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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Chemie

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Chemie (im 12.-17. Jahrhundert).

Soda, machte die Sodalösung durch Kalk ätzend, löste Schwefel in Ätzlauge auf und schlug den Schwefel durch Säuren als Schwefelmilch nieder; er stellte Schwefelkupfer und Zinnober dar, gewann durch Destillation des Alauns die rauchende Schwefelsäure, durch Destillation von Salpeter mit Vitriol die Salpetersäure und aus Salpetersäure mit Salmiak das Königswasser, in welchem er Gold auflöste. Albertus Magnus (1193-1280) verbesserte die chemischen Manipulationen, stellte metallisches Arsenik dar, kannte rotes Bleioxyd, Schwefelleber und Schwefelkies, wußte, daß Kupfer durch Arsenik weiß wird, daß Schwefel alle Metalle bis auf das Gold angreift, und beschrieb auch die Darstellung des Schießpulvers. Roger Baco kannte den Braunstein und die Wirkungen des Schießpulvers. Ein andrer Zeitgenosse, Arnold Villanovanus aus der Provence, wurde wichtig durch die Anwendung chemischer Präparate als Heilmittel. Der phantastische Raymundus Lullus (geb. 1235) gab der Alchimie ihre spätere, bis in die Zeit der Rosenkreuzer hereinreichende theosophische Richtung; er stellte Salpetersäure aus Salpeter und Eisenvitriol dar, kannte ihre Eigenschaft, Metalle zu lösen, verstand, den Weingeist durch Pottasche stärker zu machen, und erhielt durch Destillation von Rosmarin mit Wasser ein ätherisches Öl. Wie bei diesem Forscher, findet sich auch bei Basilius Valentinus im 15. Jahrh. ein wunderbares und unverständliches Gemisch von Phantasterei und Aberglauben mit großem Geschick im Experimentieren und klarer Forschung vereinigt, so daß ihm die C. genauere Kenntnis schon bekannter Körper, wie namentlich des Antimons, bessere Methoden zur Darstellung schon bekannter Präparate, wie des Sublimats, und zahlreiche neue wichtige Verbindungen (Salzsäure, Ammoniak, Knallgold, Bleizucker, verschiedene Spießglanzpräparate), die sich im Arzneischatz zum Teil bis auf den heutigen Tag erhalten haben, ja selbst die ersten ausgebildeten Methoden qualitativer Analyse verdankt. Die Aristotelische Lehre fand durch die Alchimisten eine gewisse Ausbildung, sie nahmen Schwefel und Quecksilber als nähere Bestandteile der Metalle an; Basilius Valentinus fügte als dritten Bestandteil nicht nur der Metalle, sondern der Körper aller drei Naturreiche das Salz hinzu und sah die Verschiedenheit der Körper in der ungleichen Proportion, Reinheit und Fixation der Bestandteile begründet. Letztere, welche nicht mit dem metallischen Quecksilber, dem gewöhnlichen Schwefel und gemeinen Salz identisch sind, bestehen aus den Aristotelischen Elementen.

Die C., die bis zum 16. Jahrh. hauptsächlich nur ein Ziel, die Metallverwandlung, verfolgte, spaltete sich von nun an in zwei Richtungen, indem sie bis gegen das Ende des 17. Jahrh. auch zu Zwecken der Heilkunde bearbeitet wurde. Begründer dieser neuen Richtung war Paracelsus (1493-1541), welcher die Medizin aus den Fesseln des Galenus befreite, neue, selbständig aufgestellte Lehren in die Wissenschaft einführte und die Lehre der Alchimisten von den Grundbestandteilen der Körper in einem gewissen Gegensatz zu Aristoteles schärfer und klarer begründete. Vielen der aus dieser Periode hervorragenden Ärzte erschien die ganze Heilkunde nur als angewandte C. (Chemiatrie, Iatrochemie, Chemismus); sie suchten im Organismus alles den chemischen Erscheinungen anzupassen und durch den Gegensatz des Basischen und Sauren zu erklären. Diese Ansichten und die Streitigkeiten über die beste Bereitungsart der vielfach als Geheimmittel behandelten Arzneikörper hinderten jede gründliche Forschung, wenn auch durch das Suchen nach den wirksamen Bestandteilen der Körper viele neue Thatsachen entdeckt wurden. Besondere Erwähnung verdient Libavius, welcher die groben Verirrungen und sophistischen Träumereien seiner Zeit energisch bekämpfte, das Zinnchlorid entdeckte, künstliche Edelsteine darstellte, Glas mit Gold rot zu färben verstand und die Identität der aus Alaun, Eisenvitriol oder durch Verbrennen von Schwefel mit Salpeter zu gewinnenden Säuren nachwies. In gleichem Sinn wirkten Angelus Sala, der die Zusammensetzung des Salmiaks aus Ammoniak und Salzsäure lehrte, und van Helmont (1577-1644), der das Wort Gas einführte, um damit luftartige Stoffe von der gewöhnlichen Luft zu unterscheiden. Er kannte das an der Luft rot werdende Salpetergas, die Kohlensäure und die bei Fäulnisprozessen sich entwickelnden brennbaren Gase. Er wagte zuerst, wenn auch nur mit schwacher Waffe und erfolglos, das Aristotelische Lehrgebäude anzugreifen, und lehrte zuerst die Unveränderlichkeit der Stoffe, wenn sie Verbindungen eingehen, indem er nachwies, daß sie als dieselben wieder aus den Verbindungen austreten können. Glauber verdankt man die Anwendung der Schwefelsäure statt des Vitriols zur Darstellung schwächerer Säuren und zahlreicher Salze, unter denen das schwefelsaure Natron (sein Sal mirabile) seinen Namen bis auf unsre Zeit behalten hat (Glaubersalz); er studierte die Löslichkeit der Metalle in Salzsäure und entdeckte dabei viele Chlormetalle; bei ihm finden sich die ersten Vorstellungen von der "chemischen Verwandtschaft" (s. d.); auch war er um die Verbesserung der technischen Gewerbe: Gewinnung von Salpeter, Glas und Holzessig, mit Erfolg bemüht. Ganz vereinzelt steht lange Zeit Agricola (1494-1555), der Vater wissenschaftlicher Hüttenkunde und der Mineralogie, welcher in seinen Büchern "De re metallica" alles aufführte, was man damals über Metallurgie kannte, wohlgeordnet und mit vielen wertvollen eignen Beobachtungen. Brandt schied 1669 in Hamburg den Phosphor aus dem Urin ab, hielt aber sein Verfahren geheim, so daß Kunkel, welcher denselben Körper einige Jahre später gewann, als zweiter Entdecker angesehen werden muß.

Die Mitte des 17. Jahrh. bezeichnet wieder den Anfang einer neuen Periode, welche bis zum Ende des 18. Jahrh. reicht. Sie wird eröffnet durch Rob. Boyle (1627-91), welcher zuerst erfolgreich die Lehren des Aristoteles bekämpfte und nachwies, daß dessen Elemente für die C. ebenso unzulässig seien wie die Annahme der drei alchimistischen Elemente. Er riet, jeden Stoff als einfach anzusehen, bis er durch chemische Mittel weiter zerlegt sei, und gelangte bei den Spekulationen über die Beschaffenheit der Elemente zu der Ansicht, daß dieselben aus einer und derselben Urmaterie beständen und ihre Verschiedenheit in der verschiedenen Größe, Gestalt etc. ihrer kleinsten Teilchen beruhe. Boyle betonte sogar, daß Verbrennung nur bei Gegenwart von Luft erfolgt, daß dabei ein Teil der Luft verschwindet, und daß das Verbrennungsprodukt schwerer ist als der unverbrannte Körper. Diese Ansichten, welche in konsequenter Durchführung nicht nur der Aristotelischen Lehre den Todesstoß versetzt, sondern auch die C. ganz außerordentlich gefördert haben würden, fanden vorderhand noch nicht die gebührende Beachtung. Vielmehr gelangte noch einmal eine Theorie zur Herrschaft, welche, von unserm heutigen Standpunkt aus betrachtet, mit jenen Thatsachen in schneidendem Widerspruch steht. Der Begründer dieser Theorie war Stahl (1660-1734), der seinem Vorgänger Becher (1635-82) den Haupt-^[folgende Seite]

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