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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Blutspat - Blutung.

Blutspat soll dem Sprachgebrauch zufolge eigentlich eine variköse Ausdehnung der innern Hautvene an den Hinterschenkeln der Pferde und zwar an derselben Gegend des Sprunggelenks, an welcher der Spat sich ausbildet, darstellen. Ein solches Übel kommt aber erfahrungsgemäß nicht vor. Irrtümlich wird oft eine frisch entstandene oder auch überhaupt eine geringfügige Sprunggelenkgalle B. genannt.

Blutspeien, s. Bluthusten.

Blutstag, s. v. w. Fronleichnamsfest (s. d.).

Blutstaupe, s. Blutseuche.

Blutstein, s. Roteisenerz. ^[richtig: Roteisenstein.]

Blutstillende Mittel (Haemostatica, Styptica), s. Blutung.

Blutstockung (Stasis), eine Teilerscheinung vieler entzündlicher Vorgänge, folgt auf die der Entzündung vorausgehende Blutüberfüllung des betreffenden Organs oder Gewebes. Die B. kann aber auch längere oder kürzere Zeit bestehen, ohne daß es zu Ernährungsstörungen und zur Entzündung des betroffenen Teils kommt. Eine direkte Beobachtung der B. im Beginn der Entzündung ist möglich, wenn man die Zunge oder die Schwimmhaut oder das Netz eines Frosches mit Essigsäure betupft und dann längere Zeit mit dem Mikroskop betrachtet. Am Menschen ist sie bis jetzt nur in sehr unvollkommenem Maß durch die von Hüter angegebene Cheilangioskopie, die mikroskopische Beobachtung der Lippenschleimhaut bei auffallendem elektrischen Licht, möglich.

Blutsturz, s. Blutung.

Blutsucht, s. Bluterkrankheit.

Blutsverwandtschaft, s. Cognatio, Verwandtschaft.

Bluttaufe, s. Märtyrer.

Bluttier, s. Viehzucht.

Blutumlauf, s. Blutbewegung.

Blut und Eisen, ein schon früher bei Dichtern etc. sich findender Ausdruck, der besonders seit Bismarcks Rede in der Budgetkommission des preußischen Abgeordnetenhauses 30. Sept. 1862 zum geflügelten Wort und namentlich für die Gegner der Bismarckschen Politik zum Schlagwort wurde.

Blutung (Haemorrhagia), das Austreten von Blut aus den natürlichen Röhren und Gefäßen, welches, wenn es nur tropfenweise geschieht, Stillicidium sanguinis, wenn es aber in kurzer Zeit in bedeutender Menge stattfindet, Blutfluß oder Blutsturz wird. Jeder größere Blutaustritt setzt eine Verletzung der Blutgefäßwand voraus, so daß das Blut aus dem geöffneten Gefäß ausströmen kann (Extravasation des Bluts). Indessen hat man neuerdings durch Versuche und direkte mikroskopische Beobachtung festgestellt, daß namentlich kleinere Blutungen auch ohne Gefäßzerreißung entstehen können, nämlich auf die Art, daß die Blutkörperchen durch die unverletzte Gefäßwand gleichsam durchsickern (B. per diapedesin). Man unterscheidet arterielle, venöse und kapilläre Blutungen, je nachdem das Blut aus einer Arterie, einer Vene oder aus den feinsten Haargefäßen austritt. Die B. ist im allgemeinen um so reichlicher, je größer das blutende Gefäß, je stärker der in ihm herrschende Blutdruck, je größer die Ausflußöffnung und je geringer die Widerstände sind, welche dem Abfließen des Bluts entgegenstehen; doch gibt es mannigfache Abweichungen. Reißt z. B. die Herzwand selbst oder eine krankhaft erweiterte Aorta, so tritt im ersten Fall nur so viel Blut aus, als der Herzbeutel fassen kann, während im andern Fall die Menge je nach der Lage des Durchbruchs viel reichlicher, d. h. augenblicklich tödlich, zu sein pflegt; die Verletzung einer großen Vene ist zuweilen mit weniger Blutverlust verbunden als eine auf Durchsickern beruhende sogen. parenchymatöse B. des Darms, wie sie bei gewissen Störungen im Pfortaderkreislauf oder bei Phosphorvergiftung nicht so gar selten beobachtet wird. Praktisch wichtig ist ferner die Unterscheidung in innere (verborgene) und äußere B. Bei der äußern B. kommt das extravasierte Blut zum Vorschein, indem es sich auf der Haut, durch Nase, Mund, Mastdarm, Mutterscheide etc. entleert. Bei der innern B. dagegen kommt das Blut nicht zum Vorschein, sondern bleibt in den natürlichen Höhlen und Kanälen des Körpers zurück, oder es liegt in den Geweben der verschiedenen innern Organe. Das frei hervortretende Blut ist häufig gemischt mit dem Sekret gewisser Drüsen (z. B. mit Harn) oder mit dem auf den betreffenden Schleimhäuten abgesonderten Schleim, Eiter etc. Das in die Gewebe extravasierte Blut zeigt sich in verschiedenen Formen: entweder kommen zahlreiche ganz kleine, etwa nur stecknadelkopfgroße Blutaustritte (sogen. Ekchymosen oder Petechien) vor, welche gelegentlich in allen möglichen Geweben und Organen angetroffen werden; oder es findet eine mehr flächenartige Blutunterlaufung (sogen. Suffusion, Sugillation) statt; oder das in etwas größerer Menge ergossene Blut bildet durch Infiltration in einem weichen Gewebe sogen. Blutknoten oder hämorrhagische Infarkte; oder das Blut drängt die Gewebe auseinander und stellt sich als Blutgeschwulst (Hämatom) dar; oder endlich das reichlicher ergossene Blut zertrümmert die weichen Parenchyme gewisser Organe und stellt einen sogen. apoplektischen Herd oder eine Blutlache dar. Das Blut, welches nach innern Blutungen in den Organen liegen bleibt, wird sehr häufig nach kürzerer oder längerer Zeit, nachdem die Blutkörperchen zu einem feinkörnigen Fettbrei zerfallen sind, resorbiert. Indessen bleibt nicht selten etwas körniger brauner oder kristallinischer Blutfarbstoff (Hämatoidin oder Bilirubin) an der Stelle der frühern B. zurück. War die B. größer, so trocknet das ergossene Blut ein, gerinnt, wird blaß, nimmt eine graugelbe Farbe an und zerfällt schließlich ebenfalls zu einem Detritus, der entweder gleichfalls resorbiert, oder mit Kalksalzen durchsetzt wird und als steinige Masse liegen bleibt. Unter gewissen Umständen tritt Verjauchung, d. h. Fäulnis des ergossenen Bluts, und infolge davon später gewöhnlich der Tod ein. An der Stelle eines in ein Parenchym eingetretenen Blutergusses bleibt nach der Aufsaugung des letztern häufig eine Narbe oder ein cystenähnlicher, mit klarer, wässeriger Flüssigkeit erfüllter Hohlraum (sogen. apoplektische Cysten) zurück. Die meisten Formen der B. werden schon durch ihren Namen unterschieden: Blutbrechen, Bluthusten, Nasenbluten, Hämorrhoidalblutung, Blutharnen, Mutterblutfluß etc.

Was die Ursachen der B. anbetrifft, so sind es am häufigsten äußere, auf die Blutgefäße einwirkende Schädlichkeiten, welche dazu Veranlassung geben: vor allen Dingen Wunden und Verletzungen jeder Art, sodann Wegnahme des äußern Luftdrucks von den Gefäßen, z. B. beim Aufsetzen der trocknen Schröpfköpfe oder beim Besteigen sehr hoher Berge, weiterhin starke und plötzliche Muskelbewegungen beim Husten, Niesen, Stuhlgang etc., endlich die Eröffnung der Gefäße durch benachbarte Geschwüre, welche die Gefäßwand anfressen, etc. In andern Fällen liegt die Ursache der B. darin, daß die Blutgefäßwände krankhafte Texturveränderungen erlitten haben und daher dem Druck des in ihnen strömenden Bluts nicht den