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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Böhmer

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Böhmer.

Abgeordneten im Reichsrat eine einflußreiche Rolle spielten, errangen sie 1883 bei den Landtagswahlen den Sieg über die Deutschen und damit die Majorität im Landtag. Im Siegesübermut begingen die Tschechen vielfache Gewaltthätigkeiten gegend die Deutschen und verdrängten sie aus möglichst vielen Behörden und Körperschaften, so daß die Deutschen sich zum Schutz ihrer Nationalität zur Forderung der Teilung Böhmens in einen deutschen und einen tschechischen Teil gedrängt sahen. Die Tschechen und die ihnen günstig gesinnte Regierung weigerten sich freilich, hierauf einzugehen.

Vgl. Quellensammlungen zur Geschichte Böhmens von Dobner (1764-85, 5 Bde.), Pelzel und Dobrowsky (1782-84, 2 Bde.; Bd. 3 hrsg. von Palacky); "Fontes rerum bohemicarum" (Prag 1871 ff.); Schlesinger, Deutsche Chroniken aus B. (Prag u. Leipz. 1879 ff.); Regesten von Erben und Emler (Prag 1855 ff.); die Herausgabe der Landtagsakten ist begonnen. Ferner: Pelzel, Geschichte der Böhmen (4. Aufl., Prag 1817); Jordan, Geschichte des böhmischen Landes und Volkes (Leipz. 1845-47, 3 Bde.); Palacky, Geschichte Böhmens (Bd. 1-5, Prag 1836-67; ursprünglich deutsch, dann auch tschechisch herausgegeben, reicht bis 1526; wiederholt abgedruckt, Hauptwerk für die Geschichte Böhmens); Frind, Kirchengeschichte Böhmens (das. 1862-78, Bd. 1-4); Tomek, Geschichte Böhmens (tschech., das. 1863; deutsch 1864); H. Jirecek, Das Recht in B. und Mähren, geschichtlich dargestellt (das. 1866); Kalousek, Einige Grundlagen des böhmischen Staatsrechts (2. Aufl., das. 1871); Toman, Das böhmische Staatsrecht 1527 bis 1848 (das. 1872); Pernice, Die Verfassungsrechte der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (Halle 1872); "Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in B." und die von diesem herausgegebenen "Beiträge zur Geschichte Böhmens"; Schlesinger, Geschichte Böhmens, herausgegeben von demselben Verein (2. Aufl., Prag u. Leipz. 1870). Über die jüngsten Phasen des böhmischen Verfassungsstreits vgl. G. Rehner (Pseudonym), Im Donaureich (Prag 1876); "Von der gegenwärtigen politischen Situation des böhmischen Volkes" (3. Aufl., das. 1878).

Böhmer, 1) Johann Friedrich, deutscher Geschichtsforscher, geb. 22. April 1795 zu Frankfurt a. M., studierte in Heidelberg und Göttingen die Rechte, wandte sich aber bald geschichtlichen Studien zu. Nach längerm Aufenthalt in Italien ward er 1822 Bibliothekargehilfe und Mitadministrator des Städelschen Kunstinstituts, 1823 Sekretär der Gesellschaft für Deutschlands ältere Geschichte, 1825 Archivbeamter und 1830 erster Bibliothekar in Frankfurt. In Italien für die Romantik gewonnen, schwärmte er für das Mittelalter, haßte Preußen und den Protestantismus als Ursachen der deutschen Zerrissenheit und hatte eine lebhafte Vorliebe für Österreich und die katholische Kirche, obwohl er nicht zu ihr übertrat. Die wissenschaftlichen Arbeiten Fremder freigebig unterstützend, widmete er sich selber vorzugsweise der Sammlung der Quellen der mittelalterlichen Geschichte Deutschlands und durchforschte zu diesem Behuf Bibliotheken und Archive Deutschlands, Italiens, Frankreichs und der Niederlande. Als Resultat dieser seiner Bemühungen erschienen zuerst: "Urkunden der römischen Könige und Kaiser von Konrad I. bis Heinrich VII., 911-1313, in kurzen Auszügen" (Frankf. 1831); dann: "Die Reichsgesetze von 900 bis 1400" (das. 1832); "Urkunden sämtlicher Karolinger" (das. 1833); "Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt" (das. 1836, Bd. 1); "Urkunden Ludwigs des Bayern, König Friedrichs des Schönen und König Johanns von Böhmen" (das. 1839; mit 3 Ergänzungsheften, das. 1841, Leipz. 1846 und Innsbr. 1865); ferner: "Regesten des Kaiserreichs unter Heinrich Raspe, Wilhelm, Richard, Rudolf, Albrecht und Heinrich VII., 1246-1313" (Stuttg. 1844; nebst 2 Ergänzungsheften, das. 1849 u. 1857); "Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV., Friedrich II., Heinrich VI. und Konrad IV., 1198-1254" (das. 1847-1849, 2 Bde.; neu hrsg. von Ficker, Innsbr. 1879 ff.); "Wittelsbachische Regesten" (Stuttg. 1854). Außerdem sammelte B. in den "Fontes rerum germanicarum" (Stuttg. 1843-68, Bd. 1-4) Geschichtsquellen des 12. und 13. Jahrh. B. starb 22. Okt. 1863. Aus seinem Nachlaß erschienen namentlich die wertvollen "Acta imperii selecta" (Innsbr. 1866-1868, hrsg. von J. ^[Julius] Ficker); "Die Regesten des Kaiserreichs unter Karl IV." (hrsg. von Huber, das. 1874-1876); "Die Regesten der Erzbischöfe von Mainz" (hrsg. von Will, das. 1878 ff.); "Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern" (neu bearbeitet von Mühlbacher, das. 1880 ff.). Seine kleinern Schriften und Briefe, mit Biographie, wurden herausgegeben von Janssen (Freib. i. Br. 1868, 3 Bde.).

2) Georg Wilhelm Rudolf, protest. Theolog, geb. 5. März 1800 zu Burg bei Magdeburg, studierte in Berlin, habilitierte sich 1824 daselbst in der theologischen Fakultät, wurde 1825 außerordentlicher Professor zu Greifswald, 1828 zu Halle, 1830 ordentlicher Professor zu Greifswald, 1832 zu Breslau, wo er 25. Nov. 1863 starb. Seine Hauptschriften sind: "Die christlich-kirchliche Altertumswissenschaft" (Berl. 1836-39, 2 Bde.); "Die christliche Dogmatik oder Glaubenswissenschaft" (Bresl. 1840-43, 2 Bde.); "Theologische Ethik" (das. 1847, Bd. 1); "System des christlichen Lebens" (das. 1853); "Die Lehrunterschiede der katholischen und evangelischen Kirche" (das. 1857-63, 2 Bde.).

3) Eduard, Romanist und Theolog, geb. 24. Mai 1827 zu Stettin, studierte seit 1846 in Halle und Berlin Theologie und Philologie, habilitierte sich 1854 für Theologie in Halle, erhielt 1866 daselbst eine außerordentliche, 1868 die ordentliche Professur für romanische Philologie und ward 1872 in gleicher Eigenschaft an die neubegründete Universität zu Straßburg berufen. Seit 1879 emeritiert, lebt er gegenwärtig in Wien. Die erste Publikation Böhmers war der noch ungedruckte "Tractatus de Deo et homine etc." von Spinoza (Halle 1852), den er in Holland aufgefunden hatte. Auf theologischem Gebiet veröffentlichte er außerdem: "Über die Apokalypse des Johannes" (Halle 1855); "Das erste Buch der Thora" (das. 1862); eine Ausgabe von "Sleidanus' Reden an Kaiser und Reich" (Stuttg. 1878, Litterarischer Verein) sowie verschiedenes über die reformatorischen Bewegungen in Spanien, wie das aus Originalakten der spanischen Inquisition geschöpfte Werk über den Prozeß des Franziskaners Franc. Ortiz (Leipz. 1865) und die Schrift "Spanish reformers of two centuries from 1520" (Straßb. 1874-83, Bd. 1 u. 2). Mit Giesebrecht gab er 1864-65 die Zeitschrift "Domaris" heraus. Als Schriftführer der Deutschen Dante-Gesellschaft gab B. ferner mit Witte die drei ersten Bände des "Jahrbuchs" derselben heraus (Leipz. 1867-70), die auch Beiträge von ihm enthalten, neben welchen seine Schriften über Dantes "Monarchia" und "De vulgari eloquentia" (Halle 1868) zu erwähnen sind. Noch andre Publikationen sind: "Über die provençalische Poesie der Gegenwart" (Halle 1870);