Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Cherbuliez

996

Cherbuliez.

Insel Pelée, die westliche Einfahrt durch das in ihrer Mitte auf einer Klippe gelegene Fort Basse Chavagnac und durch das Fort Querqueville beherrscht. Eine zweite Reihe von Befestigungswerken liegt im Hintergrund der Reede in und um den Kriegshafen und die Stadt, darunter das Fort Homet, das Fort Galet und das Fort des Flamands. Auf den Höhen hinter der Stadt endlich liegt eine Reihe von Festungswerken, welche C. gegen die Landseite verteidigen, aber auch die Reede beherrschen, darunter die Forts des Fourches, d'Octeville und du Roule. Diese Forts haben großenteils zugleich die Bestimmung von Kasernen, und das letztgenannte, das, auf einem malerischen Granitfelsen gelegen, das Ostende der Kette bildet und auch den zu seinen Füßen liegenden Bahnhof beherrscht, ist im stande, gegen 10,000 Mann aufzunehmen. Der Handelshafen, an der Mündung der Divette, besteht aus einem Außenhafen und einem 408 m langen und 127 m breiten Bassin; ersterer kommuniziert mit dem Meer durch einen 600 m langen, von Granitdämmen eingefaßten Kanal. In den letzten Jahren hat der Handelshafen wichtige Verbesserungen erfahren, wozu namentlich die Verlängerung der östlichen Linie, die Ausbaggerung des Bassins, die Herrichtung eines Stapels im W. des Außenhafens u. a. gehören. Der Hafen wurde 1883 von 1530 Schiffen mit 356,729 Ton. angelaufen, wovon 931 Schiffe mit 311,946 T. aus fremden (meist englischen) Häfen kamen. Der gesamte Warenverkehr belief sich auf 187,918 metr. T. Einfuhrartikel sind: Holz, Getreide, Mehl, Kohle und Kolonialwaren; zum Export gelangen: Vieh, Butter, Eier, Baumaterialien. Regelmäßige Dampfboote gehen nach Havre und Southampton.

Geschichte. Die Sage läßt C. schon von Cäsars Legaten Sabinus angelegt und danach Caesaris Burgum genannt sein, während andre das alte Coriallum für C. halten. In der Geschichte erscheint es zuerst als Carusbur unter Wilhelm dem Eroberer, durch den es an die englische Krone kam, die es bis um 1200 behauptete. 1418 eroberten es die Engländer von neuem. Nach der Schlacht bei Formigny wurde C. zuletzt 14 Tage lang von Karl VII. von Frankreich belagert, und 12. Aug. 1450 ergab es sich den Franzosen, um fortan in ihrem Besitz zu bleiben. Karl VII. erkannte die Wichtigkeit der Stadt und verstärkte ihre Festungswerke bedeutend. Ludwig XI. bewilligte ihr große Privilegien, ebenso Franz I. und Heinrich IV. Eine neue Ära begann für C. im 17. Jahrh. unter Ludwig XIV., der zuerst die Idee faßte, C. zu einem sichern Kriegshafen und zum Schlüssel des Kanals, England gegenüber, zu machen. Unter Vaubans Leitung wurden 1687 die Arbeiten begonnen und mit einigen Unterbrechungen bis zur Einnahme der Stadt durch den englischen Admiral Howe 1758 fortgesetzt, der sämtliche Befestigungen von Grund auf zerstören ließ. Ludwig XVI. nahm den Befestigungsplan wieder aus und erweiterte ihn. Das Hauptaugenmerk richtete man nun auf die Schaffung eines Kriegshafens. Zu diesem Zweck ward unter Aufwendung gewaltiger Mittel auf der Nordseite ein 3,7 km langer Damm errichtet, der aber in einer einzigen stürmischen Nacht mit Besatzung, Arbeitern und Batterien von den Wellen hinweggefegt wurde. Als Napoleon I. die Arbeiten 1803 wieder aufnahm, zeichnete er dem Hafen seine jetzige Gestalt vor, indem er bestimmte, daß derselbe aus drei gesonderten Bassins bestehen solle. Das erste derselben, der Vorhafen, wurde 1813 unter ihm, das zweite, das Flutbassin, 1829 unter Karl X. vollendet. Den Bau des Dammes begann man unter Ludwig Philipp nach einer verbesserten Methode, dennoch richtete 1836 ein Sturm große Verwüstungen an; Ende 1853 stand das Werk endlich vollendet da. Gleichzeitig wurde eifrig an den Fortifikationen gearbeitet, so daß die ganze Anlage 6. Aug. 1858 in Gegenwart der Königin Viktoria von England durch Napoleon III. eingeweiht werden konnte, bei welcher Gelegenheit auch die erwähnte Bildsäule Napoleons I. enthüllt wurde. Vgl. Viaud u. Fleury, Histoire de la ville et du port de C. (Rochefort 1845, 2 Bde.); "Les ports maritimes de la France", Bd. 3 (Par. 1878).

Cherbuliez (spr. schärbüljeh), einflußreiche Familie zu Genf, deren Glieder sich durch wissenschaftliche und litterarische Thätigkeit auch im Ausland einen ehrenvollen Ruf begründet haben. Stammvater derselben ist Abraham C., ein Verlagsbuchhändler daselbst, der sein Geschäft zu einem der bedeutendsten der französischen Schweiz erhob. Söhne desselben sind:

1) André, Schriftsteller, geb. 1795, lebte nach Beendigung seiner theologischen Studien bis 1825 als Hauslehrer erst bei einer englischen Familie in Italien, später bei dem Fürsten Dolgorukij zu Paris, bekleidete, nach Genf zurückgekehrt, einige Zeit ein Predigeramt und erhielt 1832 die Direktion der ersten Klasse des Collège und 1840 die Professur der lateinischen, 1846 die der alten Litteratur an der Genfer Akademie. Er starb im Juni 1874. Von wissenschaftlichem Wert sind seine Schriften: "De libro Job" (Genf 1829) und "Essai sur la satire latine" (das. 1829) sowie mehrere in der "Bibliothèque universelle de Genève" veröffentlichte Abhandlungen.

2) Antoine Elisée, staatswissenschaftl. Schriftsteller, Bruder des vorigen, geb. 29. Juli 1797, studierte Jurisprudenz, praktizierte erst als Advokat, habilitierte sich dann mit der "Dissertation sur les causes naturelles du droit positif" (Genf 1826) an der Genfer Akademie und wurde später daselbst Professor der Rechte und politischen Ökonomie. Er nahm mit Auszeichnung Anteil an der Regierung seiner Vaterstadt und machte sich teils als Redakteur einiger einflußreicher Zeitschriften, teils durch juristische, politische und nationalökonomische Werke bekannt. In "L'utilitaire" (Genf 1828-30, 2 Bde.) verteidigte und modifizierte er die Ansichten Benthams und Dumonts. Wie er in der Schrift "Riche ou pauvre" (Genf 1840; in 2. Aufl. u. d. T.: "Richesse ou pauvreté", Par. 1841) die sozialen Fragen der Gegenwart in ihrer ganzen Bedeutsamkeit hinstellte, so erörterte er in der "Théorie des garanties constitutionnelles" (das. 1838, 2 Bde.) die Grundsätze des konstitutionellen Rechts. In dem geistvollen Buch "De la démocratie en Suisse" (Par. 1843, 2 Bde.) sagte er manches voraus, was später seine Verwirklichung fand. Infolge der Revolution von 1846 legte er seine Professur nieder und wendete sich nach Paris, wo er zwei Journale redigierte und unter anderm mehrere gegen die Sozialisten und besonders gegen Proudhon gerichtete Schriften veröffentlichte, z. B. "Simples notions de l'ordre sociale à l'usage de tout le monde" (Par. 1848) und "Le potage à la tortue, ou entretiens populaires sur les questions sociales" (das. 1849). Sein wichtigstes Werk sind die "Études sur les causes de la misère tant morale que physique et sur les moyens d'y porter remède" (Par. 1853); sehr geschätzt ist auch sein "Précis de la science économique" (das. 1862). 1853 nach der Schweiz zurückgekehrt, wirkte er anfangs in Lausanne, später als Professor am eidgenössische Polytechnikum zu Zürich, woselbst er 7. März 1869 starb.

^[Artikel, die unter C vermißt werden, sind unter K oder Z nachzuschlagen.]