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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bestürzung; Bestūshew; Bestūshew-Rjumin

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Bestürzung - Bestushew-Rjumin.

scheinlichkeit, weil dadurch bei senkrechten Zielen die Fehler im Schätzen der Entfernung zum Teil ausgeglichen werden. Vgl. Flugbahn.

Bestürzung, der durch den plötzlichen Eintritt von etwas Unerwartetem und dabei Unangenehmem bewirkte Zustand des Gemüts, in welchem ihm die Besonnenheit (s. d.) geraubt und die Thatkraft gelähmt ist.

Bestūshew, Alexander, russ. Novellist, geb. 1795, Sohn des Staatsrats Alexander B. (gest. 1825), der als gouvermentaler Publizist unter Alexander I. thätig war, war als Gardeoffizier mit seinem Freunde, dem Dichter Rylejew, in die Militärverschwörung von 1825 (zu gunsten der Nachfolge Konstantins) verwickelt und sollte enthauptet werden; diese Strafe wurde jedoch zu 20jähriger Zwangsarbeit gemildert. 1829 erhielt er in Jakutsk die Erlaubnis, in die kaukasische Armee als Gemeiner einzutreten, wo er sich zum Offizier empordiente und im Juni 1837 bei Erstürmung der tscherkessischen Feste Ardler den Heldentod starb. Bekannter unter dem Pseudonym Marlinskij, unter welchem seine litterarischen Werke erschienen, gehört B. zu dem Kreis der bedeutenden Schriftsteller der Epoche Puschkins. Er gab mit Rylejew den ersten russischen Almanach: "Der Polarstern" ("Poljàrnaja Oswesdá", Petersb. 1823), heraus, an welchem sich außer Karamsin alle hervorragenden litterarischen Kräfte jener Zeit, Puschkin, Shukowskij, Fürst Wjasemskij, Delwig, Gneditsch etc., beteiligten, so daß das Buch mehrere Auflagen erlebte. Viel Aufsehen machte in diesem Almanach der an der Spitze desselben stehende Aufsatz von B.: "Ein Blick auf die alte und neue Litteratur in Rußland", worin namentlich die neuere Litteratur ziemlich treffend beleuchtet wird. Wichtiger noch ist Bestushews "Geschichte der russischen Litteratur", die mehrfach aufgelegt und übersetzt ward, und deren patriotische Wärme und geistreiche Kritik wohlthuend berührte. Ein Zusammentreffen des Berliner Reisenden Adolf Erman mit B. in Jakutsk veranlaßte letztern zu einer an Erman gerichteten, von Geist und Witz sprudelnden "Epistel", die in französischer Sprache geschrieben war und von B. selbst später ins Russische übertragen wurde. B. lieferte in rascher Folge eine große Anzahl novellistischer Arbeiten, die unter dem Titel: "Kaukasus" gesammelt erschienen und überall trotz der manchmal etwas ungeschlachten Form einen Dichter von nicht geringer Begabung verraten. Als sein Hauptwerk ist der Roman "Amaleth-Beg" hervorzuheben, der den Verrat eines Tscherkessenhäuptlings gegen Rußland schildert und sich besonders durch tiefpoetische Naturschilderungen und interessante Charakteristiken auszeichnet. Mehrere Produkte von B. übersetzte A. v. Seebach unter dem Titel: "Russische Novellen und Skizzen" (Leipz. 1837). Eine Gesamtausgabe seiner Werke im Russischen erschien zu Petersburg 1840 (deutsch von Löbenstein, Leipz. 1845, 4 Bde.) und ward seitdem mehrfach aufgelegt. Im J. 1860 erschien noch seine anziehende "Privatkorrespondenz", von Semewskij herausgegeben. - Von seinen drei Brüdern, die wie ihn 1825 das Los der Zwangsarbeit traf, erlebte nur der zweite, Michael, damals Kapitän beim Garderegiment Moskau, die Amnestie vom 7. Sept. 1856; der ältere, Nikolaus, war kurz zuvor (1855) in Selenginsk, der dritte, Peter, schon vor längern Jahren im Wahnsinn gestorben.

Bestūshew-Rjumin, 1) Michael Petrowitsch, Graf, russ. Diplomat, geb. 1688, ward zu Berlin erzogen, ging 1721 als Gesandter nach Stockholm, wo es ihm gelang, auf die Partei der Mützen gestützt, den russischen Einfluß zur Geltung zu bringen, 20 Jahre lang die schwedische Politik vollständig zu beherrschen und namentlich die Allianzverträge von 1724 und 1735 zum Abschluß zu bringen. Zugleich war er eifrig und mit großem Erfolg bemüht, Künstler und Handwerker zur Übersiedelung in russische Städte zu veranlassen. Als 1741 in Stockholm die Partei der Hüte das Übergewicht erhielt, ging er nach Rußland, wurde unter Elisabeth Großmarschall und übernahm der Reihe nach mehrere Gesandtschaften in Preußen, Polen, Österreich und (von 1756 bis 1760) in Frankreich. Er starb 1760. Seine Gemahlin, Schwester des in Ungnade gefallenen Grafen Golowkin, wurde der Teilnahme an einer Verschwörung Lapuchins gegen die Kaiserin Elisabeth 1743 beschuldigt, erhielt die Knute und ward, nachdem ihr die Zunge ausgeschnitten worden, nach Sibirien geschickt.

2) Alexei Petrowitsch, Graf, Bruder des vorigen, Großkanzler des Reichs und Feldmarschall, geb. 2. Juni 1692 zu Moskau, wurde in Deutschland erzogen, trat 1713 in kurbraunschweigischen, 1718 in russischen Dienst, wurde mit mehreren diplomatischen Missionen betraut und 1740 aus Birons Veranlassung an Wolynskijs Stelle zum Kabinettsminister ernannt. Der Sturz seines Gönners brachte auch ihn in Haft. Die Kaiserin Elisabeth setzte ihn aber wieder in Freiheit, erhob ihn zum Reichsvizekanzler, 1744 zum Großkanzler und überließ ihm die Leitung der Geschäfte fast ganz. In dieser Stellung zeigte er konsequente Feindseligkeit gegen Preußen, was der persönlichen Gesinnung der Kaiserin Elisabeth entsprach. Er hielt meist zu Österreich und beschleunigte durch militärische Demonstrationen zu gunsten dieser Macht den Abschluß des Dresdener (1745) und des Aachener Friedens (1748). Der Sturz des Grafen L'Estocq befestigte ihn in seiner Stellung. Er bewog die Kaiserin schon 1746 zu einem Bündnis mit Österreich und erneuerte dasselbe 1756, was zur Teilnahme Rußlands am Siebenjährigen Krieg führte. Da er aber bei einer Unpäßlichkeit der Kaiserin den General Apraxin, der bei Großjägersdorf gesiegt hatte, zurückrief, wie man glaubte, um den Wünschen des Großfürsten Peter, falls dieser den Thron bestiege, zu entsprechen, fiel er bei der wieder genesenen Elisabeth in Ungnade, wurde 1758 verhaftet und vor eine Untersuchungskommission gestellt, die ihn als des Hochverrats schuldig zum Tod verurteilte. Elisabeth erließ ihm zwar die Todesstrafe; er wurde jedoch aller Würden entsetzt und nach dem ihm gehörigen Flecken Gorelowo bei Moskau verwiesen. Erst Katharina II. rief ihn 1762 an den Hof zurück und ernannte ihn zum Feldmarschall; in der ersten Zeit ihrer Regierung war B. neben Panin ihr Hauptratgeber. Er starb 21. April 1766.

3) Michael, war Leutnant im Infanterieregiment Poltawa und leitete mit Murawjew nach Pestels Verhaftung 1825 den Ausbruch der Militärrevolution im Süden des Reichs, nachdem er schon früher mit Pestel an der Spitze der geheimen Vereine Rußlands gestanden, namentlich deren Vereinigung im panslawistischen Sinn mit den polnischen Vereinen betrieben und im Sommer 1821 diese Fusion der "vereinigten Slawen" im Lager vor Leschtschin in Wolhynien zu stande gebracht hatte. Nach Unterdrückung der Militärrevolution im Süden wurde er nach Petersburg gebracht und 25. Juli 1826 mit Pestel, Rylejew und Sergius Murawjew gehenkt.

4) Konstantin Nikolajewitsch, russ. Geschichtsforscher, geb. 1829, erhielt seine Schulbildung zu Nishnij Nowgorod, studierte in Moskau, war 1856 bis 1859 Mitarbeiter an der "Moskauer Zeitung"