Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Burgund

665

Burgund.

renfabrikation, Leinweberei, Färberei, Bierbrauerei und (1880) 4215 Einw. (2571 Evangelische, 1422 Katholiken). B. ist Hauptort der Grafschaft Steinfurt (s. d.) des Fürsten zu Bentheim-Steinfurt.

Burgund (Bourgogne), vormalige franz. Provinz, der zentrale Landstrich des östlichen Frankreich, welcher, im Gebiet der Seine, Loire und des Rhône liegend, im N. von der Champagne, im W. von Bourbonnais und Nivernais, im S. von Lyonnais und der Dauphiné, im O. von Savoyen, der Schweiz und der Franche-Comté umschlossen ward. Die Provinz, bestehend aus dem ehemaligen Auxerrois, La Montagne, dem Auxois, Dijonnais, Autunais, Châlonnais, Charolais, Mâconnais, dem Fürstentum Dombes, der Bresse, dem Bugey, dem Land von Gex und Val Romey, war 25,714 qkm (467 QM.) groß und umfaßte die jetzigen Departements Ain, Saône-et-Loire, Côte d'Or und Yonne; im weitern historischen und physikalischen Sinn gehören aber auch die Departements Obersaône, Obermarne und Aube dazu. Die Saône teilt bis zu ihrer Mündung in den Rhône B. in einen westlichen und östlichen Teil; während der letztere im N. durch die mehrfach gegliederten Terrassen von Hochburgund, welche zu dem Quellland der Mosel aufsteigen, gebirgig ist, bildet er im S. die ziemlich einförmige Platte von Niederburgund, welche, von allen Seiten hoch umschlossen, sich an die westlichen Vorketten des Jura legt und im S. die an Teichen überaus reiche Landschaft Bresse enthält. (Näheres s. unter den einzelnen Departements.) - Der eigentliche Burgunder ist charakterisiert durch Freimütigkeit und Aufrichtigkeit, Beharrlichkeit und Festigkeit; er verbindet Frohsinn und Witz mit einer gewissen Barschheit, und sein rauhes, schneidendes Patois paßt gut zu seinem satirischen Ton. Die Schriftsteller, deren B. viele aufzuweisen hat, zeichnen sich durch einen bilderreichen, aber auch oft schwülstigen Stil aus. Die Grundzüge des germanischen Charakters haben sich nicht ganz verwischt. In Bezug auf die historische Heranbildung Frankreichs und des französischen Volkes ist B. eine der Hauptprovinzen des Reichs.

Geschichte der Burgunderreiche.

Die Burgunder (Burgundii, Burgundiones), ein großer germanischer Volksstamm, der zu den Sueven gehörte, wohnten ursprünglich im Gebiet der Netze und Warthe. Im 3. Jahrh. v. Chr. zogen sie nach der obern Weichsel, wo sie von den Gepiden zurückgeworfen wurden, dann südwestwärts und ließen sich nördlich von den Alemannen im Maingebiet nieder. Von hier machten sie mit andern germanischen Stämmen Streifzüge nach Gallien, wurden aber 277 n. Chr. von Probus zurückgetrieben und zum Frieden gezwungen. Sie lagen dann in blutigen Fehden um den Besitz von Salzquellen mit den Alemannen. Eine Schar Burgunder nahm 406 an dem Zug des Radagais nach Italien teil, andre brachen in Gallien ein. 413 ließen sie sich mit Zustimmung der Römer unter ihrem König Guntar am linken Rheinufer zwischen Lauter und Nahe nieder und gründeten ein Reich mit der Hauptstadt Worms (das Burgunderreich der Nibelungensage). Als sie sich 435 unter König Gundicar gegen den römischen Statthalter empörten, wurden sie 437 zum großen Teil von einer in römischen Diensten stehenden Hunnenschar vernichtet; Gundicar fiel, und das Burgunderreich am Mittelrhein ging zu Grunde (der historische Kern der Nibelungensage). Der Rest des Volkes unter König Gundioch wurde von Aëtius in der Sabaudia (Savoyen, aber in weiterer Ausdehnung nach Norden und Osten) angesiedelt und gründete hier im Rhônegebiet ein neues Burgunderreich, das nach Gundiochs Tod 473 unter seine Söhne Gundobad, Godegisel und Chilperich in drei Teile mit den Hauptstädten Lyon, Vienne und Genf geteilt wurde. Ein vierter Sohn, Godomar, war von Gundobad ermordet worden, der auch Chilperich tötete und sich seines Reichs bemächtigte. Gundobad breitete die Grenzen seiner Herrschaft bis zum Mittelmeer aus, so daß er das ganze Rhônegebiet innehatte. Der Gegensatz der Burgunder gegen die römischen Einwohner wurde noch dadurch verschärft, daß erstere Arianer waren. Godegisel, von Gundobad bedrängt, rief 500 den Frankenkönig Chlodovech zu Hilfe, den Gundobad bei Dijon schlug; aber nach seiner Rückkehr nach Franken wurde Godegisel in Vienne von Gundobad überfallen und getötet, worauf dieser das Reich bis zu seinem Tod (516) in Ruhe beherrschte, ein gutes Gesetzbuch (lex Gundobada) gab und den Frieden zwischen Arianern und Katholiken herstellte. 507 zog er als Bundesgenosse Chlodovechs gegen die Westgoten. Siegmund, Gundobads Nachfolger, der zum Katholizismus übertrat, wurde 523 von Chlodovechs Söhnen besiegt, gefangen genommen und in Coulmiers bei Orléans mit Gattin und Söhnen lebendig in einen Brunnen versenkt. Sein Bruder Godomar schlug die Franken 524 bei Véséronce zurück, unterlag aber 532 in einer zweiten Schlacht bei Autun, worauf das Burgunderreich mit dem westlichen Frankenreich (Neustrien) vereinigt wurde. Doch behielten sie stets ihre althergebrachten Satzungen und Rechte. Bei der Teilung des fränkischen Reichs 561 wurde B. ein besonderes Königreich, welches, zuerst von Chlotars Sohn Guntram (gest. 593) beherrscht, bald für sich bestand, bald wieder mit den übrigen Teilen des Frankenreichs, Neustrien und Austrasien, vereinigt wurde.

Bei dem Zerfall des fränkischen Reichs unter Karl dem Dicken ließ sich der Graf Boso von Vienne mit Hilfe des Papstes Johann VIII. und auf Andringen seiner stolzen Gemahlin Irmengard, der Tochter Kaiser Ludwigs II., auf einer Versammlung der Großen zu Mantala (Montaille bei Vienne) zum König von B. und der Provence ernennen (880). So entstand das "cisjuranische" Burgunderreich, welches auch nach der Hauptstadt Arles das arelatische Reich hieß und alles Land von den Alpen bis über den Rhône hinaus und von dem Mittelländischen Meer gegen die Schweiz hin (mit Ausschluß von Genf) bis zur Saône, also das Gebiet von Châlon sur Saône und Mâcon in Bourgogne, Vienne, Lyon, einen Teil von Savoyen, die Provence und den südöstlichen Teil von Languedoc, umfaßte. Nach Bosos Tod (887) huldigte seine Witwe mit ihrem unmündigen Sohn, Ludwig, dem Kaiser Karl dem Dicken 887 und empfing von diesem das Reich als Lehen. In demselben Verhältnis stand B. zu Kaiser Arnulf. König Ludwig wurde 899 auch König der Langobarden und 901 von Benedikt IV. zum Kaiser gekrönt, aber von Berengar von Ivrea geblendet und nach B. zurückgetrieben, wo für ihn der Graf Hugo von Arles die Regierung führte und nach Ludwigs Tod 924 den Thron bestieg. - Schon 887 hatte der Welfe Rudolf I., Neffe des Königs Hugo von Frankreich, die Länder zwischen dem Jura und den Penninischen Alpen, also die Westschweiz und Franche-Comté, zu einem neuen Königreich vereinigt, welches das transjuranische oder hochburgundische Reich genannt wurde und ebenfalls dem Kaiser Arnulf lehnspflichtig ward. Unter Rudolfs I. Sohn Rudolf II. (seit 911) erfolgte nach der Krönung Hugos zum König von Italien 930