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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bayern

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Bayern (Bevölkerung).

Zahl der Eingewanderten (1871 noch 1491) stieg seit 1872 erheblich und betrug 1882: 17,470. Während von 1860 bis 1873 die Zahl der Auswanderer stets jene der Einwanderer überwog, trat von 1873 bis 1879 das umgekehrte Verhältnis ein. Die Eingewanderten betrugen in dieser Periode zusammen 69,332, die Ausgewanderten 48,817 Personen; es ergibt sich somit ein jährlicher Überschuß der Einwanderung von 3419 Personen. Die Jahre 1880-82 weisen jedoch bei einer Auswanderung von 63,897 Personen wieder einen jährlichen Überschuß der Auswanderer von 5391 auf. - Was die überseeische Auswanderung betrifft, so sind in den Jahren 1881 bis 1883: 17,106, 17,641 und 17,986 Personen von B. aus den Häfen Bremen, Hamburg, Stettin und Antwerpen befördert worden. Berechnet man das Prozentverhältnis zur Bevölkerung (von 1880), so sind in diesen drei Jahren durchschnittlich je 0,33 Proz. (in der Rheinpfalz 0,44 Proz.) der Bevölkerung über See ausgewandert. Im J. 1882 betrug die Gesamtzahl der rechtlich Eingewanderten 1354, die der rechtlich Ausgewanderten 2537; außerdem waren noch 16,116 Personen faktisch zugezogen und 21,184 faktisch weggezogen. Von den Einwohnern sind 2,578,910 männlichen, 2,705,868 weiblichen Geschlechts, so daß auf 1000 Männer 1049 Frauen kommen. Was den Zivilstand der Bevölkerung anbetrifft, so sind 61 Proz. ledig, 33,4 Proz. verheiratet, 5,5 Proz. verwitwet und 0,1 Proz. geschieden. Die Zahl der Trauungen, welche 1850-54 nur 28,296 betragen hatte, stieg 1867-68 auf 38,077, 1868-69 sogar auf 59,726, nach einem kurzen Rückgang dann 1872 auf 52,045; von da sank sie stetig bis 1880 mit 34,958 und hat 1882 wieder die Zahl 37,801 erreicht. Von Geburten kamen 1835-60 auf das Jahr durchschnittlich 156,228, 1860-68: 179,551, dagegen 1868-69: 192,030; von da an stiegen dieselben stetig bis 1876 mit 223,356 und fallen seit dieser Zeit regelmäßig (1882: 209,227). Darunter waren in den drei erstern Zeiträumen Totgeborne: 4793, 5900 und 6808, 1882: 7048; von den Geburten waren unehelich 1835-60: 31,886 (21,1 Proz., d. h. in der Pfalz nur 8 Proz., im rechtsrheinischen B. 23,2 Proz.), 1860-68: 38,413 (22,2 Proz.); im J. 1858-59 hatten dieselben ihren höchsten Stand (39,116 = 23,6 Proz.) erreicht, von da ab fielen sie stetig bis 1878 (27,420 = 12,7 Proz.) und sind bis jetzt wieder in Steigerung begriffen, 1882: 28,528 = 13,6 Proz. Die Gesamtzahl der Sterbefälle (einschließlich der Totgebornen) betrug in den genannten Zeiträumen durchschnittlich 129,815, 146,307 und 159,187, 1882: 160,160, somit im letztern Jahr der Überschuß an Gebornen 49,067. Ferner sind 7/10 der Einwohner Landbewohner, 3/10 Bewohner von Städten. Die Gesamtzahl der Haushaltungen beträgt 1,121,105, die der Wohnhäuser 793,217, die Zahl politischer Gemeinden 8027, die der Ortschaften 46,027, darunter 242 Städte, wovon 8 (München, Nürnberg, Augsburg, Würzburg, Regensburg, Fürth, Bamberg, Kaiserslautern) mehr als 26,000 Einw. zählen. Eigentümlich ist in Altbayern das zerstreute Wohnen. Auf 10 qkm treffen z. B. in Oberbayern 80, in Niederbayern sogar 111, dagegen in der Pfalz 32, in Unterfranken 24 Ortschaften. Dieses Verhältnis steigert sich noch mehr, wenn man dasselbe auf die Einwohnerzahl berechnet. Auf 1000 Einw. treffen in Niederbayern 18,4, in Oberbayern 14,1, in Unterfranken 3,3, in der Pfalz jedoch nur 2,8 Ortschaften.

Nach der Berufsstatistik von 1882 verteilt sich die Bevölkerung in ihrem Hauptberuf auf die einzelnen Berufsabteilungen in folgender Weise:

Berufsabteilungen Männlich Weiblich Im ganzen Proz.

Landwirtschaft, Tierzucht, Gärtnerei, Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei 831896 674116 1506012 28,6

Bergbau und Hüttenwesen, Industrie u. Baugewerbe 527402 102017 629419 12,0

Handel und Verkehr 117085 54923 172008 3,3

Dienst und Lohnarbeit wechselnder Art 7096 15494 22590 0,4

Militär-, Hof-, bürgerlicher, kirchlicher Dienst und sogen. freie Berufsarten 105392 16498 121890 2,3

Erwerbstätige überhaupt 1588871 863048 2451919 46,6

Selbständige Personen ohne Beruf und Angehörige von Anstalten 124865 149884 274749 5,2

Häusliche Dienstboten 2228 93749 95977 1,8

Familienangehörige ohne Beruf u. Kinder im ganzen 853386 1592730 2446116 46,4

Gesamtbevölkerung: 2569350 2699411 5268761 -

Rechnet man die häuslichen Dienstboten sowie die Familienangehörigen und Kinder den einzelnen Berufsabteilungen hinzu, so ergibt sich, daß die Landwirtschaft etc. 2,681,265 Personen (50,9 Proz.), die Industrie etc. 1,492,391 Personen (28,3 Proz.), der Handel und Verkehr 435,701 Personen (8,3 Proz.) der Gesamtbevölkerung ernähren. Vgl. auch unten.

In ethnographischer Hinsicht gehört die Bevölkerung Bayerns verschiedenen Stämmen an: außer einigen germanisierten Slawen (Wenden) in Oberfranken bewohnen Franken die drei fränkischen Regierungsbezirke, Schwaben (Alemannen) den Südwesten des Landes, eigentliche Bayern (Altbayern) die Regierungsbezirke Ober- u. Niederbayern und die Oberpfalz. Die Bevölkerung der Rheinpfalz ist vorwiegend fränkisch (westfränkisch). Der Altbayer ist durchschnittlich von mittlerer Statur, kräftig, zuverlässig, natürlich, offen und anspruchslos, aber im ganzen schwer beweglich, Neuerungen wenig zugänglich und streitsüchtig. Charakteristisch ist ihm die rauhe bayrische Mundart sowie in Beziehung auf seine Nahrungsweise die fast ausschließliche Herrschaft von Mehl-, Milch- und Schmalzspeisen mit einem Zusatz von Gemüsen und die Beschränkung des Genusses von Fleischspeisen auf die höchsten Festtage des Jahrs: Fastnacht, Ostern, Kirchweih und Weihnachten, sowie eine reichliche Fülle von Bier. Trotz des zunehmenden Einflusses der Mode bewahrt der altbayrische Bauer im allgemeinen seine ihm eigentümliche Tracht: er trägt gewöhnlich, insbesondere in der Umgebung von München, einen breitrandigen Hut, Tuchspenzer oder langen Flügelrock, einen schweren Mantel und Kniestiefel mit Lederhosen. Die Frau erscheint gewöhnlich mit hoch und dick ausgestopften Ärmeln. Die Schwaben oder Alemannen sind einfache, genügsame Menschen, dabei geistig beweglicher und geselliger als ihre östlichen Nachbarn. Die ihnen eigentümliche Tracht (dreigespitzter Hut, im Winter kleine, spitz zulaufende Mütze, Tuchweste, langer Oberrock mit Stehkragen, Kniehosen mit Schnallenschuhen, Strümpfe aus weißer Leinwand oder Wolle) wird durch die Nachahmung der städtischen Mode immer mehr verdrängt. Eigentümlich ist dem Schwaben sein Dialekt. In den drei Franken haben die Bewohner des sogen. Baireuther und Ansbacher Landes, des Bamberger und Würzburger Landes etc. noch ihre Eigentümlichkeiten. Im allgemeinen ist der Franke heiterern und hellern Geistes, Neuerungen im Vergleich zu dem Altbayer zugänglicher und in-^[folgende Seite]