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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Belgien

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Belgien (Finanzen, Heerwesen, Wappen, Orden etc.).

1834 den Kammern vorgelegte "Projet de loi apportant des modifications aux codes pénals etc." hebt die Brandmarkung, den Pranger, die Abhauung des Daumens bei Parricide, die Deportation und Verbannung auf und setzt für politische Verbrechen die Detention fest. Die Todesstrafe ward nur für Mord beibehalten. Die bedeutendsten Landrechte sind die von Lüttich, Limburg (von 1682), Stavelot, Flandern; die wichtigsten Stadtrechte die von Antwerpen, Brüssel, Gent, Lille, Mecheln und Lüttich, wo unter dem Namen Paix alte Statuten bestanden, aus denen ein Rechtsbuch, Bawillart, entstand. Vgl. Warnkönig, Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte (Tübing. 1832-39, 3 Bde.); Rapsaet, Analyse des droits des Belges (Gent 1824-26, 3 Bde.).

An Gefängnissen bestehen: Zentralgefängnisse in Gent und Löwen, Maisons de sûreté bei jedem Assisenhof und Maisons d'arrêt in jedem Arrondissement, wo nicht eine Maison de sûreté besteht. Besserungsanstalten für jugendliche Verbrecher befinden sich in St.-Hubert, Namur und Gent.

Finanzen. Das Budget für 1884 enthält an Einnahmen 316,136,727, an Ausgaben 326,870,741 Fr. Hauptposten der Einnahmen sind: direkte Steuern 48,2, indirekte 117,3, Verkehrsanstalten 135,4 Mill. Fr. Die Einnahmen Belgiens haben sich seit 35 Jahren mehr als verdoppelt. Während 1854 die direkten Steuern etwa 25 Proz., die indirekten 28 Proz. der Einnahmen betrugen, sanken 1884 jene auf 12, stiegen letztere aus 37 Proz. Von den direkten Steuern ist (1884) veranschlagt die Grundsteuer auf 23,3, Personalsteuer auf 18,3, Gewerbesteuer auf 6,3 Mill. Fr. Unter den indirekten Steuern sind: Eingangszölle 23,6, Verbrauchssteuern 38,7 (davon Branntweinsteuer 22,6, Bier- und Essigsteuer 9,2, Zuckersteuer 3,7 Mill. Fr.), Erbschaftssteuer 19,4 und Registrierung 27,2 Mill. Fr. Der Ertrag der Eisenbahnen wurde veranschlagt auf 122, der der Post auf 8,3 Mill. Fr. Unter den Ausgaben erfordern

^[Liste]

Staatsschuld und Pensionen 100,5 Mill. Frank

Dotationen 4,8

Justizministerium 15,5

Ministerium des Äußern 2,4

Ministerium des Innern u. Unterrichts 28,0

Ministerium der öffentlichen Arbeiten 17,6

Ministerium der Verkehrsanstalten 90,8

Ministerium des Kriegs 49,5

Ministerium der Finanzen 15,9

Die Abrechnung für 1881 ergab: Einnahmen 378 Mill. Fr., Ausgaben 402,3 Mill. Fr., somit ein Defizit von 24,3 Mill. Fr.; doch ist letzteres überwiegend durch die außerordentlichen Ausgaben, die 99,5 Mill. Fr. betrugen, herbeigeführt.

Die öffentliche Schuld betrug 1884: 2116,9 Mill. Fr. (mit Ausschluß von Zinsgarantien u. a. auf ein 5proz. Kapital reduziert, 1686,8 Mill. Fr.) und erforderte 1883: 85,1 Mill. an Zinsen und Tilgung. Die Staatsschuld, 1831 durch Übernahme von 220 Mill. Fr. aus der holländischen entstanden, absorbiert jetzt jährlich 31 Proz. der ordentlichen Einnahmen (1854: 29 Proz.). Die zuletzt 1875 angestellte Erhebung über die finanzielle Lage der belgischen Gemeinden (Städte inbegriffen) ergab eine jährliche Einnahme von 197 Mill. Fr. (darunter 117 Mill. außerordentlich), welcher die Ausgabe mit 161,4 Mill. Fr. (darunter 103,9 Mill. außerordentlich) gegenüberstand. Von den ordentlichen Ausgaben erfordern das Unterrichtswesen 14,7 Mill., Wegebau und Gesundheitspflege 12,2 Mill., Gemeindeverwaltung 14,4 Mill. und Armenpflege 5,5 Mill. Fr.

Das Heerwesen ist durch die Gesetze vom 3. Juni 1870 und 16. Aug. 1873 geregelt. Der Truppenbestand unterliegt der jährlichen Bewilligung der Volksvertretung. Der Ersatz erfolgt durch Konskription mit Stellvertretung. Die Vertreter besorgt der Staat gegen die Loskaufsumme von 1800 Fr. Die Dienstpflicht dauert 5 Jahre aktiv bei der Armee, 5 Jahre in der Reserve; ausgehoben werden jährlich 12,000 Mann. Die Dienstzeit beträgt je nach den Waffen 28 Monate bis 4 Jahre. Pflichten der Mannschaften des beurlaubten Standes sind ähnlich wie in Deutschland. Das Land ist in zwei Generalkommandos, die Provinzen in kleinere Aushebungsbezirke geteilt. An Truppen bestehen 1) Infanterie: 4 Divisionen, 3 zu 2, 1 zu 3 Brigaden, mit 14 Regimentern Linie, 1 Grenadiere, 3 Jäger zu Fuß (jedes 4 Bataillone, davon 1 in Kadre, und 1 Depot) und 1 Regiment Karabiniers zu 6 Bataillonen, davon 2 in Kadres und 1 Depot. Alle Bataillone zu 4 Kompanien. Zusammen 19 Regimenter mit 58 aufgestellten, 20 Kadrebataillonen, 19 Depots; 1882: 1828 Offiziere, 26,955 Mann aktiv, 48,456 Mann beurlaubt. 2) Kavallerie: 2 Divisionen zu 2 Brigaden, jede 2 Regimenter zu 5 Eskadrons (davon 1 im Krieg Ersatz), zusammen 8 Regimenter (2 Jäger zu Pferde, 2 Guiden, 4 Lanciers), 40 Eskadrons; 364 Offiziere, 5037 Mann aktiv (2852 beurlaubt), 5440 Pferde. 3) Artillerie: 3 Brigaden, 1. und 2. zu 2 Feld-, die 3. zu 3 Festungsregimentern. Die Feldregimenter Nr. 1 und 3 haben 8 Fuß-, 2 Reserve- (Kadre-), Nr. 2 und 4: 7 Fuß-, 2 reitende, 1 Reservebatterie, zusammen Feldartillerie: 34 bespannte (à 6 Geschütze) und 6 Kadrebatterien mit 204 Geschützen; Festungsartillerie: 48 formierte, 3 Kadrebatterien, 3 Depots. Die Artillerie zählte 1882: 495 Offiziere, 6951 Mann aktiv (11,628 beurlaubt). Die Depots bilden auch den Ersatz der Feldartillerie aus. Ferner gehören zur Artillerie je 1 Kompanie Pontoniere, Feuerwerker, Handwerker und Zeugschmiede. 4) Genie: 1 Regiment von 3 Bataillonen und 1 Depot, je 1 Eisenbahn-, Feld- und Festungstelegraphisten-, Festungspontonier- und Geniehandwerkerkompanie; 84 Offiziere, 1357 Mann aktiv (2495 beurlaubt). Gendarmerie (3 Divisionen zu 3 Kompanien), Train (1 Bataillon von 6 Kompanien und 1 Depot), Verwaltungsbataillon (8 Kompanien) zusammen 613 Offiziere und 3241 Mann aktiv (5435 beurlaubt). Gesamtstärke im Frieden: 3384 Offiziere, 43,541 Mann, 8907 Pferde; im Krieg 114,407 Mann mit 13,800 Pferden und 240 Geschützen. Außerdem besteht eine Bürgergarde, welche die untern Chargen bis zum Hauptmann selbst ernennt; ca. 120,000 Mann, wovon etwa 31,000 Mann aktiv dienen. Eine Marine ist erst im Entstehen. Hauptfestung ist Antwerpen (s. d.), daneben die Citadellen von Dendermonde, Namur, Diest und Lüttich. Völkerrechtlich ist B. neutral. Das Wappen ist der goldene stehende Brabanter Löwe mit ausgestreckter roter Zunge, auf schwarzem Grund mit der Devise: "L'union fait la force" (s. Tafel "Wappen"). Die Farben des Landes sind (seit 1831) Rot, Gelb und Schwarz senkrecht nebeneinander und zwar so, daß Schwarz die Stelle unmittelbar an der Flaggenstange, Gelb die Mitte und Rot den äußern Platz einnimmt (s. Tafel "Flaggen"). - Von Ritterorden bestehen nur: Ehrenstern zur Belohnung derer, welche dem Vaterland 1830 besondere Dienste geleistet haben; der Leopoldsorden (gestiftet 1832) und der Orden für Zivilverdienste (1867 gestiftet).

Vgl. die offizielle "Statistique générale de la