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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Brasilien

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Brasilien (Eisenbahnen, Post, Telegraphie; Landesmünzen; Staatsverfassung).

Der Binnenhandel findet ein großes Hemmnis in dem Mangel an guten Fahrstraßen, doch sind neuerdings auch in dieser Hinsicht durch Vervollkommnung der Verkehrsmittel bedeutende Schritte zum Bessern geschehen. Insbesondere hat man sich in dem letzten Jahrzehnt die Erforschung der großen Flüsse und Hebung der Flußschiffahrt angelegen sein lassen; die Nebenflüsse des Amazonas: Jurua, Yawari, Jutay, Trombetas u. a., sind von Barrington Brown und William Lidstone im Auftrag der Dampfschiffahrtsgesellschaft des Amazonas 1873-75 aufgenommen worden. Die Vereinigten Staaten beauftragten General Selfridge, Vermessungen des untern Amazonas bis zur Mündung des Madeira und auch dieses Flusses bis zu den Fällen vorzunehmen; diese Vermessungen wurden Ende 1878 vollendet. Im Auftrag des Kaisers von B. unternahm sodann der nordamerikanische Oberst Roberts eine Untersuchung des Stromsystems Brasiliens mit Rücksicht auf die Schiffbarkeit desselben. Zu gleicher Zeit erforschte Urbano da Cucarnacao mit gleich günstigem Erfolg den Purus und Ituxi. Der Madeira ist von São João da Beira (Provinz Matogrosso) ab fahrbar bis auf eine Strecke bei São Antonio, wo Katarakte die Schiffahrt unterbrechen; 1868 drang ein Dampfer den Araguaia über 1200 km weit hinauf, und 1869 wurde auch der Rio das Velhas auf 750 km von einem Dampfer befahren. Die Flußschiffahrt entwickelt sich unter diesen Umständen mehr und mehr, man berechnet die der Dampfschiffahrt zugänglichen Strecken des Amazonas und Tokantins auf 43,250 km. Der Amazonas wird schon seit 23 Jahren bis Tabatinga (Grenze), 3828 km, befahren (s. Amazonenstrom). Es sind auf allen brasilischen Flüssen 19,140 km Dampfschifflinien im Betrieb; auf dem Paraguay gehen Dampfer jetzt bis Cuyaba (Matogrosso), auf dem São Francisco bis Piranhas. Viele Flüsse sind aber durch die zahlreichen Wasserfälle (Parana, São Francisco, Araguaia, Madeira) teilweise nur für Binnenschiffahrt zugänglich. Mit Europa steht B. in Verbindung durch die Royal Mail Steam Packet Co. (Southampton), durch die Linie Lamport u. Holt (Liverpool), den Norddeutschen Lloyd, die Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffgesellschaft, Kosmos, Compagnie des Messageries maritimes de France (Bordeaux), Société générale de Transports maritimes (Marseille), Lavarello u. Piaggio (Genua) u. a.; mit den Vereinigten Staaten durch die United States and Brazil Mail Line (New York).

Mit nicht geringerm Eifer wird die Erweiterung des Eisenbahnnetzes betrieben, dessen Entwickelung neuerdings die Provinzen in die Hand genommen haben, die alle bestrebt sind, eine Schienenverbindung mit der Küste herzustellen. Die Gesamtlänge der im Betrieb befindlichen Bahnen betrug 1873: 1206 km, 1879: 3058 km, Ende 1883: 5600,8 km (dazu im Bau 2402 km). Die erste derselben (Rio de Janeiro-Petropolis) wurde 1854 dem Verkehr übergeben. Die wichtigsten andern Linien sind: die Bahn Dom Pedros II. von Rio de Janeiro nach Sotio (Provinz Minas Geraës), die Cantogallobahn (Villa Nova-Neufreiburg), die Mauabahn (Mauhia-Petropolis), die Bahiabahn (Bahia-São Francisco), die Pernambucobahn, die São Paulo-Bahn (Santos-Campinas) etc. Der Einfluß, welchen diese Bauten auf die Umgestaltung der Verkehrsverhältnisse einiger Gegenden hatten, ist außerordentlich; vor 15 Jahren verkaufte man aus den Anfang Mai abgehaltenen Jahrmärkten 80-100,000 Maulesel, heute höchstens 10-12,000. Da die Eisenbahnen aber über eine Küstenzone von etwa 300 km Breite kaum hinausreichen, so geschieht die Beförderung der Lasten noch viel durch Maultierkarawanen (tropas) und Ochsenkarren. Bis 1870 wurden viele Kunststraßen gebaut, seitdem wandte man sich den schmalspurigen Eisenbahnen zu. Pferdeeisenbahnen in größerer oder geringerer Ausdehnung sind in allen bedeutenden Städten Brasiliens angelegt. B. gehört zum Weltpostverein, die Regierung zahlt den größern europäischen Dampferlinien beträchtliche Subventionen; doch ist das Postwesen noch sehr ungenügend organisiert. Die Zahl der Postbüreaus betrug 1882-83: 1678; es wurden im ganzen 36,767,325 Briefe expediert. In demselben Jahr waren 7821 km Telegraphenlinien in Betrieb, mit 139 Stationen, von denen 338,053 Depeschen befördert wurden. Telephonanlagen besitzen alle größern Handelsstädte, in Rio de Janeiro schon sehr viele Privathäuser.

Die Münzeinheit bildet in ganz B. der Real (Plural Reis), eine nur nominelle Münze von geringem Wert (kaum ¼ Pfennig), weshalb im Verkehr nach Milreis (1000 Reis, geschrieben Rs. 1$000) oder nach Contos de Reis (1000 Milreis, geschrieben Rs. 1: 000 $ 000) gerechnet wird. Nach dem Münzgesetz von 1847 dient als Basis des Systems die Oktava Gold von 0,917 Reingehalt und 0,83 Legierung von Kupfer und Silber im Wert von Rs. 4 $ 000. B. hat eigentlich Goldwährung, doch herrscht gegenwärtig Papiervaluta. Papiergeld bildet bei dem jetzigen Mangel an gemünztem Golde das Hauptzahlungsmittel; es sind in Zirkulation Staatsschuldscheine und Notas do Banco do Brazil, Scheine von 1, 2, 5, 10, 50, 100, 200, 500 und 1000 Milreis. An Münzen zirkulieren: das 10-Reisstück ("halber Vitem"), 20-Reisstücke, in Kupfer geprägt (Vitem), 100 Reis, in Nickel geprägt (Tustao), 1000 Reis in Silber, Silbermünzen von 2 Milreis (Patacaos), 200 Reis aus Nickel, 500 Reis in Silber. Daneben zirkulieren auch noch zahlreiche kleine ausländische Münzen, deren Wert bedeutenden Schwankungen unterworfen ist. An Goldmünzen sind im Umlauf: 20- und 10-Milreisstücke neben verschiedenen fremden Münzen, die an Wert aber auch bedeutenden Schwankungen unterworfen sind. Der Normalwert von 1 Milreis in Gold beläuft sich auf ca. 27 engl. Pence oder 2,25 Mk. deutscher Goldmünze, ein Wert, den das in großen Massen emittierte Papiergeld aber nicht hat, der außerdem auch beständigen Schwankungen unterworfen ist, wodurch dem überseeischen Handel große Schwierigkeiten erwachsen. Bei dem Kurs von 24, der seit Jahren als Durchschnittskurs angenommen wird, pflegt man, wo es sich nicht um genaue kaufmännische Kalkulationen handelt, das brasilische Milreis mit 2 Mk. zu berechnen. Die brasilischen Maße sind ursprünglich die portugiesischen, alle Hohlmaße zeigen aber bedeutende Abweichung. Durch Gesetz vom 26. Juli 1862 wurde das französische metrische System angenommen, das bis 1874 vollständig eingeführt sein sollte; doch wird noch vielfach nach den frühern Maßen und Gewichten gerechnet.

Staatsverfassung und Verwaltung.

B. ist nach dem Verfassungsgesetz vom 11. Dez. 1823 (beschworen 25. März 1824, durch die Akte vom 12. Aug. 1834 und 12. Mai 1840 mannigfach abgeändert) ein konstitutionell-monarchischer Föderativstaat. Die Verfassung erkennt vier Staatsgewalten an, außer den drei der europäischen Grundgesetze, der gesetzgebenden, vollziehenden und richterlichen, noch eine ausgleichende Gewalt (Poder moderador), die