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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bernacchi; Bernadotte; Bernalda; Bernard

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Bernacchi - Bernard.

Antonio B., geb. 1659, welcher ihm in seiner Münchener Stellung folgte und daselbst 1732 starb, ist ebenfalls als Komponist von Opern und verschiedenen Werken für die Kirche bekannt.

Bernacchi (spr. -nacki), Antonio, Sänger (Kastrat), geb. 1690 zu Bologna, wurde in der Schule des Pistocchi im Kunstgesang ausgebildet, sang bereits 1716-17 in London, wurde darauf an die kurfürstlich bayrische und später an die kaiserliche Hofkapelle in Wien berufen und 1729 von Händel aufs neue für London engagiert als der zur Zeit berühmteste italienische Sänger. Im J. 1736 kehrte er nach Bologna zurück und folgte hier seinem Lehrer in der Leitung jener ausgezeichneten Kunstgesangschule, welche im Lauf des Jahrhunderts ganz Europa mit Gesangsvirtuosen versah. Er starb im März 1756. Die 1834 von Manstädt veröffentlichte "Große Gesangschule des B. von Bologna" rührt nicht von B. her, sondern hat sich nur dessen Lehrmethode, soweit dieselbe durch Tradition erhalten ist, zum Muster genommen.

Bernadotte (spr. -dott), franz. Marschall, als König von Schweden und Norwegen: Karl XIV. Johann (s. d.).

Bernalda, Stadt in der ital. Provinz Potenza, Kreis Matera, am Basento und an der Eisenbahn von Torremare nach Salerno, mit (1881) 6940 Einw., die Getreide-, Baumwoll- und Safranbau treiben.

Bernard (spr. -nar), 1) Pierre Joseph, genannt Gentil-B., franz. Dichter, geb. 1710 zu Grenoble, erhielt seine Schulbildung bei den Jesuiten in Lyon und diente dann zu Paris bei einem Notar als Schreiber. Hierauf finden wir ihn bei dem italienischen Feldzug (1734), wo ihn der Marschall Coigny als Sekretär in seinen Dienst nahm; dessen Sohn verschaffte ihm bald nachher die sehr einträgliche Stelle eines Generalsekretärs der Dragoner. Nun konnte er seiner Neigung zur Poesie folgen und brachte 1737 die Oper "Castor et Pollux" auf die Bühne, welche mit Rameaus Musik allgemeinen Beifall fand. Man pries ihn als den französischen Anakreon; Madame de Pompadour ließ ihn zum königlichen Bibliothekar ernennen, und Voltaire gab ihm den Beinamen "Gentil", der ihm geblieben ist. Sein lascives Gedicht "L'art d'aimer" (nach Ovid) las er mit großem Erfolg in den Salons vor; als es aber schwarz auf weiß vorlag (1775, mit Bildern; neue Ausg. 1874), wurde es als geistlos und gesucht bald vergessen. Außerdem hat man von ihm das Ballett "Les surprises de l'amour", ein Gedicht in vier Gesängen: "Phrosine et Mélidor" (1772), und kleinere Gedichte, Episteln und Oden. Er starb 1. Nov. 1775, nachdem er schon in den letzten vier Jahren infolge seiner Ausschweifungen Anfälle von Geistesstörung erlitten hatte. Seine Werke (1776) sind wieder herausgegeben von Fayolle (1803, 2 Bde.).

2) Charles de, eigentlich Ch. B. du Grail de la Villette, franz. Schriftsteller, geb. 1805 zu Besançon, machte sich durch seine nach 1830 in verschiedenen Zeitschriften erscheinenden Romane einen berühmten Namen. Er starb 6. März 1850. Ein Schüler Balzacs in seinem Realismus und in der Feinheit psychologischer Charakterstudien, unterscheidet er sich von ihm durch Klarheit und Energie der Komposition und seinen eleganten, durchgebildeten Stil. Sein erster Roman: "Le Gerfaut" (1838, 2 Bde.), fand wegen der vorzüglichen Schilderung der litterarischen Welt großen Beifall. Viel gelesen (auch ins Deutsche übersetzt) wurden die Novellen: "La femme de quarante ans", "Un acte de vertu", "L'arbre de science", "Une aventure de magistrat"; die Romane: "Le nœud gordien" (1838, 2 Bde.), "Le Paravent" (1839, 2 Bde.), "Les ailes d'Icare" (1840, 2 Bde.), "La peau du lion et la chasse aux amants" (1841, 2 Bde.), "Un homme sérieux" (1843, 2 Bde.) u. a. Auch "Poesie" hat er herausgegeben: "Plus deuil que joie" (1832), und einige dramatische Versuche. Gesammelt erschienen: "Poésies et théâtre" (1855) und zwei Sammlungen der Novellen (1854).

3) Claude, Physiolog, geb. 12. Juli 1813 zu St.-Julien bei Villefranche, studierte in Paris Medizin, wurde 1854 Professor der allgemeinen Physiologie an der Universität und 1855 Professor der Experimentalphysiologie am Collège de France. Unter Napoleon III. gehörte er dem Senat an. Er starb 10. Febr. 1878 in Paris. Seine ersten Untersuchungen betrafen die Rolle, welche die verschiedenen Absonderungen im Magen und Darmkanal bei der Verdauung spielen. Es folgten dann andre Arbeiten über den Speichel, den Darmsaft und über die Einwirkung der Nerven auf die Verdauung, den Atmungsprozeß und den Blutumlauf. Er bewies, daß der Saft der Bauchspeicheldrüse das eigentliche Verdauungsmittel für die genossenen Fettstoffe ist, und machte in derselben Zeit die wichtige Entdeckung von der zuckerbereitenden Thätigkeit der Leber. Er wies ferner den Einfluß des Nervensystems auf die Thätigkeit der Leber nach, und es gelang ihm, durch experimentale Verletzung gewisser Nerventeile im Gehirn bei Tieren willkürlich die Krankheit der Zuckerharnruhr (Diabetes) zu erzeugen. 1852 publizierte er seine Arbeit über den sympathischen Nerv und über den Einfluß, den die Durchschneidung desselben auf die tierische Wärme ausübt. Seine "Leçons de physiologie expérimentale appliquée à la médecine" (Par. 1850, neue Aufl. 1865) sind hinsichtlich der methodischen Behandlung des Stoffes mustergültig und geben überall Andeutung, wie sich die Früchte der physiologischen Wissenschaft für die Heilkunde verwerten lassen. Er schrieb noch: "Leçons sur les effets des substances toxiques et médicamenteuses" (1857, 2. Aufl. 1883); "Introduction à l'étude de la médecine expérimentale" (1865), "Leçons de pathologie expérimentale" (1871); "Leçons sur les anesthésiques et sur l'asphyxie" (1875); "Leçons sur la chaleur animale, sur les effets de la chaleur et sur la fièvre" (1875; deutsch von Schuster, Leipz. 1876); "La science expérimentale" (1878); "Leçons de physiologie opératoire" (1879); "Leçons sur les phénomènes de la vie commune aux animaux et aux végétaux" (1879, 2 Bde.). Von seinen Vorlesungen über den Diabetes veranstaltete Posner eine deutsche Bearbeitung (Berl. 1878).

4) Montague, engl. Rechtsgelehrter, Autorität auf dem Gebiet des Völkerrechts, geb. 28. Jan. 1820 zu Tibberton Court (Gloucestershire), wurde auf dem Trinity College zu Oxford gebildet, wirkte seit 1844 im praktischen Justizdienst, bis ihm 1859 der neugegründete Lehrstuhl für internationales Recht und Diplomatie an der Universität Oxford übertragen wurde. 1871 ward er der Kommission beigegeben, die unter der Führung Lord Ripons nach Washington ging und mit den Vereinigten Staaten zur Schlichtung des Alabamastreits den Washingtoner Vertrag schloß. Nach seiner Rückkehr wurde er zum Mitglied des Geheimen Rats ernannt. 1872 verfaßte er in Gemeinschaft mit Sir R. Palmer die englische Staatsschrift, welche dem in Genf zur Regelung der Alabama-Forderungen der Vereinigten Staaten zusammengetretenen internationalen Schiedsgericht überreicht wurde. Nachdem er schon 1874 seine Professur niedergelegt, starb er 2. Sept. 1882 auf seinem