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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Athen

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Athen (Geschichte: Machtstellung).

Flotte, um A. gegen einen neuen Angriff der Perser widerstandsfähig zu machen. Da die Umgestaltung Athens zu einer Seemacht das Anwachsen der handel- und gewerbtreibenden Bevölkerung zur Folge haben und den festen Grundbesitz in Macht und Ansehen schädigen mußte, widersetzte sich Aristeides dem Vorschlag des Themistokles und wurde daher 483 auf des Themistokles Betrieb durch eine Entscheidung des Scherbengerichts verbannt. Der Ertrag der Silbergruben des Bergs Laurion, der bisher zur Unterstützung ärmerer Bürger verwendet worden war, wurde jetzt auf Antrag des Themistokles für die Begründung und Unterhaltung der Kriegsflotte bestimmt. Diese Maßregel, welche den Grund zur Größe Athens als Seemacht legte, rettete zugleich die Freiheit Griechenlands und damit die selbständige Entwickelung der occidentalischen Welt im zweiten Perserkrieg (480), in welchem die Athener, nachdem sie ihre Stadt der Zerstörung durch die Perser preisgegeben, bei Salamis, Platää und Mykale das meiste zu den glänzenden Siegen über die Barbaren beitrugen. Auf Aristeides' Antrag ward das athenische Volk für seine edle Hingebung dadurch belohnt, daß nun auch die vierte Klasse zu den öffentlichen Ämtern und Würden zugelassen wurde. Zwar suchten die eifersüchtigen Spartaner der Entwickelung Athens Hindernisse zu bereiten, aber nachdem die Gewandtheit des Themistokles trotz der spartanischen Intrigen der wieder aufgebauten Stadt eine Ringmauer verschafft und sie dadurch widerstandsfähig gemacht (478), nachdem auch der Übermut und Verrat des Pausanias die Spartaner um die Hegemonie in der Fortführung des Perserkriegs gebracht hatte (476), trat A. an die Spitze der aufstrebenden Griechenwelt und gründete unter Aristeides' Leitung den Bund der Seestaaten (Symmachie), dessen Mitglieder zur Stellung von Schiffen und Truppen und zur Zahlung von Geldbeiträgen für den gemeinschaftlichen Krieg gegen die Perser sich verpflichteten. Mittelpunkt war Delos, wo die Bundeskasse sich befand. Doch ward der Charakter des Bundes bald wesentlich dadurch verändert, daß die kleinern Staaten die Stellung ihrer Quoten an Schiffen und Truppen A. überließen und bloß Geld zahlten, während mehrere größere Inseln, wie Naxos (466) und Thasos (463), einen Versuch, abzufallen, mit völliger Unterwerfung büßen mußten. Die Athener wurden so aus Bundesgenossen Herren und verfügten nach Gutdünken über die Geldmittel des Bundes, namentlich seit die Bundeskasse 460 nach A. verlegt worden war.

Den Perserkrieg führten die Athener eine Zeitlang mit Kraft und Erfolg fort; besonders war es Kimon, seit Aristeides' Tod (468) Führer der konservativen Partei in A., welcher im Innern Erhaltung des Bestehenden, nach außen ein enges Bündnis mit Sparta anriet, um die ganze Kraft Griechenlands gegen die Perser wenden zu können. Er erfocht auch 466 einen großen Doppelsieg zu Wasser und zu Lande über die Perser am Eurymedon. Aber als die Spartaner im dritten Messenischen Krieg das ihnen auf Kimons Rat zugesandte athenische Hilfskorps zurückschickten und so das athenische Volk schwer beleidigten, wurde Kimon 461 verbannt, und ein völliger Umschwung in der Politik Athens trat ein. Der Mann, der jetzt den herrschenden Einfluß erlangte, Perikles, wollte im Innern durch Vollendung der Demokratie alle Kräfte des Volks entfesseln und zu den höchsten Leistungen befähigen, zugleich aber im Kampf mit Sparta die Hegemonie über Griechenland erringen. Das Bündnis mit Sparta wurde gelöst und ein neues mit dessen Todfeind Argos geschlossen. Auf Antrag des Ephialtes wurde 460 der Areopag seiner wichtigsten Rechte der Oberaufsicht über die Staatsverwaltung, des sittenrichterlichen Amtes und der Rechtspflege, beraubt und auf den Blutbann beschränkt. Die oberste Aufsicht über die Staatsverwaltung erhielten sieben Nomophylakes (Gesetzeswächter), die Gerichte die Heliäa, und da deren Geschäfte erheblich vermehrt wurden, zahlte man den Geschwornen fortan Sold; diesem Heliastikon folgte bald das Theorikon (Theatergeld). Mit der Vernichtung der Macht des Areopags wurde der letzte aristokratische Rest der Verfassung beseitigt. Der Schwerpunkt des Staates lag jetzt in der Volksversammlung, die in ihren Beschlüssen durch nichts mehr beschränkt war und die fortan sehr oft zusammentrat. Indem Perikles durch die Macht seiner Beredsamkeit das Volk, den Demos, beherrschte und leitete, regierte er mit fast monarchischer Gewalt das Staatswesen, aber zum Heil desselben, da er nie den schlechten Neigungen und Leidenschaften des Volks schmeichelte oder nachgab, sondern es für die Größe des Vaterlandes, für ideale Ziele, für Künste und Wissenschaften begeisterte. Freilich dauerte diese segensreiche Wirkung auch nur so lange, als er lebte. Seitdem auch für den Kriegsdienst und für die Teilnahme an der Volksversammlung ein Sold (Ekklesiastikon) bezahlt wurde, machten die Athener aus den öffentlichen Angelegenheiten ein Geschäft, und Eigennutz, Streitsucht, Parteigeist nahmen immer mehr überhand und vergifteten das staatliche Leben.

Neben diesen innern Reformen, welche die Hebung der untern Stände und die Beteiligung aller am politischen Leben zum Zweck hatten, ging in jener Zeit eine lebhafte kriegerische Thätigkeit her. Im J. 460 ward von A. der Krieg gegen Persien wieder aufgenommen. Ägypten war unter Inaros, dem Satrapen des benachbarten Libyen, gegen Persien ausgestanden. A. schickte eine große, prächtige Flotte zur Unterstützung des Aufstandes. Einige Jahre fochten die Athener glücklich. Zuletzt aber wurden sie auf der Nilinsel Prosopitis von Megabyzos eingeschlossen und aufgerieben (455). Noch ehe dies geschah, hatte die mit Argos geschlossene Verbindung A. in einen Krieg mit den peloponnesischen Seestaaten Korinth, Epidauros und Ägina verwickelt. Im J. 458 fielen die Athener in den Peloponnes ein, wurden zwar bei Halieis geschlagen, siegten aber zweimal zur See und schlossen Ägina ein. Um dies zu entsetzen, rückten die Korinther in Megaris ein und bedrohten das von seiner streitbaren Mannschaft fast ganz entblößte Attika. Da zog Myronides an der Spitze der Greise und Jünglinge gegen sie und schlug sie zweimal bei Megara. Allerdings erlitten die Athener 457 wieder eine Niederlage, als sie sich den Spartanern bei Tanagra entgegenstellten, die von einem Feldzug zu gunsten von Doris gegen Phokis durch Böotien nach dem Peloponnes zurückkehren wollten. Allein die Spartaner zogen nach Hause, ohne den Sieg zu benutzen, und Myronides schlug (456) die Thebaner bei Önophyta, worauf Böotien, in dessen Städten die Aristokraten gestürmt und demokratische Regierungen eingesetzt wurden, Phokis und das opuntische Lokris sich dem Athenischen Bund anschlössen. In demselben Jahr wurden die langen Mauern nach dem Piräeus und Phaleron vollendet, durch welche A. eine sichere Verbindung mit der See erhielt, und Ägina unterworfen. 455 wurde durch die Ansiedelung der flüchtigen