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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Cellulose

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Cellulose.

einem Gemisch von konzentrierter Schwefel- und Salpetersäure in Nitrocellulose (Schießbaumwolle) und zwar in die lösliche Form derselben, wie sie auch zur Bereitung von Kollodium dient, verwandelt u. sehr sorgfältig ausgewaschen werden. War das Rohmaterial bereits gemahlen, so erhält man auch die Nitrocellulose pulverförmig; andernfalls wird diese im Holländer gemahlen, einigermaßen entwässert und mit 40-50 Proz. Kampfer, nach Bedürfnis auch mit Farbstoff oder andern Substanzen, zur Modifizierung gewisser Eigenschaften durch Walzen sehr innig gemischt und in eine hydraulische Presse gebracht, in welcher die Masse unter sehr starkem Druck auf 60-130° erhitzt wird. Hier findet nun eine vollständige Durchdringung der Schießbaumwolle mit dem Kampfer, die Bildung des Celluloids, statt, und nach ein- oder mehrstündigem Pressen wird das Fabrikat nun noch zum Trocknen in einen luftleeren Raum gebracht, in welchem sich zu besserer Absorption der Feuchtigkeit geschmolzenes Chlorcalcium befindet. Nach einem andern Verfahren übergießt man die trockne Nitrocellulose mit Äther oder Holzgeist, mischt sie mit dem Kampfer, bearbeitet die Masse, bis sie plastisch wird, und walzt sie dann zu Platten aus, die an der Luft erhärten und schließlich zwischen Zink- und erwärmten Eisenplatten in hydraulischen Pressen einem starken Druck ausgesetzt werden. C. ist hornartig, durchscheinend, geruchlos, hart, fest, elastisch, schwer zerbrechlich, läßt sich in der Wärme durch Druck schweißen, auch durch Benetzung mit Alkohol und Äther verbinden, zu Blättchen von 0,5 mm Dicke auswalzen und auf Holz und Stein aufleimen. In Wasser ist es unlöslich, bei 125° wird es so plastisch, daß es sich in jede Form pressen läßt. Es ist leicht entzündlich und verbrennt mit rußender Flamme und unter Verbreitung von Kampfergeruch, auch bei Berührung mit einem glühenden Körper verglimmt es völlig ruhig. Beim Erhitzen auf 140° zersetzt es sich plötzlich unter Ausstoßung von rötlichem Rauch, zur Explosion aber kann es nicht gebracht werden. Es besitzt, ähnlich dem vulkanisierten Kautschuk, eine ungemein mannigfache Verwendbarkeit, und die daraus gefertigten Gegenstände zeichnen sich durch Eleganz und Leichtigkeit aus. Man benutzt es zu Schmucksachen, Kämmen, Billardbällen, Schirm- und Messergriffen, Pferdegeschirrbelegen, chirurgischen Instrumenten, künstlichen Gebissen, Klischees, zu Imitationen von Korallen, Bernstein, Malachit, Lapislazuli, Schildpatt, als Leinwandsurrogat zu Wäscheartikeln, Spielsachen und unzähligen Galanteriewaren. Bei Billardbällen machte sich die Entzündlichkeit des Celluloids unangenehm bemerkbar. Dies soll jetzt dadurch beseitigt sein, daß man die Schießbaumwolle vor der Vermischung mit Kampfer mit einer Lösung von kieselsaurem Natron auswäscht und dann phosphorsaures Natron oder Ammoniak oder borsaures Bleioxyd zusetzt. Das C. wurde 1869 von den Gebrüdern Hyatt in Newark im Staat New York erfunden, wird jetzt aber auch in Europa dargestellt. Vgl. Böckmann, Das C. (Wien 1880).

Cellulose (lat., Zellstoff, Pflanzen- oder Holzfaser) C6H10O5 ^[C<sub>6</sub>H<sub>10</sub>O<sub>5</sub>], der allgemein verbreitete Bestandteil der Pflanzen, welcher teils als zarte Membran die jüngsten Zellen, teils, mit andern Substanzen, den sogen. inkrustierenden Körpern, innig gemischt, die härtesten Pflanzenteile bildet. Außer bei den Pflanzen findet sich C. auch bei den zu den Weichtieren gehörenden Tunikaten. Reine C., welche man durch Behandeln von Baumwolle mit Alkalien und Säuren, Wasser, Alkohol und Äther erhält, ist farblos, unlöslich in Wasser, Alkohol und Äther, vom spez. Gew. 1,52, hält sich in Wasser und an der Luft unverändert, wird aber bei Gegenwart fermentartig wirkender Körper allmählich zerreiblich, gelb, dann braun und in humusartige Materien verwandelt. In Kalilauge quillt sie auf, und wenn man sie dann schnell mit Wasser und verdünnten Säuren auswäscht, so schrumpft sie, wird fester und läßt sich dann besser färben. So veränderte C. nennt man mercerisiert. C. löst sich in Kupferoxydammoniak und wird aus dieser Lösung durch Säuren als amorphes, farbloses Pulver wieder ausgeschieden. Taucht man ungeleimtes Papier, welches im wesentlichen aus C. besteht, in schwach verdünnte konzentrierte Schwefelsäure und wäscht es dann schnell aus, so erleidet es eine eigentümliche Veränderung und bildet das sogen. Pergamentpapier mit wenigstens an der Oberfläche verklebten Fasern. Chlorzink, konzentrierte Phosphorsäure und Salzsäure wirken ebenso auf C. und verwandeln sie in Amyloid, welches eine gewisse Ähnlichkeit mit Stärkemehl besitzt. Taucht man C. längere Zeit in konzentrierte Schwefelsäure, so löst sie sich auf, und je nach der Temperatur und der Dauer der Einwirkung entstehen modifizierte C., welche durch Wasser gefällt werden kann, in Wasser lösliche C. oder Dextrin. Kocht man die mit Wasser verdünnte Lösung, so entsteht Traubenzucker. Dieselbe Umwandlung erzielt man auch mit wenig Säure, wenn man lange genug kocht, und schneller beim Kochen unter hohem Druck. Hierauf gründet sich das Projekt der Zucker- und Spiritusgewinnung aus Holz. Heiße konzentrierte Schwefelsaure verkohlt die C. Konzentrierte Salpetersäure, mit Schwefelsäure gemischt, verwandelt C. in Nitrocellulose (Schießbaumwolle), aus welcher durch reduzierend wirkende Körper C. regeneriert werden kann. Verdünnte Salpetersäure und schmelzendes Kalihydrat oxydieren C. zu Oxalsäure. Bei mäßiger Einwirkung von verdünnter Säure wird C. in Hydrocellulose C12H22O11 ^[C<sub>12</sub>H<sub>22</sub>O<sub>11</sub>] verwandelt, welche sich namentlich durch ihre große Brüchigkeit auszeichnet. Auf die Bildung dieser Substanz ist das an Wäsche, Gardinen, Papier etc. so oft beobachtete Brüchigwerden zurückzuführen. Hydrocellulose absorbiert Farben besser als C., und hiervon hat man in der Färberei Vorteil zu ziehen gesucht; namentlich aber benutzt man aus Hydrocellulose dargestellte Schießbaumwolle, welche ebenfalls äußerst brüchig ist. Bei der Destillation mit Braunstein und Schwefelsäure liefert C. Ameisensäure, mit kochender Kalilauge entstehen Methylalkohol, Ameisensäure und Essigsäure. Bei trockner Destillation liefert C. brennbare Gase, Holzessig und Teer. Erhitzt man sie in verschlossenen Gefäßen, so daß die Zersetzungsprodukte einen hohen Druck ausüben, so entstehen steinkohlenartige Massen, ein Prozeß, welcher auf die Steinkohlenbildung einiges Licht wirft. Jod färbt C. gelb, in gewissen Zuständen der Aufquellung, besonders nach Behandlung mit Chlorzink oder konzentrierter Schwefelsäure, wird die C. aber wie Stärkemehl durch Jod gebläut. In 1proz. Fleischextraktlösung mit einer kleinen Menge des Mageninhalts von Wiederkäuern löst sich C. unter Entwickelung von Kohlensäure und Methan, und dieser Prozeß entspricht der Erfahrung, daß die pflanzenfressenden Tiere einen sehr erheblichen Anteil der im Futter enthaltenen C. verdauen. Zarte C., wie sie sich in jungen Gemüsen findet, wird auch vom Menschen verdaut. C., wie sie die Natur bietet (Baumwolle, Leinen, Holz), findet ausgedehnteste Verwendung. Namentlich braucht man sie zur Darstellung

^[Artikel, die unter C vermißt werden, sind unter K oder Z nachzuschlagen.]