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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bergrecht

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Bergrecht (Geschichtliches).

die Quelle dieser Aufzeichnungen gelten darf, wird schon in der kulmischen Handfeste 1232 erwähnt, ist aber erst später niedergeschrieben. So verbreitete sich das ursprünglich lokale B. mit dem Bergbau allmählich über das ganze deutsche Land und die Grenzländer, ebenso wie fast um dieselbe Zeit das lübische Recht, entstanden aus den ursprünglich ganz lokalen Willküren der Kaufleute, sich aus den Städten der Hansa über ganz Norddeutschland und die Ostseeländer verbreitete und das alte deutsche Recht der Gewere durch das moderne Recht der Mobilien und des Erwerbs verdrängte.

Beinahe gleichzeitig mit der allgemeinen Anerkennung der Bergbaufreiheit tritt der Anspruch der deutschen Kaiser auf das Bergregal auf. In dem roncalischen Reichstagsbeschluß (1158) werden die Silberbergwerke (argentariae) neben den Einkünften von den Salinen als Gegenstände des Regals aufgeführt. Man pflegte jenen Reichstagsbeschluß bis in die neuere Zeit als das erste Reichsgesetz über das Bergregal zu bezeichnen, wobei indes übersehen wurde, daß derselbe kein deutsches Reichsgesetz ist, sondern ein Gesetz des lombardischen Königreichs, welches nichts andres bezweckte, als die Rechte des Kaisers gegenüber den lombardischen Freistädten festzusetzen. Gleichwohl ist es eine geschichtlich beglaubigte Thatsache, daß Friedrich I. im Anschluß an den roncalischen Reichstagsbeschluß auch in Deutschland das Bergregal in Anspruch nahm. Allein dieser Anspruch ist in Deutschland weder durch einen Akt der Reichsgesetzgebung bestätigt worden, noch zur allgemeinen thatsächlichen Geltung gelangt. Das B. befand sich im 13. Jahrh. in einer Fermentation, indem die Bergbaufreiheit, das Regal und das Recht des Grundeigentümers, welcher insbesondere noch im "Sachsenspiegel" (1230) und in dem Löwenberger Goldrecht (1270) als berechtigt zum Bergbau anerkannt wird, um die Herrschaft kämpften. Dieser Kampf entgegengesetzter Prinzipien erhielt einen vorläufigen Abschluß durch die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. 1356, welche (Kap. IX) den Kurfürsten das Bergregal auf alle Metalle und auf das Salz zuspricht und damit sowohl das kaiserliche Regal als auch das Recht des Grundeigentümers zum Bergbau beseitigt. Die Bergbaufreiheit blieb zwar neben dem landesherrlichen Bergregal bestehen; allein es bildete sich nun die Auffassung aus, daß die Erze ursprünglich ein Eigentum des Landesherrn seien, und daß nur durch die von diesem ausgegangene sogen. Freierklärung ein Recht für den Finder und den Muter auf die Erwerbung des Bergwerkseigentums begründet werde. Eine weitere Konsequenz jener Regalitätstheorie war die Folgerung, daß das Bergregal als ein niederes Regal mit Inbegriff aller dem Staat in Bezug auf den Bergbau zustehenden Rechte auch von Privatpersonen besessen werden könne. Es entstand so das dem ältern Recht fremde Institut des Privatregalbesitzes. Die neuere deutsche Berggesetzgebung hat den Begriff der Regalität ausgeschlossen und die Bergbaufreiheit in ihrer ursprünglichen Uneingeschränktheit wiederhergestellt.

Das gemeine deutsche B. enthält das allen deutschen Stämmen gemeinsame Recht. Deutschland hat zwar niemals eine allgemeine, für das ganze Reich gültige Bergordnung besessen, und es ist seit der Goldenen Bulle überhaupt kein Reichsgesetz über den Bergbau zu stande gekommen. Die deutsche Berggesetzgebung besteht vielmehr in lauter partikularen Bergordnungen. Allein in diesen Bergordnungen begegnet man überall denselben Rechtsgrundsätzen und Regeln. Sie enthalten gemeines, nicht partikulares Recht (Brassert). Die Reihe der landesherrlichen Bergordnungen wird im 16. Jahrh. durch die Annaberger Bergordnung Herzog Georgs von Sachsen (1509) und die Joachimsthaler Bergordnung Kaiser Ferdinands I. (1548) eröffnet. Aus beiden ging die kursächsische Bergordnung des Kurfürsten Christian (1589) hervor, in welcher sich bereits das deutsche B. in derjenigen Gestalt entwickelt findet, welche dasselbe bis in die Mitte des gegenwärtigen Jahrhunderts behauptet hat. Die übrigen Bergordnungen des 16.-18. Jahrh. sind bei ihrer übergroßen Zahl dennoch von geringem Belang für die materielle Entwickelung des deutschen Bergrechts. Als besonders wichtig ist die im allgemeinen preußischen Landrecht (1794), Teil II, Tit. 16, enthaltene Bergordnung zu erwähnen. Die Geschichte des gemeinen deutschen Bergrechts schließt mit der Auflösung des Deutschen Reichs ab, nicht bloß, weil mit demselben das formale Band der Rechtseinheit aufgelöst wurde, welches bis dahin die deutschen Stämme verknüpft hatte, sondern noch mehr deshalb, weil die neuere Berggesetzgebung in den deutschen Staaten sich zum Teil sehr weit von den Grundlagen des deutschen Bergrechts entfernt hat. Das österreichische Berggesetz von 1854, das königlich sächsische Berggesetz von 1868, das großherzoglich sächsische Berggesetz von 1857 enthalten nicht wie die ältern Bergordnungen gemeines Recht, sondern jedes dieser Gesetze hat ein neues, eigentümliches Landesrecht geschaffen, und es ist nicht mehr möglich, aus diesen Gesetzen ein den verschiedenen Staaten gemeinsames Recht abzuleiten. Dies gilt auch von dem allgemeinen Berggesetz für die preußischen Staaten vom 24. Juni 1865, obgleich dasselbe strenger an den überlieferten Grundsätzen und Formen des deutschen Bergrechts festhält als seine oben genannten Vorgänger. Es bildet deshalb den geeigneten Ausgangspunkt für die Wiederherstellung der deutschen Rechtseinheit auf dem Gebiet des Bergrechts, möge dieselbe nun in der Gestalt eines allgemeinen deutschen Berggesetzes oder auch nur dadurch erreicht werden, daß die einzelnen deutschen Staaten bei der Erneuerung ihrer Berggesetze auf die thunlichste Übereinstimmmung ^[richtig: Übereinstimmung] mit den in dem preußischen Berggesetz angenommenen Grundsätzen Bedacht nehmen. Dies ist bereits in verschiedenen deutschen Staaten geschehen, so in den Berggesetzen für Bayern vom 20. März 1869, Braunschweig vom 15. April 1867, Elsaß-Lothringen vom 16. Dez. 1873, Württemberg vom 7. Okt. 1874, Hessen vom 28. Jan. 1876, ferner in Sachsen-Meiningen, -Gotha und -Altenburg, Anhalt, Reuß j. L. und Waldeck. In allen diesen Ländern ist das preußische Berggesetz nach dem größten Teil seines Inhalts unverändert angenommen und nur in denjenigen Abschnitten modifiziert worden, welche, wie die Verfassung der Bergbehörden und die Bergpolizei, in naher Beziehung zu der in den verschiedenen Staaten abweichend gestalteten Gesetzgebung des öffentlichen Rechts stehen. Wo im folgenden auf das preußische Berggesetz verwiesen wird, gilt diese Hinweisung zugleich für die in Bayern, Württemberg, Hessen etc. geltenden konformen Gesetze.

Aus der Litteratur des Bergrechts sind folgende Schriften hervorzuheben: Gmelin, Beiträge zur Geschichte des deutschen Bergbaues (Halle 1783); Th. Wagner, Corpus juris metallici recentissimi et antiquioris, Sammlung der neuesten und ältern Berggesetze (Leipz. 1791); Brassert, Bergordnungen der preußischen Lande, Sammlung der in Preußen gültigen Bergordnungen nebst Ergänzungen und Erläuterungen (Köln 1858); Hake, Kommentar über