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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bier

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Bier (altbayrische und böhmische Braumethode).

land, auch hier und da in Bayern und Baden gebräuchlich ist, wird das Malz je nach der Jahreszeit mit Wasser von 50-75° eingeteigt und nach einiger Zeit durch den ersten Aufguß von siedendem Wasser auf die Maischtemperatur gebracht. Man läßt das Wasser durch ein am Boden des Maischbottichs einmündendes Rohr (Pfaffe) langsam zufließen, damit keine Kleisterbildung eintritt, mischt sorgfältig und erhält die Maische einige Zeit auf der erreichten Temperatur, weil die Bildung von Dextrin und Zucker nur allmählich erfolgt. Nach etwa 1 Stunde wird die Würze abgezapft, der zweite Aufguß darauf gebracht, nach ½-1 Stunde wiederum die Würze gezogen und so auch noch ein dritter Aufguß gewonnen. Die drei Aufgüsse werden entweder vermischt, oder man bereitet aus dem dritten (auch wohl vierten) schwächeres, Kofentbier, oder aus dem ersten und einem Teil des zweiten ein stärkeres Luxusbier (März-, Doppelbier) etc. Das Infusionsverfahren gewährt eine sehr vollständige Ausnutzung der Materialien und bedeutende Ersparnis an Brennstoff und Arbeit. Es liefert eine an gelösten und leicht veränderlichen eiweißartigen Stoffen reiche Würze, welche leicht sauer wird. Diese Gefahr ist geringer bei Bereitung sehr starker Biere und bei Anwendung von Darrmalz zu Braunbieren als von Luftmalz zu Weißbieren. Die Würze ist sehr vergärungsfähig, und mittelstarke Biere werden daher leicht weinartig. Manche Biere, wie das Berliner Weißbier und der hannöversche Broyhan, verdanken ihre Eigentümlichkeit zum Teil der Säurebildung (Milch-, Propion- und Buttersäure) in der nach dem Infusionsverfahren hergestellten Würze, und solche Biere, welche schon wenige Tage nach der Bereitung trinkbar sein sollen, können kaum auf andre Weise gewonnen werden.

Nach dem altbayrischen oder Münchener Brauverfahren (Dickmaischbrauerei), welches auf dem europäischen Kontinent das verbreitetste ist und die Grundlage des bayrischen, Wiener und böhmischen Verfahrens bildet, wird die zum Sud erforderliche Wassermasse (der Guß) geteilt. Zwei Drittel dienen zum Einteigen des Malzschrotes, das letzte Drittel wird nach 2-4 Stunden siedend heiß hinzugefügt, so daß die Temperatur auf 30-40° steigt. Nun wird etwa die Hälfte der Maische in der Braupfanne gekocht (für Schenkbier, welches noch in den Wintermonaten verbraucht wird, 30, für Sommer- oder Lagerbier 75 Minuten) und in den Maischbottich zurückgebracht. Von der hierdurch auf etwa 50° erwärmten Maische kocht man eine zweite Portion (für Schenkbier 45, für Lagerbier 60 Minuten), welche, in den Maischbottich zurückgebracht, die Temperatur auf 60-62° erhöht; dann wird die Maische gut durchgearbeitet und zum Schluß nur der dünnere Teil derselben (Lautermaische) 15 Minuten gekocht und in den Bottich zurückgebracht, wodurch die Maische eine Temperatur von 72-75° erhält. Man läßt sie nun bedeckt 1½-2 Stunden stehen und zieht dann die Würze. Auf die Treber aber bringt man wieder heißes Wasser (Anschwänzen), zieht nach 1 Stunde die zweite Würze, welche für sich oder mit der ersten vermischt verarbeitet wird, und bereitet noch eine dritte Würze, die das Nachbier (Schöps, Heinzeln, Dünnbier) liefert. Eine vierte Würze (Glattwasser) wird auf Branntwein und Essig verarbeitet, die teigartige Masse, welche sich aus den mehligen Teilen des Malzes bildet und auf den Trebern beim Maischen absetzt (Malzteig), benutzt man zur Brotbereitung, und die Treber dienen als Viehfutter. Obwohl durch das wiederholte Kochen eines Teils der Maische eine große Menge Diastase zerstört wird, bleibt doch immer noch genug übrig, um die vollständige Verzuckerung der Stärke herbeizuführen. Einen größern Dextringehalt der Würze erreicht man aber durch das Dickmaischverfahren nicht, während es anderseits viel Arbeit und Brennmaterial konsumiert. Dagegen verleiht das längere Kochen der Dickmaische über freiem Feuer (im Gegensatz zur Dampfkochung) der Flüssigkeit die beliebte Vollmundigkeit und Klebrigkeit, auch säuern die Würzen weniger leicht, sind weniger vergärungsfähig und liefern Biere, welche nach der Hauptgärung von selbst klar werden, es lange Zeit bleiben und in Rücksicht auf ihre Stärke haltbarer sind als die nach der Infusionsmethode bereiteten. Nachdem böhmischen Verfahren, welches in den meisten Brauereien Österreichs und im östlichen Deutschland üblich ist, wird das eingeteigte Schrot durch kochendes Wasser auf 35-38° gebracht, dann etwa ein Viertel der Maische zum Kochen erhitzt etc. Man kocht aber weniger lange, kocht bisweilen auch nur zwei Dickmaischen, hält aber jede derselben vor dem Sieden 20-30 Minuten bei einer Temperatur zwischen 65 und 75°. Ein scharfer Unterschied läßt sich zwischen bayrischer und böhmischer Methode nicht machen, da beide in mannigfachen Variationen zur Ausführung kommen. Die Vorteile des Infusionsverfahrens und des altbayrischen finden sich zum Teil vereinigt in dem Brauen auf Satz, welches in Augsburg, Ansbach, Erlangen, Nürnberg, Kulmbach, Kitzingen gebräuchlich ist und bei kleinerm Betrieb ein feineres Produkt liefern soll. Man bereitet zuerst einen Malzauszug mit kaltem, dann einen zweiten mit heißem Wasser, erhitzt beide zum Sieden und bringt sie in den Maischbottich zurück. Die nun abgezogene Würze wird längere Zeit gekocht, abermals in den Maischbottich gebracht etc. Diese Methode ist offenbar ebenso unrationell wie das Dickmaischkochen und konnte nur in einer Zeit sich Eingang verschaffen, als man die chemischen Vorgänge beim Maischen noch nicht verstand.

Da die im Malz enthaltene Diastase bedeutend mehr Stärkemehl in Dextrin und Zucker zu verwandeln vermag, als in der gemalzten Frucht vorhanden ist, kann man ohne wesentliche Beeinträchtigung der Güte des Biers einen Teil des Malzes durch rohes Getreide oder durch gewisse andre stärkemehlhaltige Substanzen ersetzen. Dies Verfahren gewährt aber wesentliche Vorteile, denn 60 Teile Gerste liefern ebensoviel Extrakt wie 50 Teile Malz, welche aus 62,5 Teilen Gerste gewonnen werden, und Mais und Weizen, die sich außer Gerste am besten als Zusatz eignen, geben 70-72 Proz. Extrakt. In der That ist die ausgedehnte Verwendung von rohem Getreide neben Malz in Belgien seit langer Zeit üblich. Die Anwendung von Getreide, selbst in ganzen Körnern, dürfte erheblich durch das Verfahren von Hatschak und Hollefreund erleichtert werden, nach welchem das Getreide in einem Kessel unter hohem Dampfdruck aufgeschlossen und gekocht, dann aber durch Erzeugung eines luftverdünnten Raums und weitere Abkühlung auf 60° gebracht und nun mit Malz versetzt wird. Bei Anwendung von Kartoffeln muß man einen Teil des Malzes zur möglichsten Schonung seiner zuckerbildenden Kraft sehr schwach darren und die Temperatur beim Maischen sehr langsam steigern, damit sich kein Kleister bilde; man arbeitet daher am besten nach dem Infusionsverfahren, die Kartoffeln werden zerrieben und durch Auslaugen vom Fruchtwasser befreit, oder man scheidet zunächst das Stärkemehl ab, was zwar nicht ohne Verlust ge-^[folgende Seite]