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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Begga; Beggiatoa; Beghinen und Begharden

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Begga - Beghinen.

geisterung" nur für die letztere Form, die "Geistestrunkenheit", für die Trunkenheit vom Wein höchstens der Name "Begeistung" gebraucht zu werden. Beide Formen der B. jedoch haben das gemein, daß der "Geistes"- (wie der Weines-) Trunkene den umgebenden "Nüchternen" zu "schwärmen" scheint, die erhöhte Geistesstimmung bald für Entrückung des Geistes in höhere Sphären (Geistesverzückung, Sehertum), bald für Verrückung desselben (Wahnwitz, Geistesabwesenheit) gilt, der Schwärmer daher bald als höherer Weisheit teilhaftig gepriesen, bald nach Luthers kräftigem Ausdruck als "Schwarmgeist" gemieden wird. Nur die erhöhte Geistesstimmung jener erstern Art, deren Aussprüchen und Handlungen mustergültiger Wert beigelegt wird, pflegt im engsten Sinn des Worts B. zu heißen. In diesem Sinn bedient man sich der Bezeichnung, wenn von den Schöpfungen künstlerischer, den Entdeckungen wissenschaftlicher, den Thaten und Aufopferungen sittlicher, politischer und religiöser B. die Rede ist. Legt man dabei auf den Umstand Gewicht, daß der Geist, unter dessen Einfluß der Begeisterte steht, ein von seinem eignen verschiedener, die B. daher durch ein andres Geistwesen verursacht sei, so heißt sie Inspiration, wenn dieser Geist der göttliche selbst ist, Theopneustie. Im andern Fall, wenn der Begeisterte unter der Herrschaft seines eignen, aus dem Alltagsschlummer erwachten Geistes (seines Genius) stehend gedacht wird, erscheint die B. als Genialität, Enthusiasmus. Wird auf den Inhalt der die B. erweckenden Ideen geachtet, die teils dem Gebiet der Erkenntnis (des Wahren), teils jenem der Kunst (des Schönen), teils jenem des sittlichen Handelns (des Guten) angehören, so läßt sich eine logische, ästhetische und moralische B. unterscheiden, von welch letztern beiden die religiöse als B. für das Heilige und Vollkommene nur eine Abart ist. Obwohl nun jeder Mensch der B. fähig ist und in eine höhere Stimmung gesetzt zu werden pflegt, sobald eine Idee ihm näher tritt, so setzt doch die B. in höherm Sinn immer ein eminenteres Maß geistiger, leicht in Bewegung zu setzender Kräfte, besonders eine lebhafte Einbildungskraft und ein leicht erregbares Gemüt, gleichzeitig aber auch gleichmäßige Stärke der Reflexion und des Willens voraus, um Maß zu halten und selbst über die kühnsten Aufschwünge der Seele freithätig zu gebieten, um nicht, wie diesem Geschick schwache, mit einer großen Reizbarkeit und lebendiger Phantasie begabte Gemüter immer unterliegen, in Schwärmerei und selbst in Wahnsinn zu verfallen. Die B. wirkt nicht minder auf das Vorstellungs- als auf das Begehrungsvermögen. Indem der Gegenstand die ganze Seele erfüllt, so daß dieselbe nur mit ihm sich beschäftigt, gegen alles andre gleichsam blind und taub ist, richtet sich ihr Blick ausschließlich nur auf ihn mit einer Schärfe, daß sie ihn klarer schaut als alles andre. Die B. überschaut Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichsam mit Einem Blick, erkennt Schwierigkeiten nicht nur schnell, sondern entdeckt auch leicht die Mittel, dieselben zu überwinden, und wendet dieselben mit einer Entschiedenheit oder Beharrlichkeit an, daß der ruhige Beobachter über die Erfolge staunt. Je klarer aber die Vorstellungen sind, auf welchen die B. ruht, desto mächtiger wirken sie auch auf Gemüt, Willen und Begehrungsvermögen, reißen dieselben mit sich fort und spornen sie an, die Idee so schnell wie möglich zu realisieren. So wirkt die B. bei dem Dichter, Redner, Maler, Musiker, Baumeister etc., so daß das Schaffen ein wunderhaft schnelles aus Einem großartigen Guß wird. Mit Recht unterscheidet man noch eine wahre (d. h. wirkliche) und falsche (d. h. bloß eingebildete) B. und versteht unter der erstern jene reine, tiefe, durch Ideen verursachte und auf solche gerichtete Erregtheit des Gemüts, unter letzterer dagegen die affektierte Geistesstimmung, die nüchtern bleibt, aber berauscht scheinen will.

Begga, Tochter Pippins von Landen, vermählt mit Ansegisil, dem Sohn des Bischofs Arnulf von Metz, Mutter Pippins von Heristall, somit Urgroßmutter Pippins des Kleinen, starb 694 in dem von ihr gestifteten Frauenkloster zu Andane an der Maas; sie wurde kanonisiert. Ihr Tag ist der 17. Dezember.

Beggiatoa Trev., Pflanzengattung aus der Familie der Bakterien unter den Schizomyceten, lange, gegliederte, farblose Fäden bildend, die mit kleinen Körnchen von Schwefel erfüllt sind und, wie die Oszillarien, eine schwingende Bewegung zeigen. Mit letzterer Familie sind sie ebenfalls nahe verwandt. Die Arten der B. leben in faulendem Wasser, stinkenden Gräben, namentlich in Abflußgräben der Zuckerfabriken, und besonders in schwefelhaltigen Mineralquellen, wie denen von Aachen, Baden bei Wien u. a., in welchen sie als schleimige Massen den Boden des Wassers überziehen oder auch schwimmende Flocken bilden. Auch als Überzüge des Meeresgrundes kommen Beggiatoen, z. B. in dem "weißen" oder "toten Grunde" der Kieler Bucht, vor.

Beghinen und Begharden (Beguinen, Beginen oder Begutten, Beguinae, bez. Beghardi, Beguini, Beckarden) heißen in den Quellen des 12.-14. Jahrh. die Mitglieder der Collegia Beguinarum, bez. Beguinorum, d. h. der Brüder- und Schwesternhäuser, in welchen arme, ältere Personen Wohnung, Heizung und Licht unentgeltlich empfingen. Den sonstigen Lebensunterhalt verdienten sie, soweit sie dazu im stande waren, durch Handarbeiten, eventuell durch Krankenpflege und sonstige nützliche Beschäftigungen. Der Name Beghinen und Begharden, von welchen der erstere Frauen, der zweite Männer bezeichnet, hat bis jetzt keine allgemein anerkannte Deutung gefunden. Die Ableitung von dem Namen Lambert le Bègues, der 1180 in Lüttich ein Beghinenhaus stiftete, hat einige Wahrscheinlichkeit für sich; dagegen scheint die Erzählung von der heil. Begha, welche in einer spätern Epoche zur Schutzpatronin der Beghinenhäuser gemacht wurde, auf einer Mythe zu beruhen. Der Name Beghinen wird erst im 15. Jahrh. von den Insassen dieser Stifter selbst gebraucht, in der frühern Zeit ist es ein Schelt- und Sektenname, welcher von den "Brüdern" und "Schwestern" (denn so pflegten sie sich einfach zu nennen) zurückgewiesen worden ist. Die Begharden- und Beghinenhäuser sind bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrh. fast ausschließlich fromme Stiftungen jener weitverbreiteten "Brüdergemeinden", welche unter dem Namen Waldenser bekannt sind. Die Geistlichen der Brüdergemeinden waren ihre Patrone. Sie hatten große Ähnlichkeit mit den heutigen evangelischen Frauenstiftern und Diakonissenhäusern. Sie standen zu den katholischen Orden, von welchen sie sich prinzipiell unterschieden, in Opposition. Daher erfolgten seit 1311 durch Papst Clemens V. Unterdrückungsmaßregeln. Infolge der äußern Verfolgungen und des Rückganges des Waldensertums sahen sich die Collegia Beguinarum meist genötigt, die Franziskaner-Ordensregel anzunehmen, und von da ab wurden sie von den Päpsten wieder in Schutz genommen. Während noch die Inquisition von Toulouse vom Jahr 1307 ab zahlreiche B. als Ketzer zur Einmauerung und Verbrennung verurteilt