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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Basken

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Basken (Sprache und Litteratur; Geschichte).

Die merkwürdige Sprache der B., von ihnen selbst Escuara oder Euxara genannt, zeigt mit keiner andern europäischen Sprache die geringste Verwandtschaft. Den amerikanischen Indianersprachen, denen sie mehrfach an die Seite gestellt worden ist, gleicht sie in betreff einiger Eigentümlichkeiten ihres grammatischen Baues, ohne daß jedoch an eine auf gleicher Abstammung beruhende Verwandtschaft zu denken wäre. Sie ist reich an Vokalen und dadurch wohlklingend; doppelte Konsonanten kommen fast gar nicht vor, die drei harten Konsonanten k, t, p werden vor einem Nasallaut und an dem Schluß eines Worts, auf das ein mit weicher Konsonanz beginnendes Wort folgt, ausgestoßen, im letztern Fall der weiche Konsonant in den entsprechenden harten verwandelt. In der Deklination werden die ziemlich zahlreichen Kasus und der Unterschied der Ein- und Mehrzahl durch angehängte ein- oder mehrfache Endungen ausgedrückt; doch werden Nominativ und Akkusativ nicht unterschieden. Außerordentlich formenreich ist das Verbum, obschon in der jetzigen Sprache fast alle Verba nur in der Form von Partizipien erscheinen, die mit den zwei Hilfsverben "haben" und "sein" abgewandelt werden. Von ersterm wird z. B. gebildet: det "ich habe es", ditut "ich habe sie", dizkizut "ich habe sie für dich", nazu "du hast mich", dizkidasu "du hast sie für mich" etc., mit durchgängiger Einschaltung aller persönlichen Pronomina in das Verbum des Satzes, wobei dann durch Abschleifung und Verkürzung nach dem Objekt des Verbums geschiedene zahlreiche Konjugationsarten entstanden sind. Von jeder derselben gibt es wieder vier besondere Formen, je nachdem ein Gleichstehender, ein höher oder niedriger Stehender oder eine Frau angeredet wird. Die fast unendliche Menge stark untereinander abweichender Formen, welche von einem Verbum gebildet werden können, veranlaßte den Titel: "El imposible vencido", d. h. "das Unmögliche möglich gemacht", welchen im vorigen Jahrhundert der Jesuit Larramendi seiner baskischen Grammatik beilegte. Übrigens ist dieser Reichtum nicht als ein Vorzug zu betrachten, sondern vielmehr ein charakteristisches Zeichen eines höchst primitiven Sprachbaues, der sowohl Objekt als Subjekt des Satzes am Verbum selbst besonders zum Ausdruck bringen muß, um das gegenseitige Verhältnis der Satzglieder verständlich zu machen. Auch der Wortschatz der baskischen Sprache zeigt eine stark entwickelte Fähigkeit, lange Komposita zu bilden, neben auffallender innerer Armut. So gibt es baskische Bezeichnungen für verschiedene Bäume und Tiere, aber für die Begriffe "Baum" und "Tier" im allgemeinen ist kein einfacher Ausdruck vorhanden. Auch sind fast zwei Drittel des baskischen Wortschatzes, teils in neuerer Zeit aus dem Spanischen und Französischen, teils schon früher aus dem Lateinischen und Keltischen entlehnt. Die baskische Sprache zerfällt in 8 Hauptdialekte, die sich wieder in 25 Mundarten einteilen lassen. Diese Einteilung rührt von Prinz Lucien Bonaparte her, der sich teils durch eigne Untersuchungen ("Le verbe basque", Par. 1869), teils durch die Anregung grammatischer Arbeiten am meisten um die Aufklärung der baskischen Sprache verdient gemacht hat. Grammatiken lieferten Blanc (Lyon 1854) und van Eys (2. Aufl., Amsterd. 1867); eine Grammatik von Hannemann steht zu erwarten. Wörterbücher veröffentlichten Chaho (Bayonne 1856), Fabre (das. 1870), van Eys (Par. 1873), dem auch die erste "Vergleichende Grammatik der baskischen Dialekte" (das. 1879) verdankt wird; ein baskisch-spanisches Wörterbuch Aizquibel (Tolosa 1882-84, 2 Bde.). Einen wichtigen "Essai sur la langue basque" verfaßte Ribáry (franz. von Vinson, Par. 1877); über das Verhältnis der alten iberischen Sprache zum Baskischen schrieben W. v. Humboldt (1821) und neuerdings, gegen Humboldt polemisierend, van Eys und Vinson (1874). Vgl. auch Broca, Origine et repartition de la langue basque (Par. 1875). Die alten iberischen Münzen und Inschriften sind noch nicht entziffert. - Die höchst unbedeutende baskische Litteratur besteht größtenteils aus Erbauungsbüchern; außerdem sind einige Liedersammlungen (z. B. "Cancionero basco" von Monterola, 1880) und die meist noch ungedruckten Pastorales zu erwähnen, d. h. ländliche Schauspiele teils geistlichen Inhalts, teils auf die Rolandssage bezüglich, welche die Landleute in den baskischen Dörfern aufzuführen pflegen. Das älteste gedruckte Werk ist eine Gedichtsammlung von 1545, auch ältere Handschriften sind nicht vorhanden. Vgl. Mahn, Denkmäler der baskischen Sprache (Berl. 1858).

Geschichte. Die B., deren Ursprung in neuester Zeit, namentlich in Frankreich, vielfach erörtert ward, müssen zur Zeit für die ältesten Bewohner Europas gehalten werden. Sie sind die Nachkommen der Vaskonen, eines Zweigs der alten Iberer, welche ganz Spanien und das südwestliche Frankreich innehatten, aber von den eingedrungenen Kelten frühzeitig gegen W. und SW. verdrängt wurden und vermischt mit ihnen die Keltiberer bildeten. Von den Römern, welche (durch Pompejus) 74 v. Chr. Pompeiopolis (Pamplona) gründeten, wurde das Volk nie vollständig unterjocht, und auch nach dem Untergang des römischen Reichs bewahrte es sich in seinen Bergen im ganzen seine Unabhängigkeit. Um 580 n. Chr. wurden die B. von dem in Spanien herrschenden Westgotenkönig Leovigild besiegt (der zur Erinnerung an diesen Sieg Victoria, jetzt Vitoria, gründete) und so hart behandelt, daß ein Teil von ihnen in das südliche Frankreich auswanderte, welches von ihnen den Namen Gascogne erhielt. Von Wamba, König der Westgoten (672-681), wurden aber auch diese Ausgewanderten unterworfen. Obgleich sie sodann den Karolingern Pippin dem Kleinen und Karl d. Gr. sich unterwerfen mußten, nahmen sie doch stets eine besondere Stellung ein und empörten sich wiederholt, wie sie denn namentlich die Franken 778 im Thal von Roncesvalles überfielen. Um 920 bildete sich aus dem Baskenland ein Königreich Navarra (s. d.), welches unter Sancho d. Gr. (970-1035) seine größte Ausdehnung hatte, dann aber durch Teilung verkleinert wurde und zeitweise von Aragonien und Kastilien abhängig war. Nach mehrfachem Wechsel der Dynastie kam Navarra 1494 an das Haus Albret. Ferdinand der Katholische benutzte die Exkommunikation Johanns III. durch Papst Julius II., um demselben 1512 den spanischen Teil seines Landes oder Obernavarra zu entreißen, so daß dem Haus Albret nur der französische Teil oder Niedernavarra verblieb, welches Johanna d'Albret durch ihre Verheiratung mit Anton, dem Vater Heinrichs IV., dem Haus Bourbon zubrachte und ihr Enkel Ludwig XIII. 1620 mit Frankreich vereinigte. Die B. in Spanien behielten stets besondere Freiheiten (Fueros), wenn diese auch nicht immer respektiert wurden. Erst 1805 wurden dieselben beschränkt und 1832 von den Cortes mit gänzlicher Aufhebung bedroht. Dies veranlaßte 1833 den Aufstand der B. gegen die konstitutionelle Regierung in Madrid und ihren Anschluß an Don Karlos. In dem neubeginnenden Bürgerkrieg fochten 20-25,000 B. für den Prätendenten; nur 1837