den Mitteln der Anstalt läßt sich mit ihr eine Einrichtung zu gemeinschaftlicher Verköstigung der Arbeiter sowie eine Freischule für die Kinder derselben, sowohl als Bewahranstalt wie auch als förmliche Unterrichtsanstalt, verbinden. Oft hilft die Anstalt dem Arbeiter dadurch, daß sie ihm Werkzeuge nach Hause leiht. Unter sonst gleichen Verhältnissen verdient überhaupt die Beschäftigung in der eignen Wohnung des Arbeiters den Vorzug. Beachtenswert in dieser Hinsicht sind die Bemühungen der Frauenarbeitsvereine, einzeln stehenden bedürftigen Frauen durch Einrichtung von Verkaufsstellen (Bazaren) lohnenden Erwerb zu schaffen. Der Lette-Verein in Berlin hat schöne Erfolge in dieser Beziehung aufzuweisen. Vgl. auch Asyl.

Arbeitslohn nennt man die Vergeltung, welche der Arbeiter für Vermietung seiner Arbeitskraft, bez. für Verkauf seiner Arbeitsleistungen zu Zwecken des persönlichen Genusses oder des Erwerbs erhält. Da nun für Erwerbszwecke weit mehr fremde Kräfte verwendet werden als für persönliche Dienstleistungen, so sind auch im allgemeinen die erstern bei Bildung und Regelung des Lohns entscheidend. Man unterscheidet realen und nominellen A. Letzterer, der in Geld veranschlagte A., gibt keinen vollständigen Aufschluß über die wirtschaftliche Lage des Arbeiters, da die Kaufkraft einer bestimmten Geldsumme nicht immer die gleiche ist. Dagegen läßt sich der reale A., d. h. die Summe der Unterhaltsmittel, welche der Arbeiter sich mit Hilfe seines Lohns beschaffen kann, zu Vergleichungen für verschiedene Zeiten und Orte benutzen. Nicht immer ist das Einkommen des Arbeiters reiner A. In demselben ist, wenn der Arbeiter Werkzeuge etc. selbst stellt, auch Kapitalrente enthalten. Unter normalen Verhältnissen muß der A. durch die Einnahmen des Arbeitgebers voll gedeckt werden. Er ist, ebenso wie Zins und Unternehmereinkommen, Reinertragsanteil an der Unternehmung, nicht etwa ein abgeleitetes Einkommen. Der Rechtstitel für Bezug des Lohns ist der abgeschlossene Vertrag, nicht aber das vom Arbeiter gebrachte Opfer oder seine Leistung, die freilich bei Bildung der Lohnhöhe bestimmend mitwirken können. Je nach der Art der Leistung, nach der Höhe des Lohns, der Sicherheit seines Bezugs, der Stellung des Arbeiters etc. bezeichnet man den A. als Salär, Gage, Honorar, Gehalt, Sold, Besoldung etc. Im gewöhnlichen Sinn versteht man unter demselben den Lohn der Handarbeiter, welcher infolge der Technik und der gesamten Wirtschafts- und Rechtsordnung die Existenzgrundlage des größten Teils der Bevölkerung, der "arbeitenden Klasse", bildet, und auf den auch die üblichen Lohntheorien vorzüglich Anwendung finden, während bei andern Lohnarten mehr Abweichungen vorkommen. Der A. ist Naturallohn, wenn er in Naturalien, insbesondere in Gegenständen gereicht wird, die zum Unterhalt des Arbeiters dienen (Kost, Wohnung, Landnutzung etc.). Derselbe herrscht vor in Zeiten der Naturalwirtschaft mit ihrer größern Gleichförmigkeit in Wirtschaft und Verkehr und entspricht auch in solchen Zeiten dem Interesse von Arbeiter und Arbeitgeber. Die Lage des erstern wird gesichert, indem er erhält, was er gerade braucht, während der letztere durch Gewährung von Naturalien den Arbeiter leichter an sich fesseln und beaufsichtigen kann. Mit größerer Entwickelung des Verkehrs und der Arbeitsteilung und mit Gewährung der persönlichen Freiheit wird der Geldlohn möglich, notwendig und in der Regel für beide Teile vorteilhaft. Er stellt den Arbeiter unabhängiger und ermöglicht eine wirtschaftlichere Verwendung. Doch ist auch in der Geldwirtschaft die Verabreichung von Naturalien oft nicht zu umgehen, so in verkehrsarmen Gegenden, wenn Arbeitern eine billige und gute Bedarfsdeckung erschwert ist, wenn sie leicht eine Beute absichtlich gewährten Lotterkredits werden etc.,