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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Brouette; Brougham

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Brouette - Brougham.

Mann; als aber die Kammern die Größe der dafür verlangten Summen tadelten und sogar seine Uneigennützigkeit verdächtigten, forderte er im März 1832 seine Entlassung. 1834 übernahm er die Stelle eines Generaldirektors der Münze und, da diese seinem Thätigkeitsdrang nicht genügte, ohne Gehalt eine Professur an der Universität zu Brüssel und errichtete mit Tielemans das "Répertoire de l'administration et du droit administratif". 1835 gründete er die belgische Nationalbank, welche jedoch infolge der politischen Konstellation 1838 ihre Zahlungen einstellen mußte, weshalb B., obgleich die Regierung der Bank zu Hilfe kam, 30. April 1839 das Direktorium niederlegte. Aus seiner Ruhe, die er zur Förderung industrieller Unternehmungen benutzte, ward er gerissen, indem er 1840 in Brüssel wieder in die Kammer gewählt ward. Ende 1840 ernannte ihn der Minister Rogier zum Bürgermeister der Hauptstadt, als welcher er sich besonders bei der Teurung von 1846 und der Cholera von 1849 hochverdient machte. 1847 war er Präsident des Ökonomistenkongresses in Brüssel sowie 1848 des Ackerbaukongresses daselbst. Überhaupt war er eins der thätigsten und einsichtsvollsten Mitglieder fast aller zur Hebung oder zur Beurteilung der industriellen Leistungen des Landes amtlich eingesetzten Kommissionen und Ausschüsse. Den ihm vom König verliehenen Grafentitel lehnte er ab. Er starb 20. April 1860. Vgl. Juste, Charles de B. (Brüssel 1868).

2) Henri Marie Joseph Ghislain de, belg. Staatsmann, jüngerer Bruder des vorigen, geb. 1801 zu Brügge, studierte in Lüttich die Rechte, ward 1820 Advokat, später Prokurator zu Roermonde. Nach dem Ausbruch der belgischen Revolution im September 1830 zum Rat am Brüsseler Appellationshof ernannt, ward er gleichzeitig zum Mitglied des Nationalkongresses erwählt. Er befand sich auch bei der Deputation, welche dem Prinzen Leopold von Koburg die belgische Krone anbot. 1831 nahm er als Freiwilliger am Kampf gegen die Holländer teil. Seit 1833 war er fortwährend Abgeordneter für Brüssel. 1840 ward er Zivilgouverneur von Antwerpen, ließ sich aber 1844 wegen Krankheit pensionieren. Er erschien jedoch bald wieder in der Kammer auf den Bänken der Opposition und suchte vergeblich mit Rogier und Delfosse ein Ministerium zu bilden. Er war dann einer der heftigsten Gegner des Ministeriums van de Weyer, 1845 besonders des Justizministers d'Anethan. Nach dem Sieg der liberalen Partei 1847 ward er zum Staatsminister ohne Portefeuille ernannt. 1849 übernahm er mehrere diplomatische Sendungen nach Italien. Nach dem Sturz des Kabinetts Rogier und Frère-Orban 31. Okt. 1852 bildete er das sogen. Versöhnungsministerium, welches sich bemühte, den innern Zwistigkeiten ein Ende zu machen. Doch fand diese versöhnliche Politik nur bei dem gemäßigtsten Teil der liberalen Partei Anklang, und als der orientalische Krieg Belgien in eine schwierige Krisis zu versetzen drohte, traten im März 1855 alle Minister zurück. B. lehnte den Auftrag, ein neues Kabinett zu bilden, ab und machte de Decker Platz. Als Mitglied der Kammer griff er ebenso ausdauernd wie maßvoll die Konzessionen an, welche seine Nachfolger der katholischen Reaktionspartei machten. Erblindet, zog er sich 1870 gänzlich vom politischen Leben zurück.

Brouette (franz., spr. bru-), Schub-, Erdkarre; zweiräderiger Handwagen.

Brougham (engl., spr. bruhm, zuweilen fälschlich Broom geschrieben, franz. Coupé-chaise), Art zweisitzigen Wagens mit festem, unbeweglichem Verdeck, gewöhnlich nur mit einem in der Gabeldeichsel eingeschirrten Pferd bespannt, besonders für Besuche in der Stadt etc. dienend.

Brougham (spr. brúh-em, gewöhnlich bruhm), Henry, Baron B. and Vaux, berühmter brit. Staatsmann und Redner, geb. 19. Sept. 1779 zu Edinburg, erhielt seine erste Bildung unter Leitung seines Oheims, des Historikers Robertson, studierte seit 1793 in Edinburg und machte sich früh durch mathematische und physikalische Arbeiten bekannt, die ihm mit 22 Jahren den Eintritt in die königliche Gesellschaft der Wissenschaften eröffneten. Gleichzeitig bildete er sich durch Studium der alten Redner und durch praktische Übung zum Redner und Politiker aus und trat nach längern Reisen auf dem Kontinent seit 1800 als Rechtsgelehrter und politischer Schriftsteller auf. Seine Schrift "An inquiry into the colonial policy of the European powers" (Edinb. 1803, 2 Bde.) ist besonders gegen den Sklavenhandel gerichtet. Mit einigen Freunden gründete er 1802 die "Edinburgh Review", die bald einen bedeutenden Einfluß auf die öffentliche Meinung in Großbritannien gewann; seine darin veröffentlichten Arbeiten erschienen 1858 in 3 Bänden. 1804 verlegte B. seinen Wohnsitz nach London und gewann bald durch sein glänzendes Rednertalent den Ruf eines der ersten Anwalte der Hauptstadt; zugleich vertrat er gegenüber den von England zur Abwehr des Kontinentalsystems ergriffenen Maßregeln ruhmvoll, wenn auch erfolglos, die Sache der Handelsfreiheit. Seit 1810 gehörte er für einen von dem Herzog von Cleveland abhängigen Wahlflecken dem Unterhaus an, wo er für die Abschaffung des Sklavenhandels und der von England angeordneten Handelsbeschränkungen erfolgreich wirkte. In Liverpool von Canning besiegt, gehörte B. dem Parlament 1812-15 nicht an, erhielt aber danach wiederum für einen dem Herzog von Cleveland gehörigen Wahlflecken einen Sitz im Unterhaus, dessen Mitglied er seitdem bis zu seiner Ernennung zum Peer verblieb. Indem er sich zu fortgeschritten liberalen Grundsätzen bekannte, bekämpfte er den Anschluß Englands an die Heilige Allianz und bemühte sich namentlich, eine Verbesserung der Volkserziehung durchzusetzen. Seine darauf bezüglichen Anträge drangen zwar nicht durch; doch erwarb er sich im Verein mit gleichgesinnten Männern durch die Stiftung von Kleinkinderschulen und Bildungsanstalten für Handwerker, durch die Begründung der Gesellschaft gemeinnütziger Kenntnisse und durch seine vortreffliche Schrift "Practical observations upon the education of the people" (Lond. 1825, deutsch von Klöden), die in mehr als 30 Auflagen Gemeingut des britischen Volkes geworden ist, große Verdienste um die allgemeine Bildung. Sein hervorragendes Rednertalent bewies er namentlich 1820, als er die Prinzessin von Wales (Karoline von Braunschweig) im Oberhaus verteidigte. 1825 wurde B. Lordrektor der Universität Glasgow, und 1826 trug er wesentlich zur Gründung der Londoner Universität bei; auch trat er 1828 und 1829 für die Emanzipation der Katholiken ein. Sein letzter Triumph im Unterhaus war sein Antrag auf Verbesserung der britischen Gesetzgebung und Rechtspflege. Als 1830 das Toryministerium Lyndhurst-Wellington gefallen war und Graf Grey 16. Nov. 1830 an die Spitze des Ministeriums trat, ward B. (22. Nov.) unter dem Titel Baron B. and Vaux zum Peer erhoben und zum Lordkanzler ernannt. Als solchem fiel ihm die Vertretung der Reformbill im Oberhaus zu, und wesentlich durch sein Verdienst ward sie hier durchgemacht; außerdem