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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Buchhaltung

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Buchhaltung (die landwirtschaftliche B.).

Führung nicht Unregelmäßigkeiten, als Abänderungen, Verletzungen, Rasuren, Unleserlichmachungen u. dgl., vorgekommen sind. Nach französischem Gesetz (Code de commerce, Tit. II, Art. 12) können regelmäßig geführte Handelsbücher von dem Richter zur Beweisführung in Handelssachen unter Handelsleuten zugelassen werden. Es müssen jedoch die vorgeschriebenen Bücher (Journal und Inventurbuch) von einem Handelsrichter oder einem Bürgermeister foliiert, paraphiert und einmal im Jahr visiert werden; andernfalls haben sie zum Vorteil derjenigen, welche sie geführt haben, vor Gericht keine Beweiskraft. Nach russischem Gesetz (Art. 1465-68) dienen die kaufmännischen Bücher unter Kaufleuten gegenseitig als vollständiger Beweis, wenn die fraglichen streitigen Posten nach Vergleichung mit den Büchern des Angeklagten sich als übereinstimmend erweisen. Ist das letztere nicht der Fall, so können weder diese noch jene Bücher an sich als Beweis zur Entscheidung des Streits dienen. In Klagesachen gegen eine nicht zum Handelsstand gehörige Person können kaufmännische Bücher nur als halber Beweis angenommen werden. Wenn dieser halbe Beweis nicht von der Gegenpartei mit andern stärkern Beweisen angefochten oder widerlegt wird, so kann der Kaufmann zur Erhärtung seiner Bücher zum Ergänzungseid zugelassen werden. Nach österreichischem Recht haben die Bücher der Großhändler, der förmlichen Kleinhandelsleute und Apotheker sowie der Krämer in den Städten und auf dem Land halbe Beweiskraft. Der betreffende Handeltreibende muß in gutem Ruf stehen, und seine Geschäftsbücher müssen unverdächtig sein. Das Hauptbuch muß zur Zeit nur von einer Person geführt werden. In Preußen ging das allgemeine Landrecht (Teil II, Tit. 8, § 569 ff.) von dem Grundsatz aus, daß die Handelsbücher bei regelmäßiger Führung unter Kaufleuten den vollen, gegen Nichtkaufleute aber nur bei Warenlieferungen und auch nur dann einen halben Beweis erbringen, wenn die Lieferung selbst nicht bestritten oder anderweitig erwiesen ist.

Im Deutschen Reich aber ist mit der Einführung der Reichsjustizgesetze, welche seit 1. Okt. 1879 in Wirksamkeit sind, das Prinzip der freien Beweiswürdigung (§ 259 der Zivilprozeßordnung) zur Geltung gelangt, und damit sind die der früher geltenden formalen Beweistheorie huldigenden Bestimmungen des deutschen Handelsgesetzbuchs in Wegfall gekommen (§ 13 des Einführungsgesetzes zur Zivilprozeßordnung vom 30. Jan. 1877 hebt die Art. 34, 35, 36, 37, Satz 2, 39 u. a. ausdrücklich auf).

Vgl. Salomon, Komptoir-Handbuch (8. Aufl., Berl. 1885); Schiebe u. Odermann, Die Lehre von der B. (12. Aufl., Leipz. 1881); Odermann, Praktische Anleitung zur einfachen und doppelten B. (7. Aufl., das. 1882); Augspurg, Die kaufmännische Buchführung (2. Aufl., Hamb. 1872); Rothschild, Taschenbuch für Kaufleute (27. Aufl., Leipz. 1881); Rottner, Kontorwissenschaft (2. Aufl., das. 1861, 2 Bde.); Jäger, Der Einfluß der neuen Justizgesetze auf die B. (Stuttg. 1880) und andre Schriften des Verfassers über die handelsrechtliche Seite der B. - Übergewerbliche B. im allgemeinen vgl. Amthor, Taschenbuch für Gewerbtreibende (2. Aufl., Gera 1871); Lehrbücher von Salomon (11. Aufl., Berl. 1884), Morgenstern (Weim. 1877), Pfullmann (Leipz. 1880); ferner: Schmidt, Die Buchführung in Fabriken und die B. im Bankgeschäft (Stuttg.); Pachmann, Die Fabrikbuchhaltung (Böhm.-Leipa 1882); Pohl u. Thausing, Buchführung für Bierbrauereien (Leipz. 1881); Bauer, B. für Brauereien (Wien 1885); Stenger, Die Buchführung für Bauhandwerker (2. Aufl., Halle 1873); Jeep, Buchführung für baugewerbliche Geschäfte (Weim. 1885).

Die landwirtschaftliche Buchhaltung.

Bei Anwendung der Grundsätze der kaufmännischen B. auf landwirtschaftliche Verhältnisse unterscheidet man eine stehende und eine umlaufende oder jährliche landwirtschaftliche B. Jene enthält eine genaue Beschreibung der Gutsobjekte und eine Chronik über die wichtigern Vorkommnisse auf einem Gute. Das Grund-, Lager- oder Erdbuch (Besitzkonto) gibt eine genaue Verzeichnung aller zu einem Gut oder Gutskomplex gehörenden Grundstücke, Gebäude, Gerechtigkeiten oder Dienstbarkeiten, Nebengewerbe, Wege etc. mit den zum Beleg dienenden Karten, Vermessungs- und Bonitierungsregistern, Schlageinteilungen etc., Bauanschlägen, Steuern, Meliorationsfonds, Neubaukosten u. dgl., kurz mit allen zur Beurteilung des Werts der Objekte nötigen Angaben und Urkunden. Da, wo das lebende und tote Inventarium mit dem Gut verkauft oder verpachtet zu werden pflegt (eisernes Inventar, vgl. Pachtvertrag), gehören auch noch die Inventarienverzeichnisse u. dgl. hinzu und da, wo wertvolle Zuchtherden gehalten werden, die Stammregister u. dgl. In der Gutschronik aber verzeichnet man alle für den Betrieb oder die Veränderungen im Werte der Objekte wichtigen Vorkommnisse. Das Grundbuch dient zur Grundlage bei der jährlich vorzunehmenden Inventur und beim Verkauf oder bei der Verpachtung und als Hilfsbuch für die eigentliche B. Die jährliche oder eigentliche B. ist bis jetzt in der Tabellen- oder Registerform, als sogen. kameralistische B., als einfache und als doppelte B., letztere in sehr verschiedenen Formen, zu geben versucht worden. Die Tabellen- oder Registerform entbehrt des innern Zusammenhalts; man legt einfach für die wesentlichen Wirtschaftszweige eine Reihe von Tabellen oder Registern an und verzeichnet in denselben den Bestand, Ab- und Zugang, die dafür gemachte Ausgabe, die erzielte Einnahme u. dgl. und wieder den Bestand am Schluß des Jahrs; so z. B. für Vieh, Getreide, Geräte etc., ähnlich für die Arbeiter mit den für sie gemachten Ausgaben an barem Geld, Naturalien u. dgl. mit der Angabe der verwendeten Arbeitszeit für einzelne Betriebszweige u. dgl., ähnlich für die Spanntiere (Arbeitsjournale, Haushaltsjournal, Geldjournal etc.). Diese Form der Aufzeichnungen entspricht den frühern Verhältnissen der sogen. Naturalwirtschaft, bei welcher die Kunst des Wirtschaftens darin bestand, möglichst alle Bedürfnisse aus dem eignen Betrieb zu bestreiten und nur so viel von Produkten zu verkaufen, als nötig war, um die landesherrlichen Abgaben, die Handwerkerlöhne, etwanige Beschaffungen und die persönlichen Bedürfnisse des Prinzipals zu bestreiten; das gesamte Dienstpersonal wurde mit Wohnung, Land und Naturalien (Deputaten) gelohnt. Es handelt sich hier also darum, zu wissen, was erzeugt und wieviel und wozu es verbraucht wurde, um nach Möglichkeit vor Betrug geschützt zu sein, nicht aber darum, das Geschäftsergebnis zu erfahren. Eine richtige B. für Landwirte hat festzustellen, wieviel der Betrieb im ganzen und im einzelnen Gewinn (oder Verlust) bringt. Dazu gehört aber eine Fülle von Vorarbeiten (Kalkulationen), welche sehr schwierige und sehr komplizierte Fragen zu entscheiden haben, wobei es ganz gleichgültig ist, ob man sich für die einfache oder für die doppelte Form entscheiden will.