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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Atmosphäre - Atmung.

Atmosphäre, im mechan. Sinn die Einheit, auf welche man die Angabe des Drucks bezieht, dem eine Flüssigkeit, ein Dampf oder Gas ausgesetzt ist. Da der Atmosphärendruck an einem und demselben Ort beständigen Schwankungen unterliegt und der mittlere Atmosphärendruck nicht für genügend viele Punkte der Erdoberfläche bekannt ist, so hat man sich, um eine Basis für die Vergleichung zu gewinnen, an den mittlern Atmosphärendruck gehalten, welcher unter dem 45. Breitengrad am Meeresspiegel herrscht, reduziert auf 0° und bezogen auf den Wert der Schwerkraft unter diesem Breitengrad. Dieser als Einheit angenommene Druck beträgt 337,8 Pariser Linien, wird aber gegenwärtig in der Wissenschaft ziemlich allgemein = 760 mm (336,905''') angenommen. Der hier und da noch gebräuchliche Wert des mittlern Atmosphärendrucks (= 28 Pariser Zoll) verhält sich zu letzteren wie 1:0,99731. In England setzt man den mittlern Atmosphärendruck nicht selten = 30 engl. Zoll (337,784 Pariser Linien) und in Deutschland vordem = 29 oder genauer 28,98 preuß. Zoll, in Österreich = 28,8 Wiener Zoll. Der effektive Druck, welchen die A. unter der Annahme solcher mittlerer Werte im Meereshorizont auf eine Fläche ausübt, wird in Frankreich zu 1033,3 g auf 1 qcm, in England = 15 (genau 14,71) engl. Pfd. auf den engl. QZoll, in Deutschland = 15 (genau 15,05) Pfd. auf den preuß. QZoll, in Österreich = 12,75 (genau 12,79) Wiener Pfund auf den Wiener QZoll gerechnet. Neuerdings ist man übereingekommen, den Atmosphärendruck = 1 kg auf 1 qcm zu setzen, und unterscheidet, um Mißverständnissen vorzubeugen, "alte" und "neue" A. Nach letzterer werden jetzt allgemein die Instrumente zur Druckmessung eingeteilt.

Atmosphäre, elektrische, der Raum um einen elektrischen Körper, in welchem er elektrische Erscheinungen hervorbringt.

Atmosphärilien, die Bestandteile der atmosphärischen Luft, besonders Sauerstoff, Ozon, Kohlensäure, Ammoniak, Salpetersäure, salpetrige Säure, Wasser, namentlich in Hinsicht auf die durch sie hervorgerufenen chemischen Prozesse, wie Verbrennung, Verwitterung, Atmung der Organismen, Ernährung der Pflanzen etc.

Atmosphärische Feuchtigkeit, s. Atmosphäre, Hygrometer und Wetter.

Atmosphärische Linien, s. Spektralanalyse.

Atmosphärische Niederschläge, tropfbare oder feste, in der Atmosphäre gebildete und aus ihr auf die Erde gelangende Niederschläge: Regen, Schnee, Graupeln und Hagel.

Atmosphärologie (griech.), Lehre von der Atmosphäre und den Vorgängen darin (Teil der Meteorologie).

Atmung (Respiration), der Gaswechsel der Organismen. Derselbe verläuft an allen Orten, wo tierische oder pflanzliche Flüssigkeiten, die ausnahmslos wechselnde Mengen von Gasen enthalten, mit der atmosphärischen Luft oder untereinander in eine für den Gasaustausch genügend nahe Berührung treten. Sowohl bei den Pflanzen als bei den Tieren handelt es sich bei der A. um die Einfuhr von Sauerstoff und die Abgabe von Kohlensäure. Nicht zu verwechseln mit dieser eigentlichen A., welche zu allen Zeiten und in allen Teilen stattfindet, ist ein Ernährungsvorgang der Pflanzen, bei dem die Aufnahme von Kohlensäure und die Abgabe überschüssigen Sauerstoffs beobachtet wird. Dieser vielfach fälschlich als Pflanzenatmung bezeichnete Vorgang findet nur in den grünen Pflanzenteilen und nur unter der Einwirkung des Sonnenlichts statt. Die Respirationsorgane der Tiere sind sehr verschiedenartig gestaltet. Bei den niedersten Tieren wird die A. durch die gesamte Körperoberfläche bewirkt, ein Vorgang, den man als Hautatmung bezeichnet, und welcher neben der sonstigen A. auch bei höhern Tieren eine Rolle spielt. Bei den Insekten stoßen wir auf cylindrische, baumartig sich verästelnde Röhren, Tracheen (s. d.), welche von der Körperoberfläche aus in die Körperteile eindringen. Bei den Fischen und vielen andern Wassertieren finden wir gefäßreiche Blättchen, welche in ihrer Gesamtheit eine außerordentlich große Oberfläche bieten und als Kiemen (s. d.) bezeichnet werden. Sie werden direkt vom Wasser umspült, um den vom Wasser absorbierten Sauerstoff aufzunehmen und dafür Kohlensäure abzugeben. Bei der A. der höhern Tiere unterscheidet man: a) eine Einfuhr von Sauerstoff aus der atmosphärischen Luft in das Blut und eine Abgabe von Kohlensäure an die äußere Luft (äußere A.); b) eine Abgabe von Sauerstoff aus dem Blut an die Gewebe und eine Einfuhr von Kohlensäure aus den Geweben in das Blut (innere A.).

I. Äußere A. Diese erfolgt überall da, wo Blutkapillaren und atmosphärische Luft in eine für den Gasaustausch genügend nahe Berührung kommen. Am umfangreichsten findet eine derartige Berührung in den Lungen (Lungenatmung), weniger erheblich auf der äußern Haut (Hautatmung) und auf der Oberfläche des Verdauungsapparats (Darmatmung) statt.

Die Lungen der Säugetiere und des Menschen, welche uns besonders interessieren, sind nach ganz gleichem Typus gebildet. Sie stellen drüsenartige Organe vor, die stets paarig sind und die Brusthöhle ausfüllen, ohne mit der Wand der letztern verwachsen zu sein. Nur an der sogen. Lungenwurzel hängen die Lungen mit den Luftröhrenästen und den großen Blutgefäßen zusammen, sie sind an diesen gewissermaßen aufgehängt. Durch das Zwerchfell (s. d.) sind sie von der Bauchhöhle und ihren Organen abgeschieden. Die Luftröhrenäste verteilen sich, indem sie in die Lunge eindringen, baumartig in immer feiner werdende Äste. Das Ende eines jeden kleinsten Luftröhrenästchens trägt bläschenartige Ausstülpungen, die sogen. Lungenbläschen (s. Lunge). Dieselben bestehen aus einer elastischen Grundsubstanz, in welcher sich ein dichtes Netzwerk von blutführenden Haargefäßen verteilt. In diesen Lungenbläschen geschieht der eigentliche Atmungsprozeß, d. h. der Austausch zwischen den Gasen des Bluts, welches durch die Haargefäße der Lungenbläschen strömt, und der in den letztern enthaltenen atmosphärischen Luft. Die Erneuerung der Luft in den Lungenbläschen wird durch die Ein- und Ausatmung (Inspiration und Exspiration) bewirkt. Der Mechanismus dieser an einen Blasebalg erinnernden Bewegungen, bei welchen sich übrigens die Lunge ganz passiv verhält, ist folgender. Bei der Einatmung wird der Brustraum erweitert; die Lunge, welche an der Brustwand anliegt, muß den Bewegungen der letztern folgen und sich ausdehnen, wodurch ein Strom äußerer Luft durch die Luftröhre in die Lungenbläschen eindringt. Die Erweiterung des Brustraums bei der Einatmung beruht auf der Thätigkeit der Inspirationsmuskeln, namentlich des Zwerchfells und der Zwischenrippenmuskeln. Ersteres drückt, indem es sich beim Einatmen abflacht, auf die Baucheingeweide und drängt daher den Bauch hervor; letztere heben die Rippen