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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bacon

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Bacon.

1561 zu London, bezog schon im 14. Lebensjahr die Universität Cambridge, ging im Gefolge des englischen Gesandten nach Paris, bereiste mehrere Provinzen Frankreichs und legte die Frucht seiner Beobachtungen in einem Werk über den Zustand Europas nieder. Der Tod seines Vaters (1579) rief ihn nach England zurück und nötigte ihn, sich einem Beruf zuzuwenden. Er widmete sich den Geschäften eines Rechtsanwalts, wurde zum außerordentlichen Rate der Königin ernannt und 1595 in das Haus der Gemeinen gewählt, wo er sich zu den Freunden des Hofs hielt. Er hatte an Graf Essex einen Freund und Gönner, der ihn auch materiell unterstützte. Als derselbe beim Hof in Ungnade fiel, zog sich B. nicht nur kleinmütig von ihm zurück, sondern übernahm sogar, um sich bei Essex' Todfeind Cecil beliebt zu machen, die Ausarbeitung der Klagschrift wider ihn, ohne jedoch, wie er hoffte, dadurch ein Staatsamt zu erlangen. Erst Jakob I. wendete B. seine launenhafte Gnade zu, erteilte ihm noch im Jahr seiner Thronbesteigung (1603) die Ritterwürde und ernannte ihn zum Dank für geleistete Dienste zum königlichen Rat. Sein sich immer weiter verbreitender schriftstellerischer Ruf, sein Glück als Sachwalter und seine Ergebenheit gegen den allgewaltigen Herzog von Buckingham erhoben ihn in der Gunst des Hofs immer höher und schließlich (1619) zum Lord-Kanzler. Zum Peer des Reichs ernannt, erhielt er den Titel eines Barons von Verulam und 1620 den eines Viscount von St. Albans. Dagegen wurde er 1621 vor der Peerskammer der Bestechlichkeit und des Mißbrauchs des Staatssiegels zur Bereicherung seiner Freunde angeklagt, zu einer Geldbuße von 40,000 Pfd. Sterl., zur Einkerkerung in den Tower und zur Unfähigkeit verurteilt, ein Staatsamt zu bekleiden oder im Parlament zu sitzen. B. war nicht unschuldig, obgleich er durch die ihm zur Last gelegten Unredlichkeiten nicht sich selbst zu bereichern getrachtet hatte, sondern im Interesse andrer zu unwürdigen Schritten sich hatte verleiten lassen. Durch königliche Nachsicht erhielt er bald seine Freiheit wieder; die Geldstrafe ward ihm erlassen und sogar eine Pension bewilligt. Nach Karls I. Thronbesteigung ward er völlig begnadigt und selbst wieder ins Parlament gewählt, doch erlaubte ihm Kränklichkeit nicht, seinen Sitz einzunehmen. Er starb 9. April 1626 auf einer Reise im Landhaus des Grafen von Arundel zu Highgate.

Mit Recht gilt B. als Begründer der Methode der neuern Naturwissenschaft, welche es sich zur Aufgabe stellt, in allen Erscheinungen des Natur- und Menschenlebens den Weg der Erfahrung einzuhalten, also wesentlich Empirismus ist. B. betrachtete Philosophie und Naturwissenschaften nur als verschiedene Methoden der Naturbetrachtung und fand den Hauptgrund des geringen Fortschritts, den zeither die erstere gemacht, und der Verirrungen, in welche die letztern geraten waren, darin, daß die Betrachtung der Natur der leitenden Idee und die Spekulation der Erfahrung gänzlich entbehrt hatte. Um durch die That zu beweisen, daß alle Wissenschaften von einem und demselben methodischen Geist beseelt werden müßten, unternahm er es, das ganze Gebiet des menschlichen Wissens nach allen seinen Seiten hin zu bearbeiten und ebenso den Umfang und die Methode jeder einzelnen Wissenschaft zu bestimmen, wie den gegenseitigen Zusammenhang aller und die sie durchdringende Einheit der Idee darzuthun, alles nicht zur Wissenschaft Gehörige aber aus derselben zu verbannen. Diesen Plan eines von ihm sogen. "Globus intellectualis" verwirklichte B. in: seinen zwei Hauptwerken: "De dignitate et augmentis scientiarum" (engl., Lond. 1605; lat., das. 1623 u. öfter; deutsch von Pfingsten, Pest 1783, 2 Bde.) und "Novum organon scientiarum" (Lond. 1620, 2 Bde.; engl., Leiden 1650; zuletzt hrsg. von Fowler, Lond. 1878; deutsch von Bartholdy, Berl. 1793, 2 Bde.; Brück, Leipz. 1830; Kirchmann, Berl. 1870). Das erstere Werk gibt eine Generalübersicht sowohl von den schon vorhandenen als auch von den noch zu begründenden wissenschaftlichen Disziplinen und kann der Entwurf einer Universalencyklopädie genannt werden. Die zweite Schrift ist recht eigentlich eine Methodologie der Wissenschaften. Jene, welche noch d'Alembert seiner großen Encyklopädie zu Grunde legte, ist zwar nicht mehr geeignet, die heutige reicher gegliederte Wissenschaft vollständig aufzunehmen. Dennoch beruht ihr Entwurf auf einem richtigen. Grundgedanken. Bei der Einteilung der Wissenschaften legt B. die Ansicht zu Grunde, der oberste Teilungsgrund müsse durch die Natur des menschlichen Erkenntnisvermögens bestimmt werden. Da er nun in der Theorie des letztern nur Gedächtnis, Phantasie und Vernunft unterscheidet, so weist er dem ersten die Geschichte, der zweiten die Poesie, der dritten die Philosophie zu. Da jedoch die Poesie, streng genommen, nicht unter die Wissenschaften gezählt werden kann, so kennt er von letztern nur zwei Gattungen: geschichtliche und philosophische Wissenschaften. Die Philosophie teilt er dann wieder in die Lehre von Gott, von der Natur und vom Menschen. Die Lehre von Gott beschränkt er lediglich auf Bestreitung und Widerlegung des Atheismus und auf Erforschung des Gesetzes der Natur und schließt von ihr die Feststellung der Religionswahrheiten als über aller Erfahrung liegend und der Offenbarung, die keine Wissenschaft mehr sei, angehörig aus. Die Klugheit, mit der er sich dadurch auf den Standpunkt des strengen Supranaturalisten stellt, dem die geoffenbarte Lehre als solche eines Beweises weder bedürftig noch fähig ist, zugleich aber auch (wenigstens scheinbar) seinem Grundsatz treu bleibt, wonach nur die Erfahrung den Weg zur wissenschaftlichen Erkenntnis bahnen kann, ist seitdem für das Verhältnis der englischen Philosophen zur Offenbarung typisch, allerdings auch die Naturwissenschaft dadurch von der alten physischen Theologie und Kosmologie frei geworden. Die Philosophie der Natur teilt B. in die spekulative (Physik und Metaphysik) und operative (Mechanik, natürliche Magie und Technologie). Die Lehre von dem Menschen wird durch eine Abhandlung von der Natur und dem Stande des Menschen überhaupt eingeleitet und dann in Philosophia humanitatis und Philosophia civitatis geschieden. Die letztere hat drei Teile: von der geselligen Unterhaltung, von den Geschäften, von der Regierung und dem Staate. Die erstere handelt von dem Körper und von der Seele, und zwar gehört in diesen zweiten Teil auch die Logik, welche eingeteilt wird in die Künste der Untersuchung oder Erfindung, der Prüfung oder Beurteilung des Gedächtnisses und des Vortrags oder der Belehrung, und die Ethik als Lehre vom höchsten Gut und von der Bildung, des Geistes. Bedeutungsvoller als diese Einteilung der Wissenschaften waren für jene Zeit die Fingerzeige, welche B. in seiner Methodologie (im "Organon") über das Studium der Naturwissenschaften gab. Die herkömmliche Logik mit ihrer Syllogistik führe nur zum Streiten und Zanken, nie zur Findung der Wahrheit und sei namentlich in den Natur-^[folgende Seite]