Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Brüssel

525

Brüssel (Lage etc.; Straßen, Plätze, Kirchen).

eroberte es sein Sohn Urchan 1329 und machte es zur Residenz, welche jedoch 1365 nach Adrianopel verlegt ward. B. wurde nun Hauptstadt eines Sandschaks. Nach der Schlacht von Angora (1402) wurde es von den Mongolen verbrannt, 1413 belagerte der Fürst von Karaman die tapfer verteidigte Stadt vergeblich. 1512 bemächtigte sich Alaeddin, ein Enkel Bajesids II., Brussas, ward jedoch von seinem Oheim, Sultan Selim I., wieder vertrieben. 1607 wurde B. von dem Rebellen Kalenderoghli verbrannt. Am 27. Sept. 1617 wurde hier ein Vertrag zwischen den Polen und Türken abgeschlossen. Im Januar 1833 zog Ibrahim Pascha in B. feindlich ein. In neuerer Zeit hat die Stadt von ihrem ehemaligen Glanz viel verloren. 1855 ward sie durch heftige, länger als drei Monate anhaltende Erdstöße, von denen die am 28. Febr., 11. April und 23. Mai die heftigsten waren, arg mitgenommen. Die Mineralquellen versiegten anfangs, kehrten aber dann mit um so größerer Heftigkeit zurück, so daß ganze Häuser im heißen Wasser versanken. Überdies wurde die Stadt durch einen infolge des Erdbebens entstehenden Brand großenteils in Asche gelegt.

Brüssel (franz. Bruxelles, hierzu der Stadtplan), die Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Belgien, zugleich die Hauptstadt der Provinz Brabant sowie der ehemaligen österreichischen, früher spanischen Niederlande, liegt 15 m ü. M., unter 50° 51' 10'' nördl. Br. und 4° 22' 13'' östl. L. v. Gr., an der Senne, einem Nebenflüßchen der Schelde, aus welchem der mitten in der Stadt von vier Bassins ausgehende schiffbare Kanal von Willebroek in die Rupel führt, wodurch die Stadt mit der Schelde und folglich auch mit Antwerpen in Verbindung steht, während ein andrer Kanal nach Charleroi geht und in die Sambre mündet. Das Klima ist feucht und veränderlich, die mittlere Jahrestemperatur 9,94° C. (im Winter 2,87°), die mittlere Regenhöhe 71,2 cm. Die Stadt liegt in fruchtbarer und gut angebauter Gegend, beinahe in der Mitte des Landes und besteht aus einem nordwestlichen untern Teil, welcher von mehreren Armen der Senne und von Kanälen durchschnitten ist, und einem südöstlichen obern Teil, welcher die aus dem Thal der Senne sanft ansteigende Höhe bedeckt. Sie hat einen Umfang von fast 8 km; als Einfassung ziehen sich ringsherum mit doppelter Reihe von Bäumen besetzte Boulevards, die ehemaligen Wälle. Jenseit derselben breiten sich die volkreichen Vorstädte mit regelmäßigen und breiten Straßen aus, an die sich weiter hinaus eine Anzahl (7) industrieller Dörfer und Gemeinden anschließen, die allmählich mit der Stadt verschmelzen. Rechts und links des Sennebettes laufen breite, gewölbte Kanäle zur Aufnahme der städtischen Kloaken; das Sennebett selbst ist in neuerer Zeit ebenfalls überwölbt und über demselben ein die Unterstadt in ihrer ganzen Breite durchziehender Boulevard angelegt worden. Die beiden Hauptteile der Stadt sind durch Charakter und Bevölkerung durchaus verschieden.

Die Oberstadt, der schönste und gesündeste Teil, wird von der Adels- und Geldaristokratie bewohnt; hier sind die Paläste des Königs und der Kammern, die stattliche, aber einförmige Rue Royale, die Rue de la Loi und die Rue Ducale mit den Büreaus der Ministerien, die Place Royale mit dem 1848 aufgestellten Reiterstandbild Gottfrieds von Bouillon (von Simonis), den großen Gasthöfen und dem Palast des Grafen von Flandern, das neue, glänzende Quartier Léopold etc.; Sprache und Sitte sind größtenteils französisch. Die noch vielfach enge und winkelige Unterstadt ist dagegen der Sitz des Handels und der Gewerbe und charakterisiert sich durch vlämische Sprache und Sitte. Bezeichnend ist für sie und ihre alte Bedeutung der große Marktplatz (Grande Place), der mit seinem prächtigen Rathaus, den imposanten Zunfthäusern und seinem sonstigen Reichtum an mittelalterlicher Architektur einen Anblick von höchstem Interesse gewährt. Auch die Unterstadt erhält, zumal nach der Anlage der neuen Boulevards, immer mehr ein modernes Gepräge. Ober- und Unterstadt sind unter andern durch die viele glänzende Läden enthaltende Rue de la Madeleine verbunden. In der Mitte der Oberstadt liegt der von Maria Theresia angelegte große Park von 13 Hektar Flächeninhalt, mit prachtvollen Laubgängen, Wasserbecken und Marmorstatuen, in den Septembertagen 1830 ein Hauptkampfplatz. Andre Plätze sind: die Place de la Monnaie; die Place des Martyrs mit dem Denkmal der im September 1830 gefallenen Freiheitskämpfer, von einer (von Geefs modellierten) befreiten Belgia gekrönt; die Place des Palais; die Place St.-Joseph und Place de l'Industrie; die Place du Grand-Sablon und die du Petit-Sablon, auf welcher das Denkmal der Grafen Egmont und Hoorn steht (das sich früher auf der Grande Place befand, s. Tafel "Bildhauerkunst X", Fig. 9), inmitten schöner Gartenanlagen, welche von einem eisernen, mit Bronzestatuen geschmückten Gitter umgeben sind; die Place des Barricades mit dem Standbild des Anatomen Vesalius; endlich die Place du Congrès mit der 1859 errichteten, das Standbild Leopolds I. (von Geefs) tragenden dorischen Konstitutionssäule (45 m hoch). Von Kirchen verdienen Erwähnung: in der Oberstadt die gotische Kathedrale zu St. Gudula und St. Michael, die bedeutendste Kirche der Stadt, eine Art Basilika aus dem 13.-15. Jahrh., mit Chorumgang und tiefen, kapellenartigen Seitennischen, zwei schönen, aber unvollendeten Türmen auf der Westseite und zwei Kapellen (das Ganze 1848-56 restauriert); ferner die im antiken Stil 1776-85 erbaute Kirche St.-Jacques auf dem Coudenberg (Kaltenberg) an der Place Royale, mit Säulenhalle und den Standbildern Moses' und Davids (zur Zeit des Konvents Tempel der Vernunft); die Kirche Notre Dame des Victoires (aus dem 14.-16. Jahrh., auch Notre Dame de Sablon genannt, gegenwärtig restauriert) und die gotische Kirche Notre Dame de la Chapelle (aus dem 13.-15. Jahrh.) mit wert-^[folgende Seite]