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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bocca della verità; Boccage; Boccale; Boccárdo; Bocca-Tigris; Bocche; Boccherini

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Bocca della verità - Boccherini.

(Stuttg. 1855). Eine Übersicht der Ausgaben gibt Passano, "I novellieri italiani in prosa" (2. Ausg., Turin 1878); über die Quellen handeln Landau in "Quellen des Dekameron" (2. Aufl., Stuttg. 1884) und Bartoli, "I precursori del B. e alcune delle sue fonti" (Flor. 1876). Boccaccios "Opere complete" gab Moutier heraus (Flor. 1827-33, 17 Bde.), eine Auswahl in deutscher Übersetzung Röder ("Boccaccios Romane und Novellen", Stuttg. 1844, 4 Bde.). -

In lateinischer Sprache schrieb B. außer verschiedenen mythologischen und historischen Abhandlungen: "De genealogia deorum", 15 Bücher; "De montibus, silvis, fontibus, fluminibus, stagnis etc.", in alphabetischer Ordnung; "De casibus virorum et feminarum illustrium"; "De claris mulieribus"; 16 Eklogen, Briefe u. a. Vgl. Hortis, Studj sulle opere latine del B. (Triest 1879).

Über Boccaccios Leben schrieben Manetti (hrsg. von Mehus), Manni (in der "Storia del Decamerone", Flor. 1742), Mazzuchelli, Tiraboschi und namentlich Graf Baldelli (das. 1806). Neue Aufschlüsse gibt das Memorandumbuch Boccaccios, welches Ciampi in Florenz aufgefunden und als "Monumenti d'un manuscritto autografo di Giovanni B." (Flor. 1827) herausgegeben hat. Vgl. Landau, B., sein Leben und seine Werke (Stuttg. 1877); Körting, Boccaccios Leben und Werke (Leipz. 1880).

Bocca della verità (ital., "Mund der Wahrheit"), Name einer kolossalen antiken Brunnen- oder Kloakenmaske (aus der spätern Kaiserzeit), welche in der Vorhalle der Kirche Maria in Cosmedin zu Rom steht, und an die sich die mittelalterliche Sage knüpft, daß die alten Römer, wenn sie Eide schwuren, in das Mundloch derselben die Hand stecken mußten, die dann, wer falsch schwur, nicht wieder herauszuziehen vermochte. Die Maske, nach welcher das Volk noch heute die Kirche selbst wie den ganzen Platz mit dem gleichen Namen benennt, galt für eins der Wunderwerke des Zauberers Virgil. In Venedig dienten ähnliche Masken als öffentliche Briefkasten, durch welche man Bittschriften und Denunziationen an die obersten Gewalthaber beförderte.

Boccage (spr. -kahsch). Marie Anne Fiquet du, geborne Lepage, franz. Dichterin, geb. 22. Okt. 1710 zu Rouen, versuchte sich früh in der Poesie, begleitete ihren Gemahl auf seinen Reisen durch England, Holland und Italien, erlangte bald eine große Berühmtheit, besonders durch Voltaires und Fontenelles Anerkennung, und wurde Mitglied der Akademien von Rouen, Lyon, Bologna, Padua und der Arkadier zu Rom. Ihrem Geist und ihrer Schönheit galt das Wort: "Forma Venus, arte Minerva". Sie starb 8. Aug. 1802. Unter ihren "OEuvres poétiques" (Lyon 1762, 3 Bde.) sind hervorzuheben: eine Nachahmung des "Verlornen Paradieses" (1748); "La mort d'Abel"; "La Colombiade" (1756) und "Les Amazones" (1749), eine Tragödie. Schon zu ihren Lebzeiten jedoch wurden ungünstigere Urteile über sie laut; heute ist sie fast vergessen. Am interessantesten sind noch ihre "Lettres" an ihre Schwester.

Boccale (ital., "Krug"), altes Flüssigkeitsmaß für Wein, Branntwein, Öl, besonders in Ober- und Mittelitalien gebräuchlich; 1 B. zu Ancona = 1,46 Lit.; zu Bologna = 1,31 L.; zu Florenz = 1,14 L.; zu Mailand = 0,787 L.; zu Rom = 1,82 L.; zu Triest = 1,83 L.; zu Turin = 0,68 L.

Boccárdo, Gerolamo, ital. Nationalökonom, geb. 16. März 1829 zu Genua, lenkte schon frühzeitig durch seine Arbeiten die Aufmerksamkeit Cavours auf sich und ist gegenwärtig Professor der Nationalökonomie an der Universität seiner Vaterstadt und Senator des Königreichs. Seine schriftstellerische Thätigkeit ist eine ebenso reiche wie vielseitige. Außer seinem verbreiteten Hauptwerk, dem "Trattato teorico-pratico di economia politica" (6. Aufl., Tur. 1880, 3 Bde.), veröffentlichte er eine "Storia del commercio", ein "Dizionario dell' economia politica e del commercio" (1874 ff., 4 Bde.), "Note e memorie di un economista" (1873), "Dell' applicazione dei metodi quantitativi alle scienze economiche" (1875), "Le banche ed il corso forzato" (1879), "Sul riordinamento delle banche in Italia" (1881), schrieb über Handelsrecht, mehrere Geschichtswerke ("Antichità romane e greche"; "Corso di storia universale" 5 Bde.; "Feste, giuochi e spettacoli") und Naturwissenschaftliches ("La natura e l'uomo", "Fisica del globo", "La terra e la sua progressiva conquista"). B. leitet auch die noch im Erscheinen begriffene neue Ausgabe der großen "Nuova enciclopedia italiana" und gibt die "Biblioteca dell' economista" heraus.

Bocca-Tigris (chines. Humen, "Tigerpforte"), Name der ungefähr 4 km breiten Mündung des Sikiang (hier Kantonfluß genannt) in China, innerhalb welcher neben andern Felseneilanden die Tigerinsel liegt; sie führt in den eigentlichen Strom, an welchem einige Meilen aufwärts die Stadt Kanton liegt, und wird durch zahlreiche von den Chinesen mit Eisenplatten belegte und mit Kruppschen Kanonen armierte Befestigungsanlagen beherrscht.

Bocche (ital.), s. Bocca.

Boccherini (spr. bokke-), Luigi, Komponist, geb. 19. Jan. 1743 zu Lucca, erhielt hier den ersten Unterricht in der Musik von seinem Vater und dem Abt Vanucci und erlangte besonders auf dem Violoncello eine große Fertigkeit. Nachdem er sich zu seiner weitern Ausbildung eine Zeitlang in Rom aufgehalten, begab er sich mit seinem Landsmann Filippino Manfredi nach Paris, wo er seine ersten Kompositionen (Trios für Streichinstrumente) mit vielem Beifall zur Ausführung brachte. Von da ging er 1768 nach Madrid, trat hier zuerst in die Kapelle des Infanten Don Luiz ein und wurde nach dessen Tod 1785 als königlicher Hofkomponist angestellt. Den gleichen Erfolg wie am spanischen Hof hatten seine Kompositionen beim preußischen König Friedrich Wilhelm II., der ihm 1787 einen lebenslänglichen Jahresgehalt aussetzte unter der Bedingung, jährlich einige Kammermusikwerke für ihn zu komponieren. Gegen Ende des Jahrhunderts jedoch verschlechterten sich seine Verhältnisse; die Zahlung der ihm vom König von Preußen bewilligten Pension hörte mit dessen Tod (1797) auf, und um dieselbe Zeit sah er seine Stellung in Madrid durch einen Rivalen, den Violinisten und Komponisten Gaetano Brunetti, gefährdet, der es durch seine Ränke dahin zu bringen wußte, daß B. von seiten des Hofs mehr und mehr vernachlässigt wurde. So kam es, daß der treffliche, auch als Mensch hochachtbare Künstler in seinen letzten Lebensjahre mit Mangel zu kämpfen hatte und in den dürftigsten Verhältnissen starb (28. Mai 1805). Seine musikalische Hinterlassenschaft besteht, ein "Stabat mater" und einige kleinere Gesangstücke ausgenommen, lediglich in Kammermusik: Trios, Quartetten und Quintetten für Streichinstrumente, in denen häufig das Violoncello die Hauptrolle spielt; dieselben stehen hinsichtlich der durchweg originalen Erfindung wie auch der formalen Abrundung den Streichquartetten. Haydns auffallend nahe, und seine Landsleute haben volles Recht, sein Andenken als des letzten Vertreters der gediegen