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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Astronomie

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Astronomie (im Altertum).

thematik in ihrem ganzen Umfang, sowohl die elementare als die höhere Analysis, wie ja viele der wichtigsten analytischen Untersuchungen nur durch Probleme veranlaßt worden sind, welche die A. stellte; viele Zweige der angewandten Mathematik, namentlich Mechanik und Optik, erstere sowohl behufs genauer Kenntnis der astronomischen Instrumente und der Wirkung ihrer einzelnen Teile wie auch als Mechanik des Himmels (wie zuerst Laplace sie genannt hat) zur Einsicht in den innern Zusammenhang der Bewegungen und zur Entwickelung der Bedingungen des Gleichgewichts und der Stabilität der Weltkörper und ihrer Systeme; letztere, die Optik, ist namentlich dem Beobachter unentbehrlich, denn sie hauptsächlich lehrt die Instrumente verfertigen und zweckmäßig anwenden und gibt über viele Erscheinungen an den Weltkörpern die Aufschlüsse; die Physik im engern Sinn, insbesondere auch die Meteorologie, nicht als sollte der Astronom das Wetter bestimmen, sondern weil der Luftkreis das Medium ist, durch welches wir die Himmelskörper erblicken, und weil die darin vorgehenden Veränderungen sowohl auf den Ort, wo, als auf die Art, wie sie uns erscheinen, den wesentlichsten Einfluß haben.

Geschichte der Astronomie im Altertum.

Die Geschichte der A. reicht in das höchste Altertum zurück. Unter dem reinen Himmel Südasiens und Ägyptens sehen wir die ersten Forscher mit Beharrlichkeit viele Jahrhunderte hindurch die augenfälligsten und für die Zeitrechnung wichtigsten Phänomene, namentlich die Mond- und Sonnenfinsternisse nebst dem Auf- und Untergang der Sterne, beobachten. Die Chaldäer haben hauptsächlich die chronologischen Grundlagen festgestellt; ihr 18jähriger Saros ist das sprechendste Denkmal ihres ausdauernden Fleißes. Im alten Indien hat man die Planeten beobachtet, ihre Zusammenkünfte unter sich und mit dem Mond bestimmt und die Perioden ihres Umlaufs abgeleitet. Durch Rückwärtsberechnung seltener von ihnen beobachteter Konjunktionen sowie durch Vergleichung ihrer cyklischen Perioden mit unsrer heutigen Theorie hat sich aber die Behauptung des hohen Alters der indischen A. nicht in dem früher angenommenen Maß bestätigt. Dagegen reichen die astronomischen Beobachtungen der Chinesen bis ins höchste Altertum hinauf. Die älteste sichere Beobachtung, die man kennt, ist diejenige einer Sonnenfinsternis von 2158 v. Chr. Daß die Priesterkaste Ägyptens nicht unbedeutende astronomische Kenntnisse besessen habe, ist allerdings sehr wahrscheinlich; aber die starre Abgeschlossenheit und Geheimhaltung, welche Ägyptens Priester für nötig erachteten, ist schuld daran, daß das meiste, was sie geleistet haben mögen, für uns verloren ist. Die Ansprüche der Hebräer auf ein hohes Altertum ihres chronologischen Systems und ihrer astronomischen Tafeln haben vor der Kritik nicht bestanden; sie reichen kaum bis Esra hinauf und sind von auswärts entlehnt. Die Theogonie, Kosmogonie und Geogonie der Griechen hat nur das Reich der Fabeln erweitert; ihre Erklärungsversuche, selbst der gewöhnlichsten Erscheinungen (wie der Mondphasen), sind mitunter unglaublich wunderlich; keiner hat das Richtige getroffen, worüber man sich auch gar nicht wundern kann, wenn man erwägt, daß die griechischen Weisen philosophierten, ohne genügende Grundlagen in den Beobachtungen zu besitzen. Unter solchen Umständen verzweifelten mit Recht die weisesten unter ihnen, ein Sokrates und Platon, an der Möglichkeit einer wissenschaftlichen A. Die Verdienste der ältern Griechen um A. beschränken sich auf Berichtigung der Zeitrechnung und der zu Grunde liegenden Perioden. Als zu Metons Zeit (434 v. Chr.) der Kalender um 15 Tage abwich, unternahm dieser eine Kalenderverbesserung, indem er 19 Sonnenjahre = 235 Mondmonaten setzte (vgl. Kalender). Dieser Metonische Cyklus, der seit 432 v. Chr. in ganz Griechenland und seinen Kolonien im Gebrauch war, gewährte noch den Vorteil, daß auch die Finsternisse sich nahezu nach dieser Periode richteten, indem der Umlauf der Mondknoten, d. h. der Punkte, in welchen seine Bahn die Ebene der Erdbahn schneidet, eine Periode von 19 Jahren weniger 5 Monaten hat. So stand es um die A., als um 300 v. Chr. Ptolemäos Philadelphos die Akademie zu Alexandria gründete. Aristillos und Timocharis eröffnen die Reihe der alexandrinischen Astronomen. Sie bestimmten die Orte der Fixsterne zwar noch mit sehr rohen Hilfsmitteln, doch aber so genau, daß Hipparch ihre Arbeiten brauchbar fand. Bald nach ihnen gab Aratos eine Beschreibung des gestirnten Himmels in Versen. Weit wichtiger waren die Arbeiten des Aristarch von Samos. Er machte den Versuch, die Zeit des höchsten und tiefsten Sonnenstandes genauer zu ermitteln und die Entfernung der beiden vorzüglichsten Himmelskörper von der Erde zu bestimmen. Für den Mond fand er 56 Erdhalbmesser (nur 4 zu wenig), und den Durchmesser des Mondes nahm er zu einem Drittel des Erddurchmessers (im rohen gleichfalls richtig) an. Ferner glaubte er für den Winkel, welchen die nach Mond und Sonne gerichteten Linien an der Erde zur Zeit des ersten und letzten Viertels machen, 87° gefunden zu haben, woraus die Entfernung der Sonne 19mal größer als die des Mondes und ihr Durchmesser 6-7mal größer als der der Erde gefunden wird. Dies ist freilich um mehr als das Zwanzigfache falsch, gleichwohl war die Methode an sich richtig, und wenn die Sonne statt 400mal nur 10-20mal soweit entfernt wäre wie der Mond, so würde das Verfahren auch praktisch anwendbar gewesen sein. Aristarch hat aber noch ein wesentlicheres Verdienst: er lehrte, die Erde drehe sich um ihre Achse und zugleich in einem schiefen Kreis um die Sonne, eine für jene Zeit sehr kühne Bemerkung, die, konsequent verfolgt, zum kopernikanischen System hätte führen können. Auch von Euklides, der um jene Zeit lebte, haben wir ein astronomisches Werk: "Phaenomena", welches hauptsächlich von den Erscheinungen des Auf- und Unterganges der Gestirne handelt. Wahrscheinlich ist auch Manetho, ein ägyptischer Priester, in diese Zeit zu setzen, wiewohl das uns von ihm erhaltene Werk nur wenig Spuren echter Kenntnisse, dagegen größtenteils astrologische Träumereien enthält. Nachfolger Aristarchs wurde Eratosthenes (geb. 276 v. Chr.), auf dessen Vorschlag Ptolemäos Euergetes große Armillarsphären anfertigen ließ. An diesen beobachteten Eratosthenes und seine Nachfolger die Durchgänge der Sterne durch den Meridian, was nicht allein bequemer, sondern auch genauer ist als die Beobachtung der Auf- und Untergänge, Eratosthenes fand auch die Schiefe der Ekliptik gleich 23° 51' 15''. (Über seinen Versuch, die Größe der Erde zu ermitteln, vgl. Gradmessung.)

Von den großen Geometern Archimedes und Apollonios ist hier nur zu erwähnen, daß der erstere