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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Australien

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Australien (Verkehrswesen; Religion, Volksbildung, staatliche Organisation).

sie führen sich teils Gegenstände der eignen Produktion, teils europäische und andre Waren als Wiederausfuhr zu. Der Binnenhandel wird durch den Mangel an schiffbaren Flüssen und guten Straßen erschwert, ist aber trotzdem sehr belebt, da die Schaf- und Rindviehstationen außer dem Fleisch nichts für ihren Konsum erzeugen und dafür völlig vom Küstenland abhängig sind, wohin sie ihre eignen Produkte zur Verschiffung bringen. Jede Kolonie hat ihren besondern Zolltarif, Neusüdwales ist freihändlerisch, Victoria dagegen streng schutzzöllnerisch; alle Waren, die des Auslandes wie Großbritanniens und der übrigen australischen Kolonien, werden in gleicher Weise besteuert. Zollgrenzen bestehen auf den kaum bewohnten Landgrenzen nicht, nur Victoria hat am Murray Zollstationen errichtet. Die Einfuhr nichtkolonialer Produkte kommt zum größten Teil aus England und besteht in Fabrik- und Manufakturgegenständen, Spirituosen, Bier, Eisen, Bauholz u. a.; Zucker wird aus Mauritius, Thee aus China zugeführt etc. Die Ausfuhr begreift die schon aufgeführten Produkte der Kolonie: Wolle, Talg, Häute und Felle, Fleisch, Gold, Zinn, Kupfer, Kohle, Weizen und Mehl, Pferde nach Indien, Harz, Gerberrinde, Holz, Perlen. Den Schiffsverkehr mit Europa vermitteln fünf Postdampferlinien, vier durch den Suezkanal, davon drei um die Südküste und zwar eine über Kolombo, eine zweite direkt, eine dritte (französische) über Mauritius, die vierte geht durch die Torresstraße, eine fünfte über Neuseeland, die Sandwichinseln und San Francisco, außerdem andre zahlreiche Dampferlinien (auch eine deutsche) durch den Suezkanal, um das Kap der Guten Hoffnung und Kap Horn. Zwischen den Haupthäfen der Kolonien bestehen gleichfalls zahlreiche Dampferlinien. Die Handelsflotte der fünf Kolonien zählte 1883: 1874 Segelschiffe von 228,376 Ton. und 680 Dampfschiffe von 94,279 T. Auf dem Murray besitzt Victoria 38, Südaustralien 40 Dampfer und eine große Anzahl von Schleppschiffen. - Eisenbahnen bestehen seit 1850, jetzt beträgt das sich stets ausbreitende Netz 10,688 km; doch sind erst die Linien von Victoria und Neusüdwales miteinander vereinigt. Durch Telegraphen sind aber alle Kolonien verbunden; die Länge der dem Verkehr geöffneten Linien war 1883: 50,459 km. Die bedeutendsten Linien sind der große Überlandtelearaph von Adelaide nach Port Darwin am Indischen Ozean quer durch den Kontinent und die Verbindung mit Westaustralien von Südaustralien aus, der Großen Australischen Bucht folgend. Die Überlandtelegraphenlinie schließt sich an die Kabel von Java an und führt so nach Europa; ein Kabel geht von Victoria nach Tasmania, ein andres von Neusüdwales nach Neuseeland. - Der Postverkehr mit Europa wird alle 14 Tage, mit Amerika alle 4 Wochen durch regelmäßige Dampferlinien vermittelt; im Innern des Landes besteht ein solcher überall, selbst bis zu den entlegensten Stationen. - Bankinstitute sind in allen Hauptstädten in großer Zahl mit englischem Kapital, einige wenige auch mit kolonialem Kapital errichtet worden; in ganz A. und Neuseeland gibt es jetzt 34 Bankkorporationen, von denen 19 ihren Sitz in Melbourne haben, 11 in Sydney, 8 in Adelaide, 6 in Brisbane, 5 in Hobart, 6 in Neuseeland (Auckland, Dunedin, Wellington). Dabei sind Nebenstellen selbst in kleinen Ortschaften zu finden. Sparkassen bestehen ebenfalls in allen Kolonien; auch Postsparkassen sind in den meisten errichtet.

Soziale und staatliche Verhältnisse.

Das Religionsbekenntnis der weitaus größten Zahl der Bewohner ist das protestantische, das sich in außerordentlich viele Sekten teilt. Überwiegend ist die Zahl der Mitglieder der anglikanischen Kirche, nächstdem schottische Presbyterianer, Katholiken, Wesleyaner, Independenten, Baptisten, deutsche Lutheraner, Unitarier u. a. Außerdem gibt es Juden, Mohammedaner und Heiden (Chinesen und Polynesier). Nach dem Zensus von 1881 waren von 2,501,332 Einw. 1,905,494 Protestanten, 585,487 Katholiken und 10,351 Israeliten. Keine Religionsgemeinschaft wird heute durch die Regierungen unterstützt.

Für Volksbildung ist in neuerer Zeit durch umfassendere Gesetzgebung und den Aufwand bedeutender Mittel gesorgt worden. Zwar können noch immer Schulen, welche sich aller staatlichen Beaufsichtigung entziehen, weil sie keine Staatshilfe beanspruchen, von jedem, der sich dazu berufen fühlt, eröffnet werden, ohne daß der Staat irgend welche Kontrolle ausübt, auch ist Schulzwang erst in jüngster Zeit eingeführt worden; aber der Staat ist doch in den meisten Kolonien aus seiner Passivität herausgetreten und fängt an, Schulen selbständig zu errichten. Früher basierten alle Volksschulen auf dem irischen System, das auch jetzt teilweise beibehalten ist. Danach muß der Unterricht konfessionslos sein, wenn die Schule, welche in der Hauptsache von den Eltern zu erhalten ist, Anspruch auf die Zuschüsse erheben will, welche der Staat nach Maßgabe der Schülerzahl gewährt. Überall bestehen aber, freilich in mehr und mehr abnehmender Zahl, konfessionelle Schulen; namentlich unterhalten die Katholiken solche. Die höhern sogen. Grammar Schools, Collegiate Schools oder Colleges, etwa unsern Realschulen entsprechend, sind fast ausschließlich von Privaten oder religiösen Gemeinschaften errichtet, ohne aber den Angehörigen andrer Konfessionen den Zutritt zu verwehren. Die Universitäten in Sydney, Melbourne, Adelaide und Christchurch entsprechen etwa ihren englischen Vorbildern, auch stehen die von ihnen verliehenen akademischen Grade denen englischer Universitäten gleich; sie sind aber schwach besucht und entfalten eine größere Thätigkeit nur als Examinationsbehörden. Öffentliche Bibliotheken und Museen besitzen alle Hauptstädte, in Sydney, Melbourne, Adelaide ist mit denselben gewerblicher und künstlerischer Unterricht verbunden. Jede, auch die kleinste, Stadt hat ihr Handwerkerinstitut mit Bibliothek. Gelehrte Gesellschaften bestehen schon seit längerer Zeit in Sydney, Melbourne, Hobart, Adelaide und Wellington. Die Zahl der Zeitungen und Zeitschriften, welche teils täglich, teils wöchentlich, teils monatlich erscheinen, beträgt gegenwärtig 684. Auch der Verlag von Werken australischer Schriftsteller, bisher noch sehr unbedeutend, nimmt zu. Theater und Konzerthallen besitzen außer den Hauptstädten der größten Kolonien in Victoria noch mehrere andre Städte, und schon finden Künstler bedeutendern Ranges ihren Weg nach A.

Die staatliche Organisation der australischen Kolonien ist der des Mutterlandes getreu nachgebildet. Die ursprüngliche Deportationskolonie wurde von den Gouverneuren, welche mit völlig unumschränkter Macht betraut waren, rein autokratisch regiert. Aber mit dem Anwachsen der freien Bevölkerung wurde den Kolonisten anfänglich eine beratende Stimme, später eine der britischen analoge Verfassung zugestanden, welche jetzt alle australischen Kolonien, mit Ausnahme Westaustraliens, besitzen.