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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Berruguēte; Berruyer; Berry; Berryer; Berrykanal

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Berruguete - Berrykanal.

schwanger war; sie erklärte, daß sie in zweiter Ehe mit dem neapolitanischen Marchese Lucchesi-Palli vermählt sei. Dieses Eingeständnis brachte sie um ihre ganze politische Bedeutung, und die Regierung entließ sie ihrer Haft. Seitdem lebte sie mit ihrem zum Herzog della Grazia erhobenen Gemahl (gest. 1864) meist zu Brunnensee in Steiermark, wo sie 16. April 1870 starb. Vgl. "La captivité de la duchesse de B. Journal du docteur P. Ménière" (Par. 1882).

Berruguēte (spr. -ghēte), Alonso, span. Bildhauer, Maler und Architekt, geb. 1480 zu Parades de Nava, studierte in Florenz und Rom, wo er viel mit und nach Michelangelo und der Antike arbeitete. 1520 nach Spanien zurückgekehrt, ernannte ihn Karl V. zu seinem Maler und Bildhauer sowie zum Aufseher und Direktor der königlichen Bauten. B. schuf und schmückte in dieser Eigenschaft unter anderm den neuen königlichen Palast zu Granada, dessen Grundriß sowie der prächtige kreisförmige Hof im Innern mit seiner Kolonnade aus Breccienmarmor von dem ausgebildeten Geschmack des Künstlers zeugen. Der Erzbischof von Toledo übertrug ihm die Arbeiten im Großen Kollegium, das er zu Salamanca gründete, der Erzbischof von Cuenca die in der Galerie des Großen Kollegiums seines Erzbistums. Auch verfertigte B. den Altar der Kirche San Benito el Real zu Valladolid samt seinem plastischen und malerischen Schmuck. In der Kathedrale zu Toledo zierte er das Chor mit halb erhabenen Arbeiten; ein Meisterwerk ist die Verklärung Christi auf dem Berg Tabor am Hinterchor, aus einem einzigen Marmorstück gehauen. Sein letztes Werk ist das Grabmal des Kardinals Tavera im Hospital des heil. Johannes zu Toledo. Noch nennen wir unter Berruguetes Bauwerken die Casa del Ayuntamiento oder das Rathaus zu Sevilla, ein Muster des einfach-schönen Stils, welcher durch ihn statt der frühern Überladung in Spanien herrschend wurde. B. starb als Herr von Ventosa, einem Landsitz bei Alcala, 1561.

Berruyer (spr. berrüjē), Joseph Isaac, franz. Jesuit, geb. 1681 zu Rouen, starb im Profeßhaus zu Paris 1758. Großes Aufsehen veranlaßte er durch seine Geschichte des jüdischen Volkes: "Histoire du peuple de Dieu etc." (Par. 1727; neue Ausg., Besançon 1851, 10 Bde.), worin er die biblische Geschichte in so leichtfertiger und frivoler Weise behandelte, daß er großen Anstoß erregte. Trotzdem wurde das Buch erst 1758 von Benedikt XIV. verdammt.

Berry (Berri), ehemalige franz. Provinz (Herzogtum), umgeben von Touraine, Orléanais, Nivernais, Bourbonnais, Marche und Poitou, abgeteilt in Ober- und Unterberry, bildete ein eignes Gouvernement mit der Hauptstadt Bourges und gehört zu den fruchtbarsten Provinzen Frankreichs. Vor der Revolution umfaßte B. 11,233 qkm (204 QM.) mit 475,000 Einw.; jetzt bildet es den größten Teil der Departements Cher und Indre und einen kleinen Teil von Creuse, Loiret und Vienne (s. d.). Die Bewohner heißen Berrichons (Berruyers). Zur Zeit der Römer war B. (Biturica) von den Biturigern bewohnt, deren Hauptstadt Avaricum (Bourges) Cäsar eroberte. Um 475 kam B. an die Westgoten, welchen es die Franken unter Chlodwig entrissen. Nun wurde es durch Grafen und von 917 bis 1100 durch Vicomtes regiert, von welchen der letzte (Eudo Arpie) es an König Philipp I. verkaufte. In der Folge ward B. oft als Apanage den nächsten Verwandten der französischen Könige auf Lebenszeit verliehen und 1360 von König Johann II. zu gunsten seines dritten Sohns, Johann, zum Herzogtum erhoben; nach dessen Tod (1416) fiel es wieder an die Krone. Karl VII. gab es seinem Sohn Karl, Ludwig XI. seinem Bruder für die Normandie, Heinrich III. seinem Bruder, dem Herzog von Alençon, Heinrich IV. der Witwe Heinrichs III. Später erhielten Prinzen von königlichem Geblüt (oft solche, die später König wurden) nur noch den Titel eines Herzogs von B., ohne daß die Provinz wirklich von ihnen besessen wurde. Vgl. Raynal, Histoire de B. (Bourges 1845-47, 4 Bde.).

Berryer (spr. berrjē), Pierre Antoine, berühmter franz. Advokat und Redner, geb. 4. Jan. 1790 zu Paris, unterstützte, seit 1814 Advokat, bereits seinen Vater (1757-1841), der, ebenfalls Advokat, mit Dupin den Marschall Ney verteidigte. Er trat später noch in mehreren berühmten politischen Prozessen als Verteidiger auf, so 1826 für Lamennais, 1833 für Chateaubriand, 1840 für den Prinzen Ludwig Napoleon und 1858 für Montalembert; ebenso anerkannt war seine Thätigkeit in Zivil- und Kriminalprozessen. Seine Beredsamkeit, welche durch eine vornehme, edle Erscheinung und eine prachtvolle Stimme noch gehoben wurde, trat noch mehr in seiner politischen Thätigkeit hervor. Obgleich aufrichtiger Anhänger der Bourbonen, hielt er doch an freisinnigen Grundsätzen fest, besonders als Verteidiger der Presse, daher er 1829 für das Departement der obern Loire in die Kammer gewählt wurde. Nach der Julirevolution leistete er dem König Ludwig Philipp den Eid, ohne die Partei der Legitimisten zu verlassen. 1832 ward er beschuldigt, mit der Herzogin von Berri die Unruhen in der Vendée veranlaßt zu haben, aber von den Assisen zu Blois freigesprochen. Wegen seines Besuchs 1843 in London bei dem Herzog von Bordeaux trat er infolge einer in der Deputiertenkammer ihm zu teil gewordenen Rüge aus der Kammer, wurde jedoch von Marseille wieder gewählt. Nach dem Rücktritt des Ministeriums Thiers war er ein einflußreicher Gegner des Ministeriums Soult-Guizot. Nach der Februarrevolution in die Nationalversammlung gewählt, zählte er zu den Führern der aus der Vereinigung der frühern monarchischen Parteien bestehenden Majorität, hielt aber konsequent am Legitimitätsprinzip fest. Beim Staatsstreich im Dezember 1851 wurde er, weil er in der Versammlung auf der Mairie für Absetzung des Präsidenten Ludwig Napoleon gestimmt, verhaftet, doch bald wieder entlassen. Im Februar 1852 lehnte er jede Kandidatur zum Gesetzgebenden Körper ab und wurde Mitglied des Orléansschen Familienrats, in dem er besonders eine Vereinigung der beiden bourbonischen Linien zu stande zu bringen suchte. 1852 ward er Vorsteher des Pariser Advokatenstandes und 1854 Mitglied der Akademie, wobei er dem Kaiser die übliche Aufwartung verweigerte. 1863 nahm er wieder ein Mandat als Abgeordneter zum Gesetzgebenden Körper an, wo übrigens seine Beredsamkeit nicht mehr ganz den alten Eindruck machte. Er starb 29. Nov. 1868 auf seinem Landsitz La Brosse bei Paris. Berryers Reden erschienen gesammelt als "Discours parlementaires" (Par. 1872-74, 5 Bde.) und "Plaidoyers" (1875-78, 4 Bde.). 1879 ward sein Standbild im Justizpalast in Paris aufgestellt. Vgl. Janzé, Erinnerungen an B. (deutsch, Dresd. 1885).

Berrykanal, im mittlern Frankreich, geht aus der Loire unterhalb Revers nach Bourges (mit Seitenarm nach St.-Amand am Cher und Montluçon), von da am Cher entlang bis St.-Aignan, stellt somit eine 322 km lange Wasserstraße von der obern Loire nach Tours her und wurde 1841 vollendet. Er verbindet die Kohlenlager des Allier mit dem Thal des Cher und der Loire.