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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Brukterer; Brüll; Brüllaffe; Brüllerkrankheit; Brulliot; Brülow

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Brukterer - Brülow.

Brukterer (Bructeri), german. Völkerschaft, deren Wohnsitze im jetzigen Westfalen zu beiden Seiten der Lippe lagen, und deren Name auf den mittelalterlichen Gau Borahtra überging. An der Befreiung Deutschlands vom Joch der Römer durch Arminius nahmen die B. thätigen Anteil, ebenso am Bataveraufstand; später erlagen sie nach Tacitus den Angriffen ihrer germanischen Nachbarn. Berühmt war ihre Seherin Velleda (s. d.). S. Karte "Germanien".

Brüll, Ignaz, Klavierspieler und Komponist, geb. 7. Nov. 1846 zu Proßnitz in Mähren, studierte zu Wien unter Leitung Epsteins und Dessoffs und trat dort 1861 mit einem Klavierkonzert seiner Komposition zum erstenmal in die Öffentlichkeit. Seit dieser Zeit entwickelte er eine reiche Thätigkeit als Virtuose, als Lehrer an der Horakschen Klavierschule in Wien, namentlich aber als Komponist. Außer zahlreichen Werken für Klavier mit und ohne Begleitung andrer Instrumente hat er mehrere Opern geschrieben: "Der Bettler von Samarkand" (1864), "Das goldene Kreuz" (1874), "Der Landfriede" (1876) und "Bianka" (1879), von denen besonders die zweite (zum erstenmal aufgeführt 1875 an der königlichen Oper zu Berlin) nachhaltigen Erfolg hatte.

Brüllaffe (Heulaffe, Mycetes Illig., Stentor Geoffr.), Affengattung aus der Familie der Breitnasen (Platyrrhini) und der Unterfamilie der Wickelschwänze (Gymnurae), gedrungen gebaute Affen mit gleichmäßig entwickelten Gliedern, fünffingerigen Händen, großem, pyramidal hohem Kopf, vorstehender Schnauze und blasig aufgetriebenem Zungenbein, in welches die zu dreien vorhandenen Kehlsäcke einmünden. Dieser eigentümlichen Entwickelung des Stimmapparats verdanken die Brüllaffen, welche ihren Namen mit vollem Rechte tragen, die Stärke und den Umfang der Stimme. Ihre Behaarung ist dicht, am Kinn bartartig verlängert. Sie leben in Südamerika sehr gemein und verbreitet, besonders in dichten, hochstämmigen und feuchten Wäldern, und finden sich in Steppen nur da, wo die einzelnen Baumgruppen gehölzartig zusammenstehen und Wasser in der Nähe ist. Ihre Lebensweise ist außerordentlich einförmig; sie sind sehr harmlos, aber grämlich und mürrisch, spielen nie untereinander und verbringen ihr Leben auf den Bäumen mit Fressen, Brüllen, bewegungslosem Hinbrüten und Schlafen. Sie nähren sich von Blättern und Knospen, Früchten, Eiern und jungen Vögeln, werden aber den Pflanzungen niemals schädlich. In der Gefangenschaft sieht man sie selten. Der rote B. (Guariba, Alaute, Predigeraffe, Mycetes seniculus L.) ist 80 cm lang mit 70 cm langem Schwanz, rötlichbraun, auf der Rückenmitte goldgelb; das kleinere Weibchen ist dunkelfarbiger. Er lebt oft in größern Gesellschaften, in Brasilien, Guayana u. Kolumbien. Der schwarze B. (Beelzebul, Caraya, M. niger Wagn., s. Tafel "Affen III") ist 65 cm lang mit ebenso langem Schwanz, glänzend schwarz, das Weibchen wie auch die Jungen mehr oder weniger rötlich, bewohnt Paraguay, ist wie der vorige an manchen Orten ungemein häufig und erfüllt den Urwald mit schauerlichem Geheul. Sein Fleisch ist schmackhaft, aber äußerst trocken und mager; wegen der abschreckenden Gestalt des Bratens wird es fast nur von den Indianern gegessen; dem Männchen stellt man wegen des schönen schwarzen Pelzes nach und fertigt daraus Mützen, Beutel und Satteldecken.

Brüllerkrankheit (Stiersucht, Nymphomania Boum), Krankheit, bei welcher die Kühe ihr Verlangen nach Befriedigung des Geschlechtstriebs durch Brüllen zu erkennen geben. Die B. beruht in einer krankhaften Reizbarkeit der Eierstöcke. Irrtümlich ist aber die Ansicht, daß die letztern hierbei durch perlsüchtige (tuberkulöse) Neubildungen degeneriert seien. Oft entwickelt sich das Leiden zu einem so hohen Grade, daß die Tiere abmagern. Auf den Weiden werden dieselben auch dadurch nachteilig, daß sie andre Kühe oder Färsen durch Bespringen und Stoßen belästigen. Eine Heilung der B. ist nur durch die Kastration zu erreichen, welche am besten durch die Scheide ausgeführt wird.

Brulliot (spr. brüljo), Schriftsteller im Gebiet der Kupferstichkunde, geb. 16. Febr. 1780 zu Düsseldorf, begann dort seine Kunststudien und ging 1805 nach München. Hier wurde er 1808 zum Hilfsaufseher bei der Kupferstichsammlung und 1822 zum Konservator ernannt. Unter B. wurde der Reichtum dieser Sammlung um mehr als ein Drittel, bis zu 300,000 Exemplaren, vermehrt und von ihm nach Schulen und Altern geordnet. Sein "Dictionnaire des monogrammes" (Leipz. 1817-18, 2 Bde.), mit der "Table générale des monogrammes" (Münch. 1820), erschien später in einer neuen, ganz umgearbeiteten Ausgabe (das. 1832-34, 3 Bde.). Er starb 13. Nov. 1836.

Brülow (auch Brüllow oder Brylow), 1) Karl Pawlowitsch, russ. Maler, geb. 1799 zu Petersburg, erhielt seine Ausbildung auf der dortigen Akademie und ging 1823 mit seinem Bruder nach Rom, wo ihm der kaiserliche Auftrag zu teil ward, Raffaels Schule von Athen in der Größe des Originals zu kopieren (jetzt in der akademischen Sammlung). 1830-33 schuf er daselbst sein Hauptwerk, den Untergang Pompejis, nach der Schilderung des jüngern Plinius, ein durch schöne Charakterzeichnung und lebhaftes Kolorit ausgezeichnetes Gemälde (Eremitage zu Petersburg). Koloristisch wie durch das ungesuchte Hervorheben des rein Menschlichen ward dieses Werk noch überboten durch sein folgendes (1834), die Ermordung der Ines de Castro (in den Sammlungen der Akademie). Nach seiner Rückkehr ins Vaterland erhielt er die ehrenvollsten Aufträge, und die Eremitage wie die Akademie besitzen eine Menge Porträte und Genrebilder von ihm, welche sich sämtlich durch kräftigen Ton charakterisieren. Von größern Werken ist noch die Belagerung von Pskow (in den Sammlungen der Akademie) zu nennen. 1835 bereiste B. Griechenland, die Türkei und Palästina und bereicherte dabei seine Mappe mit vielen trefflichen landschaftlichen Gemälden, die zum Teil in die Prachtausgabe des großen Dawydowschen Reisewerks (Petersb. 1839-40, 2 Bde. mit Atlas) übergegangen sind. Außerdem hat B. für die Kasansche Kathedrale in Petersburg eine Himmelfahrt Christi gemalt und in der neuen Isaakskirche in Petersburg den Freskenschmuck geschaffen. Er starb 23. Juni 1852 in Marciano bei Rom.

2) Alexander Pawlowitsch, Architekt, Bruder des vorigen, geb. 1800, studierte Architektur auf der Akademie der Künste in Petersburg, begleitete seinen Bruder auf dessen erster Reise nach Italien, bildete sich in Rom und Neapel aus und ward nach seiner Rückkehr ins Vaterland als Professor der Architektur an der Akademie angestellt. Als im J. 1838 das Winterpalais zu Petersburg abgebrannt war, leitete er in Verbindung mit dem Architekten Strassow den Wiederaufbau desselben. Unter seinen Neubauten zeichnen sich das große Michaeltheater, das Hauptobservatorium der Akademie der Wissenschaften, die auf dem Newskijprospekt befindliche schöne evangelische St. Petrikirche und mehrere griechische Kirchen aus, welche er zum Teil im byzantinischen, zum Teil