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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Baden

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Baden (Geschichte: Verfassungskämpfe 1819-1848).

zu begnügen, wogegen Österreich das Amt Geroldseck an B. abtrat. Durch einen besondern Vertrag vom 10. Juli 1819 garantierten Rußland, Österreich, England und Preußen den ganzen Besitzstand Badens und erkannten die Grafen von Hochberg als successionsfähig an.

Indes sah der Großherzog ein, daß er den Zusammenhang zwischen dem Fürstenhaus und der Bevölkerung des Staats noch durch ein besonderes Band enger knüpfen müsse. Während sich die badische Regierung bei den Verhandlungen zu Wien 1814 und 1815 gegen eine allgemeine Verpflichtung der deutschen Bundesstaaten, eine repräsentative Verfassung einzurichten, erklärt hatte und eine vom vormals reichsunmittelbaren Adel 2. Nov. 1815 gewählte Deputation, die dem Großherzog die Bitte um Landstände vorlegen sollte, äußerst ungnädig abgewiesen worden war, verlieh nun der Großherzog seinem Volk 22. Aug. 1818 eine repräsentative Verfassung. Dieselbe erfüllte alle billigen Erfordernisse einer konstitutionellen Staatsordnung: die Gesetzgebung wurde vom Großherzog im Verein mit den aus zwei Kammern bestehenden Landständen ausgeübt; die Privilegien wurden aufgehoben, Gleichheit vor dem Gesetz eingeführt; keine Veräußerung von Domänen durfte vorgenommen, keine Anleihe kontrahiert, keine Steuer ausgeschrieben werden ohne Bewilligung der Volksvertretung. An der Spitze der Verfassung standen das Hausgesetz der fürstlichen Familie von 1817 und der Grundsatz von der Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Großherzogtums. Die Zeit der Eröffnung des ersten Landtags wurde auf den 1. Febr. 1819 festgesetzt, doch starb der Großherzog schon 8. Dez. 1818. Ihm folgte sein Oheim, der dritte Sohn Karl Friedrichs aus dessen erster Ehe, der Großherzog Ludwig August Wilhelm.

Die badischen Verfassungskämpfe 1819-1848.

Die erste landständische Versammlung, in Karlsruhe 22. April 1819 eröffnet, beurkundete sofort durch ihr kräftiges Wirken und durch die ihr entgegenkommende rege Teilnahme das im badischen Volk erwachte öffentliche Leben. Da die Regierung sich jeder Störung der Wahlfreiheit enthalten hatte, so traten sehr freisinnige Volksvertreter in den Ständesaal, unter denen der Freiherr v. Liebenstein und Rotteck durch ihr Talent hervorragten. Eine Reihe von Anträgen, namentlich auf die gesetzliche Regulierung der Ministerverantwortlichkeit, auf Trennung der Justiz von der Administration und Einführung des öffentlichen und mündlichen Verfahrens in Zivil- und Kriminalsachen, auf Einführung von Geschwornengerichten, auf Abschaffung der Landes- und Herrenfronen, auf Verbesserung des Staatsdieneredikts, auf einzulegende Rechtsverwahrung gegen ein erst am Vorabend der Landtagseröffnung publiziertes, die staatsbürgerliche Gleichheit vielfach beeinträchtigendes Adelsedikt, auf ein die Preßfreiheit verwirklichendes Preßgesetz, auf Herstellung deutscher Handelsfreiheit, auf Milderung der Jagdherrlichkeit etc., wurden von der Zweiten Kammer beifällig aufgenommen. Aber der neue Großherzog, ein energischer Mann von soldatischen Anschauungen, war keineswegs gewillt, sich auf der Bahn der Zugeständnisse weiter drängen zu lassen. Auch die zumeist aus hohen Adligen zusammengesetzte Erste Kammer fühlte sich durch die Angriffe der Zweiten auf ihre Privilegien verletzt. Daher ließ sich der Minister v. Berstett von Metternich auf den Karlsbader Konferenzen leicht dafür gewinnen, der liberalen Zweiten Kammer entschieden entgegenzutreten und die Rechte der badischen Stände nicht nur nicht zu vermehren, sondern vielmehr zu einem bloßen Schein herabzudrücken. Der Großherzog gab hierzu seine Zustimmung, zumal v. Berstett an Metternichs Gunst einen mächtigen Rückhalt besaß und die Regierung bei ihren Schritten sich stets auf den Bundestag berufen konnte. Nun wurden die freisinnigen Deputierten unter Polizeiaufsicht gestellt, andre, die Staatsdiener waren, zur Strafe versetzt oder ihnen der Urlaub für den Landtag verweigert, strenge Verordnungen gegen die Presse erlassen. Das Recht der Stände, vom Militäretat Summen abzustreichen, überhaupt ihr Steuerbewilligungsrecht, wurde von den Vertretern der Regierung bestritten. Die Stände verteidigten unter der Führung Rottecks und Itzsteins ihre Rechte mit Nachdruck und wirksamer Beredsamkeit, und es kam zu heftigen Konflikten, welche den gesetzgeberischen Ausbau des Staats hemmten. Die Regierung war aber zum Äußersten entschlossen, und nachdem sie 1824 den Landtag aufgelöst hatte, weil er bei seinem Beschluß, vom Militärbudget 100,000 Fl. zu streichen, beharrte, gelang es ihr, durch rücksichtslose Wahlbeeinflussung eine Kammer zusammenzubringen, in welcher nur noch drei Mitglieder der Opposition sich befanden. Diesem Landtag legte die Regierung 1825 ein die Verfassung abänderndes Gesetz vor, wonach statt der bisherigen von zwei zu zwei Jahren teilweise eintretenden Erneuerung der Kammer alle sechs Jahre eine Totalerneuerung stattfinden und der Landtag, statt alle zwei Jahre, in Zukunft alle drei Jahre versammelt werden sollte. Der Vorschlag wurde in beiden Kammern angenommen, und so gingen dem Volk durch das Gesetz vom 14. April 1825 zwei höchst wichtige Artikel der Verfassung verloren. Überhaupt zeigten sich die Kammern bereit, alles zu genehmigen, was die Regierung vorschlug, und diese erreichte, was sie erstrebt, unter dem Schein eines konstitutionellen Systems in Wirklichkeit doch absolut zu regieren. Als 30. März 1830 der Großherzog unvermählt starb, folgte ihm sein Stiefbruder Karl Leopold Friedrich auf Grund des Hausgesetzes von 1817. Trotz der Garantie der Großmächte von 1819 erneuerte Bayern seine alten Ansprüche auf die badische Pfalz, besonders auf die Grafschaft Sponheim. Schon traf man auf beiden Seiten militärische Vorbereitungen, doch ward der Streit schließlich, besonders durch österreichische Vermittelung, zu gunsten Badens geschlichtet.

Leopold entfernte nach und nach die der öffentlichen Meinung anstößigen Personen aus der Umgebung des Throns und bezeichnete das System, welches seine Regierung befolgen sollte, durch die öffentliche und feierliche Beteurung, daß die Verfassung ihm heilig sein werde. Daher traf die französische Julirevolution in B. nicht auf jene feindseligen Gärungselemente, welche sich in andern Teilen von Deutschland entluden; man setzte seine Hoffnungen auf die bürgerfreundlichen Gesinnungen des neuen Fürsten und den kommenden Landtag. Die Vollmacht der 1825 gewählten Deputierten war erloschen, die neuen Wahlen für den Landtag von 1831, von der Regierung unbeeinflußt, gingen fast ohne Ausnahme im liberalen, konstitutionellen Sinn vor sich. Die Minister Ludwigs, v. Berstett und v. Berkheim, wurden durch v. Böckh, v. Weiler, Winter und Nebenius ersetzt, zu denen später noch v. Türkheim und v. Reizenstein berufen wurden. Der denkwürdige erste Landtag unter der neuen Regierung, 17. März 1831 von Leopold persönlich eröffnet, gehört zu den Glanzpunkten des konstitutionellen Lebens in Deutschland. In der Zweiten Kammer glänzten vorzüglich