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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ausfuhr

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Ausfuhr.

sich zusammen, so daß sein Querschnitt in geringer Entfernung von der Öffnung nur noch ⅔ von demjenigen der Öffnung beträgt. Um die wirkliche Ausflußmenge zu erhalten, muß man daher die oben berechnete sogen. "theoretische Ausflußmenge" noch mit ⅔ multiplizieren. Diese Zusammenziehung des Strahls (contractio venae) rührt hauptsächlich davon her, daß die Flüssigkeitsteilchen im Innern des Gefäßes von allen Seiten her konvergierend nach der Öffnung strömen und daher an den Rändern der Abflußöffnung mit einer seitlich gerichteten Geschwindigkeit ankommen. Alles Bisherige gilt nur für Öffnungen in dünner Gefäßwand. Durch kurze cylindrische oder nach außen konisch erweiterte Ansatzröhren wird, wenn die Flüssigkeit an den Wänden der Röhre adhäriert und dieselbe ganz ausfüllt, die Ausflußmenge vermehrt, die A. dagegen vermindert. Öffnungen in dicker Wand wirken wie Ansatzröhren. Für die A. der Gase gilt ebenfalls das Torricellische Gesetz, falls man unter der Druckhöhe h die Höhe einer Gassäule von der Dichte des ausströmenden Gases versteht. Bezeichnet man mit h' den manometrisch als Höhe einer Quecksilbersäule gemessenen Überdruck des eingeschlossenen Gases, mit s' das spezifische Gewicht des Quecksilbers, mit s dasjenige des Gases (beide auf Wasser als Einheit bezogen), so verhält sich die Druckhöhe h, welche in Rechnung zu bringen ist, zu der Quecksilbersäule h' wie s' zu s; es ist also ^[img] und ^[img], woraus das von Graham aufgestellte Gesetz sich ergibt, daß die Ausflußgeschwindigkeiten verschiedener Gase bei gleichem Druck den Quadratwurzeln aus ihren spezifischen Gewichten umgekehrt proportional sind. Da z. B. Wasserstoffgas 16mal weniger dicht ist als Sauerstoffgas, so strömt jenes unter gleichem Druck 4mal schneller aus als dieses. Bunsen hat hierauf eine Methode zur Bestimmung der spezifischen Gewichte der Gase gegründet.

Ausfuhr (Export), der in Raum- und Gewichtseinheiten bemessene oder in Preissummen ausgeworfene Betrag an Waren, welche ein Land an ein andres absetzt. Dieselbe wird dadurch ermöglicht, daß das exportierende Land, durch Natur oder Kulturentwickelung begünstigt, die Ware billiger herzustellen vermag als dasjenige, welches dieselbe empfängt, oder auch nur dadurch hervorgerufen, daß die A. als Gegenwert gegen die nötige Einfuhr dient. Im großen Ganzen ist die Einfuhr an Produkten durch die A. zu decken. Erschwerungen der Einfuhr können deshalb leicht Minderungen der A. zur Folge haben. Allerdings ist dies keine Notwendigkeit, da die verringerte Zahlungsfähigkeit des Auslandes auch einem dritten Land gegenüber sich geltend machen kann. Leistungsfähigkeit und sparsamer Sinn eines Volks können darum auch, zumal wenn sie durch die Gunst der Natur unterstützt werden, längere Zeit hindurch die A. von Waren auf höherm Stand erhalten als die Einfuhr, indem der Unterschied durch Einfuhr von Edelmetall und Erwerb von Schuldtiteln beglichen wird. Später kann sich das Verhältnis umkehren, indem die Zinszahlung durch Einfuhr von Waren ausgeglichen wird. Dem Gedanken, durch Mehrausfuhr die Kapitalkraft des Inlandes zu stärken, entsprangen die verschiedenen handelspolitischen Maßregeln des Merkantilsystems (s. d.), welche teils die A. zu heben, teils sie zu mindern bestimmt waren. Überreste der Mittel, welche direkt auf dieses Ziel lossteuern, finden sich noch heute. Im übrigen unterscheiden sich die heutigen Bestrebungen von denen der frühern Zeit wesentlich dadurch, daß sie mehr indirekt wirken, indem sie auf die Mittel gerichtet sind, welche die A. ermöglichen und dauernd sichern.

Zur Hebung und Förderung der A. dienen zunächst staatliche Ausfuhrbegünstigungen, die früher vielfach in der Gestalt von Ausfuhrprämien (franz. primes d'exportation, engl. bounties) nach Maßgabe der A. insbesondere von fertigen Produkten der Industrie gewährt wurden. Solche Prämien konnten allerdings für einen besondern Industriezweig sehr günstig wirken, woraus jedoch noch nicht ihre volkswirtschaftliche Zulässigkeit folgt. Als vorübergehend angewandtes Reizmittel konnten sie immerhin gute Dienste leisten, doch sind ihnen auch in diesem Fall in der Regel, zumal im Kulturland, andre zur Erleichterung und Sicherung des Absatzes dienende Maßregeln vorzuziehen. Meist wirkten die Prämien als einseitige Begünstigungen auf Kosten andrer Kreise der Bevölkerung, oft selbst zu gunsten des Auslandes, welchem sie einen billigern Bezug ermöglichten. Während der Merkantilismus solche Prämien nur der Industrie zugestand, wurden sie in England auch der Landwirtschaft bei A. von Weizen gewährt, wenn dessen Preis unter eine bestimmte Höhe herabgesunken war. Heute bestehen derartige Prämien noch in Frankreich als Ermunterungsmittel der großen Seefischerei für von französischen Fischern gefangene Stockfische, welche direkt von Neufundland oder von französischen Spezialentrepots ausgeführt werden. Den Charakter von Ausfuhrprämien können aber auch diejenigen Ausfuhrvergütungen, wie Bonifikationen und Rückzölle, annehmen, welche den Zweck haben, durch Zoll- und Steuersystem und dessen Technik hervorgerufene nicht beabsichtigte Lasten zu begleichen (vgl. Exportbonifikation.). Weitere Mittel zur Förderung der A. sind alle diejenigen, welche als Erleichterungen, z. B. bei der Durchfuhr, oder als direkte und indirekte Hilfen (Konsularberichte, Schutz der heimischen Interessen im Ausland, Kolonialpolitik etc.) der gesamten Gütererzeugung und dem Handel dienen. Neben der Wirksamkeit des Staates und als Ergänzung derselben können auch freie private Bestrebungen, mögen sie dem Interesse oder gemeinnützigen Beweggründen entspringen, darauf abzielen, die A. zu heben, wie Erforschung von Absatzgebieten durch Expeditionen, Anbahnung und Unterhaltung von Verkehrsbeziehungen durch Vereine (Deutscher Handelsverein), Ausstellungen, Exportmusterlager, Handelsmuseen etc.

Beschränkungen der A. bildeten einen wichtigen Bestandteil der ältern Handels- und Münzpolitik. Sie traten vielfach als Ausfuhrverbote auf. Kamen schon bei den Römern Verbote der A. von Edelmetallen vor, so finden wir dieselben ganz regelmäßig im Mittelalter, später meist mit der Beschränkung auf gemünztes Metall und zwar, wie in Frankreich noch 1726, unter Androhung von schweren, selbst Leibesstrafen. Zweck dieser Verbote war meist, zu verhindern, daß nach durch die Verwaltung selbst bewirkten Münzverschlechterungen die schwereren Stücke über die Grenze gebracht würden. Ferner ergingen auch nicht selten Verbote gegen die A. von Lebensmitteln und wichtigen Rohstoffen, vielfach aus echt merkantilistischen Gründen, so in England noch bis 1824 gegen die A. von Wolle, dann von Getreide, wenn der Preis einen bestimmten Satz überstieg. Am längsten behauptete sich in der Praxis als Notstandsmaßregel das vorübergehende Verbot der A. von Lebensmitteln, doch wurde auch dieses durch die moderne Verkehrsentwickelung hinfällig. So kommen denn in den