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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Beuteltuch

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Beuteltuch.

muskels, welche vom Vorderrand des Beckens schräg nach unten ragen und auch bei den Arten mit nur wenig entwickeltem Beutel (s. unten) vorhanden sind. Ein andres Merkmal der B. ist das Fehlen eines bei allen übrigen Säugetieren vorhandenen Teils des Gehirns, des sogen. Hirnbalkens (corpus callosum); überhaupt ist das Gehirn, namentlich das Großhirn, sehr klein. - Alle B., mit Ausnahme von Perameles und Choroepus, haben Schlüsselbeine. Die Vorderbeine sind bei den springenden Beuteltieren sehr kurz, sonst lang und mit langen Krallen versehen; bei einigen Gattungen können die innern Finger den äußern ziemlich gegenübergestellt werden, so daß ein Greifen wie mit einer Hand möglich wird. Die Hinterbeine haben bei einigen freie, mit Krallennägeln versehene Zehen und einen zum Laufen geschickten Fuß; bei andern sind die mittlern Zehen miteinander verwachsen und mit dem Mittelfuß zu einem Springwerkzeug außerordentlich verlängert; noch andre besitzen vollkommene Greiffüße, an denen, wie bei den Affen, die große Zehe den übrigen entgegengestellt werden kann. Der Schwanz fehlt entweder, oder bleibt klein, oder ist sehr lang und wird dann als Stütze beim Sitzen oder als Wickelschwanz beim Klettern benutzt. Die Zitzen liegen an dem hintern Teil des Bauches in mehr oder minder großer Anzahl und sind verhältnismäßig von bedeutender Länge; alle zusammen werden sie entweder nur von einer einfachen Hautfalte oder von einer förmlichen Tasche (Beutel) umgeben, welche eine schlitzartige Öffnung hat. Die Weibchen besitzen zwei getrennte Scheiden, denen in der Regel die gespaltene Rute des Männchens entspricht. Die Hoden liegen vor der Rute in einem nach außen gestülpten Sack. - Die Jungen werden nach sehr kurzer Tragzeit außerordentlich klein und unreif geboren (beim Riesenkänguruh von Mannesgröße sind sie nur wenige Zentimeter lang, nackt, blind und besitzen erst die Anlagen der Füße); sie werden dann von der Mutter an die Zitzen gebracht und bleiben an diesen unter fortwährendem Saugen mitunter über ein halbes Jahr hängen, bis sie zu eigner Bewegung fähig sind. Hierbei wird ihnen das Atmen dadurch ermöglicht, daß der Kehlkopf nach oben verlängert und vom weichen Gaumen umfaßt wird, so daß die aus den Zitzen gesogene Milch zu beiden Seiten des Kehlkopfes in den Schlund und die Speiseröhre gelangen kann. Übrigens sondern sie während dieser Nährperiode, bei der sie erst ihre volle Gestalt erlangen, weder Kot noch Urin ab. Bei denjenigen Gattungen, welche statt des Beutels nur eine Hautfalte haben, hängen die Jungen anfangs auch an den Zitzen, bis sie sich mit ihren Schwänzen an dem Schwanz der Mutter festklammern und so auf dem Rücken derselben getragen werden können. - Fast alle B. sind nächtliche Tiere. Sie leben in allen bekannten Teilen des Australkontinents und der nördlich davon gelegenen Inseln sowie in Tasmania, eine einzige Gruppe kommt in einigen Teilen von Amerika vor. In einer frühern Periode der Erdgeschichte waren sie jedoch auch in Europa und ganz Amerika verbreitet, sind aber in Europa völlig ausgestorben und haben sich in Amerika nur dort erhalten, wo die großen Raubtiere fehlen. Mehrere Arten werden des Fleisches halber gejagt, viele sind schädlich, verwüsten die Hühnerställe und die Felder. Man kennt etwa 40 lebende Gattungen mit 150 Arten und bringt sie in acht Familien unter. Diese werden nach ihrer Lebensweise in Wurzel-, Frucht-, Kraut- und Fleischfresser eingeteilt (s. folgende Übersicht).

Übersicht der Beuteltiere.

i bedeutet Schneidezähne, c = Eckzähne, p = Prämolaren, m = Molaren (Backenzähne). Vgl. Gebiß.

I. Wurzelfresser (Rhizophaga, Nagebeutler, Glirina).

1. Familie: Wombate (Phascolomyidae). Plumpe Tiere mit Nagetiergebiß ^ i 1/1 c 0/0 p 1/1 m 4/4. Nur Phascomylis oder Wombat (s. d.) in Südaustralien und Tasmania; auch fossil in den Alluvialhöhlen Australiens.

II. Krautfresser (Poëphaga, Springbeutler, Macropoda).

2. Familie: Känguruhs (Halmaturidae). Gebiß dem der Pferde ähnlich i 3/1 c 0/0 oder 1/0 p 1/1 m 4/4; Vorderbeine bedeutend kürzer als Hinterbeine; letztere nebst dem starken Stemmschwanz zum Springen. Magen groß, am Darm ein langer Blinddarm. 10 Gattungen mit 56 Arten, in Australien und auf den benachbarten Inseln; von dort sind auch fossile Känguruhs bekannt, namentlich Diprotodon, von der Größe eines Elefanten. Wichtig: Känguruh (s. d., Macropus oder Halmaturus), Busch- oder Känguruhratte (Hypsiprynmus), von Hasengröße.

III. Fruchtfresser (Carpophaga, Kletterbeutler, Scandentia). Hinterfüße mit gegenstellbarer großer Zehe, also Greiffüße. Magen einfach, Blinddarm sehr groß.

3. Familie: Beutelbären (Phascolarctidae). Plump, Kopf dick, Schwanz verkümmert. An den Vorderfüßen die 2 innern Zehen den 3 äußern gegenstellbar. Gebiß: i 3/1 c 1/0 p 1/1 m 4/4. Nur Phascolarctus cinereus, der Koala (australisches Faultier, australischer Bär, s. d.), in Neusüdwales. Lebt von Wurzeln, Knospen etc.

4. Familie: Phalangen (Phalangistidae). Kleinere Tiere mit langem Greifschwanz. 7 Gattungen mit 26 Arten, gehen nördlich bis Celebes. Hierher unter andern: Tarsipes, von Mausgröße, saugt Honig; Petaurus, der Flugbeutler (s. d.), hat eine behaarte Flughaut.

IV. Fleischfresser (Rapacia). Gebiß dem der Insektenfresser oder Raubtiere ähnlich.

5. Familie: Beuteldachse (Peramelidae). Gebiß: i 5/3 c 1/1 p 3/3 m 4/4. Hinterbeine viel länger als Vorderbeine, daher zum Springen geeignet. 3 Gattungen mit 10 Arten, in Australien und den Nachbarinseln. S. Beuteldachs.

6. Familie: Ameisenfresser (Myrmecobiidae). Gebiß mit jederseits sechs Backenzähnen. Schnauze lang und spitz. Beutel nicht entwickelt. Nur Myrmecobius fasciatus im Süden und Westen Australiens.

7. Familie: Beutelmarder (Dasyuridae). Raubtiergebiß; Hinterfüße vierzehig. 10 Gattungen mit 30 Arten, in Australien und den benachbarten Inseln; hierher unter andern: Thylacinus, der Beutelwolf (s. d.), Dasyurus, der Beutelmarder (s. d.), Phascologale, das Beutelwiesel (die kleinste Art, Ph. minutissima, wird nur 6,5 cm lang).

8. Familie: Beutelratten (Didelphyidae). Mittelgroße Tiere mit großen Augen und Ohren, meist mit Greifschwanz, daher gute Kletterer, zumal an den Hinterfüßen die große Zehe gegenstellbar ist. Gebiß: i 5/4 c 1/1 p 3/4 m 4/3. 3 Gattungen mit über 20 lebenden Arten, nur in Amerika vom 42.° südl. Br. bis zum Hudson, am zahlreichsten in Brasilien. Hierher: Didelphys virginiana, die Beutelratte (s. d.) oder Opossum, D. cancrivora, der Krabbenbeutler, D. dorsigera, die Äneasratte, etc. Chironectes, der Schwimmbeutler, mit Schwimmhäuten an den Hinterzehen, in Brasilien und Guayana. Fossil 7 Arten von Didelphys in Brasilien, ferner Peratherium in Europa.

Von ausgestorbenen Beuteltieren sind noch zu erwähnen die Gattung Thylacoleo, der Beutellöwe, von bedeutender Größe, in Australien, ferner Phascolotherium und Thylacotherium (s. Tafel "Juraformation II"), beide aus England und wahrscheinlich den Myrmecobiidae nahe verwandt. Vgl. Owen, Marsupialia (Lond. 1842); Waterhouse, Marsupialia (das. 1846); Gould, Mammals of Australia (das. 1863-74).

Beuteltuch (Siebtuch, Müller- oder Beutelgaze, Siebleinwand), durchsichtiges, gazeartiges Gewebe von Baumwolle, Leinen, Haaren, Wolle oder Seide, aus starken, fest gedrehten Fäden