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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Barrow

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Barrow.

sogen. dynastischen Opposition, welche die Aufrechterhaltung der Orléansschen Dynastie, aber auch die freisinnige Entwickelung der Verfassung erstrebte. Von hoher Bedeutung ward Barrots Wirksamkeit, als 1847 die auf die Erweiterung des Wahlrechts gerichtete Reformbewegung begann. B. unterzeichnete im Februar 1848 die Einladung zum Reformbankett und die Anklageschrift gegen Guizot. Trotz der entschiedenen Abneigung, die der König gegen B. empfand, berief er ihn, hauptsächlich auf Thiers' Drängen, 24. Febr. zum Ministerpräsidenten. Als solcher bewies B. sogleich seine Unfähigkeit, indem sein erster Schritt darin bestand, in Gemeinschaft mit Thiers den König zum Zurückziehen der Truppen zu bewegen, was dem Julithron den letzten Stoß gab. Nach der Flucht des Königs beantragte B. in der letzten Sitzung der Deputiertenkammer die Regentschaft zu gunsten des Grafen von Paris, wurde aber damit zurückgewiesen. Er schloß sich nun der Republik an, ward für das Departement Aisne Mitglied der konstituierenden Nationalversammlung, dann der Legislative und bei der Bildung des ersten Ministeriums Ludwig Bonapartes, 20. Dez. 1848, Präsident des Ministerrats und Siegelbewahrer. Um Ruhe und Ordnung herzustellen, sprach er gegen Amnestie, unterdrückte die Klubs, beschränkte die Preßfreiheit und das Vereinsrecht. Er dankte 30. Okt. 1849 ab, erkannte aber die Pläne Napoleons nicht, ließ sich durch den Staatsstreich völlig überraschen und wurde 2. Dez. 1851 verhaftet, doch bald wieder in Freiheit gesetzt. Während des zweiten Kaiserreichs nahm er kein Staatsamt und kein Abgeordnetenmandat an. Nachdem er 1870 bei dem liberalen Umschwung in der Regierung des Kaiserreichs den Vorsitz in der Dezentralisationskommission übernommen hatte, wurde er bei der Wahl des neuen Staatsrats im Juli 1872 gewählt und durch Dekret vom 27. Juli zum Vizepräsidenten des Staatsrats ernannt. Er starb 6. Aug. 1873 in Bougival bei Paris. Nach seinem Tod erschienen "Mémoires posthumes" (Par. 1875-76, 4 Bde.). - B. hatte zwei jüngere Brüder, Adolphe (geb. 1801, gest. 16. Juni 1870), welcher in den diplomatischen Dienst eintrat und zuletzt 1858-64 Gesandter in Madrid war, und Victorin Ferdinand (geb. 1806), der sich Napoleon III. anschloß und nach dem Rücktritt seines Bruders Odilon 31. Okt. 1849 Minister des Innern, 1850 Gesandter in Turin, dann Mitglied des Staatsrats und Senator wurde und von 1877 bis zu seinem Tod (12. Nov. 1883) wieder lebenslängliches Mitglied des Senats war.

Barrow (spr. barro), Fluß in Irland, nächst dem Shannon der größte des Landes, entspringt in der Queen's County, in den Slieve-Bloombergen, wird bei Athy, 96 km oberhalb seiner Mündung, schiffbar, verstärkt sich durch die von W. kommenden Nore und Suir und ergießt sich nach einem Laufe von 191 km in den Hafen von Waterford. Sein Flußgebiet hat ein Areal von 9327 qkm (169,4 QM.).

Barrow (B. in Furneß, spr. barro), Stadt im nördlichen Lancashire (England), am Meer, der Insel Walney gegenüber, 1861 noch ein unbedeutendes Dorf, jetzt wichtige Industriestadt, die 1881: 47,100 Einw. zählte. Die Eisenhütten und Stahlwerke gehören jetzt zu den bedeutendsten in ganz England, und die Jutespinnerei soll die größte der Welt sein. Wichtig sind ferner die Schiffswerften (die über 4000 Menschen beschäftigen) und die Maschinenbauwerkstätten. Die Docks haben eine Wasserfläche von 150 Hektar. 3 km von ihnen springt Piel Pier ins Meer vor. Zum Hafen gehören (1883) 151 Seeschiffe von 71,725 Ton. Gehalt. 1883 liefen 2270 Schiffe von 543154 T. ein, 2315 von 575,350 T. aus. Wert der Einfuhr (vom Ausland) 532,207, der Ausfuhr 878,540 Pfd. Sterl. B. ist Sitz eines deutschen Konsuls.

Barrow (spr. -ro), 1) Isaak; Theolog und Mathematiker, geb. 1630 zu London, studierte in Cambridge und ging 1655, unter Cromwell royalistischer und arminianischer Grundsätze wegen verdächtigt, über Frankreich und Italien nach Smyrna und Konstantinopel und kehrte durch Deutschland und Holland zurück. 1661 wurde er Professor der griechischen Sprache zu Cambridge, 1662 Professor der Philosophie und 1664 der Mathematik. 1669 überließ er letztere Professur an seinen Schüler Newton, widmete sich dann ausschließlich der Theologie, wurde 1670 Doktor derselben, 1675 Kanzler der Universität Cambridge und starb 4. Mai 1677 zu London, wo er in der Westminsterkirche beigesetzt wurde. Sein Ruhm gründete sich vorzüglich auf seine mathematischen und optischen Untersuchungen, welche in den "Lectiones geometricae" (Lond. 1670) und den "Lectiones opticae" (das. 1669) enthalten sind. Die ersten betreffen besonders die Eigenschaften der krummen Linien, und seine Methode, mittels des später sogen. Differentialdreiecks Tangenten an Kurven zu ziehen, war eine der Veranlassungen zur Erfindung der Differentialrechnung. Die letztern gaben zuerst allgemeine Formeln für die Bestimmung der Brennpunkte dioptrischer Gläser. Außerdem übersetzte B. den Euklides ins Lateinische (Lond. 1675). Seine mathematischen Schriften gab zuletzt Whewell (Lond. 1861) heraus, die theologischen, moralischen und poetischen Tillotson (1685, 3 Bde., u. 1741) und Napier (das. 1859, 9 Bde.).

2) Sir John, Baronet, bedeutender geograph. Schriftsteller, geb. 19. Juni 1764 zu Dragleybeck in Lancashire, widmete sich von früher Jugend an dem Studium der Erdkunde, Mathematik und Astronomie, lehrte letztere Wissenschaft von 1786 bis 1791 in der Akademie zu Greenwich und machte als Lord Macartneys Privatsekretär dessen Gesandtschaftsreise nach China mit. Auf dieser Reise war B. ein sorgfältiger, durch reiche Vorkenntnisse unterstützter Beobachter und besuchte auch Kochinchina. Seine "Travels to China" (Lond. 1804; deutsch, Weim. 1804-1805) übertreffen die Werke seiner Reisegefährten an Gründlichkeit und Reichtum der Nachrichten, und nicht minder bedeutend ist seine "Voyage to Cochinchina" (Lond. 1806; deutsch, Weim. 1808). Als später Lord Macartney Gouverneur des Kaplandes wurde, trat B. wieder in sein früheres Verhältnis zu ihm, benutzte seinen Aufenthalt in Südafrika zu ausgedehnten Wanderungen ins Innere und gab in den "Travels in the interior of Southern Africa" (Lond. 1801-1803, 2 Bde.; deutsch, Weim. 1801-1805, 2 Bde.) zuerst eine genauere Übersicht des Gebiets der dortigen europäischen Kolonien bis an den Oranjefluß. Nach England zurückgekehrt, wurde er zum Sekretär der Admiralität ernannt (1804), welche Stelle er fast 40 Jahre lang bekleidete. Seine treffliche Übersicht der wichtigsten Nordpolreisen: "A chronological history of voyages into the arctic regions" (Lond. 1818, 2 Bde.; neue Ausg. 1846) war der Anlaß, daß von seiten Englands die Nordpolfahrten wieder aufgenommen wurden. Auch gab B. die erste Anregung zur Gründung der "Geographischen Gesellschaft" in London, deren Vizepräsident er wurde. Außer "The life of Macartney" (Lond. 1807, 2 Bde.) schrieb er noch eine Reihe von Biographien englischer Seehelden (Howe,