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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Chersonesus; Chertsey; Cherub; Cherubini

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Chersonesus - Cherubini.

schulen, eine Kreisschule mit pädagogischem Kursus, ein Seminar und eine israelitische Kronschule nebst mehreren Pensionaten. Die Industrie der Stadt erstreckt sich hauptsächlich auf Talg- und Seifensiederei, Wollwäscherei, Bierbrauerei, Tabaks- und Zigarrenfabrikation und Dampfmühlenbetrieb. Der Handel Chersons, namentlich der Export von Getreide, hat in den letzten Jahren infolge mehrerer aufeinander folgender Mißernten eine starke Einbuße erlitten; dagegen hat sich der Holzhandel in sehr bedeutendem Maß entwickelt. Der Import- und Außenhandel ist von geringer Bedeutung, da das Fahrwasser im Hafen so seicht ist, daß alle Kauffahrteischiffe 40 km weit von der Stadt, bei dem Dorf Stanislawskoje, Anker werfen müssen. Die frühern Befestigungen (½ km von C.), von denen nur noch zwei Thore und einige Wälle leidlich erhalten sind, umschließen große Kasernen und Magazine nebst einer Kirche mit dem Grabmal Potemkins. C. ist Sitz der meisten Gouvernementsbehörden sowie eines Kriminal- und Waisengerichts. Früher befand sich hier auch die Admiralität, welche aber der ungünstigen Seelage Chersons wegen nach der Bugmündung verlegt worden ist, wo sie gegenwärtig als "Tschernomorische Admiralitätsansiedelung" eine eigne Ortschaft bildet.

In der Umgegend von C. hat man ähnliche Versuche mit dem Anbau der Baumwollstaude angestellt wie bei Odessa, jedoch keine Erfolge erzielt. C. ist 1778 vom Fürsten Potemkin angelegt. 1787 kamen in C. der Kaiser Joseph II. und die Kaiserin Katharina II. zusammen.

Chersonesus (Chersonesos, griech., "Halbinsel"), im Altertum besondere Benennung mehrerer Halbinseln. C. Cimbrica, bei den Römern Name der Jütischen Halbinsel, weil dieselbe bis gegen Ende des 2. Jahrh. v. Chr. von den Cimbern bewohnt war. - C. Heraclea, Vorgebirge auf der Westseite der jetzigen Krim, nahe bei Sebastopol. Von den bithynischen Herakleoten wurde dort im 5. Jahrh. eine Stadt C. (oder Herakleia) gegründet, welche aber um Christi Geburt bereits verfallen war. Eine unweit östlich davon erbaute neue Stadt C. war lange Zeit reich und mächtig; ihr Gebiet war durch eine vom Hafen von Balaklawa nördlich laufende Mauer gegen die Taurier geschützt. Später war sie eine Grenzstadt des byzantinischen Reichs und öfters Verbannungsort für Vornehme. Im Mittelalter diente die Stadt noch den Genuesen als Handelsplatz, und 1578 standen noch die Mauern und ansehnlichen Türme derselben; Bauart und Umfang zeugten von früherer außerordentlicher Pracht. Zu Grunde ging sie durch die Zerstörung der Litauer und Russen im 14. Jahrh., und im 15. Jahrh. schleppten die Türken viele Architekturstücke zur Ausschmückung Stambuls weg. Pallas fand 1794 hier noch ansehnliche Trümmer, die später durch die Russen beim Bau Sebastopol vernichtet worden sind. Vgl. Becker, Die Herakleotische Halbinsel in archäologischer Beziehung (Leipz. 1856). - C. Taurica oder Scythica hieß bei den Alten die jetzige Krim. Sie war durch eine sehr schmale Landenge (von Perekop) mit dem Lande der nomadischen Skythen verbunden, welche die nördliche Steppenhälfte der C. (deshalb "Klein-Skythien" genannt) innehatten. Die Halbinsel war der Hauptsitz des alten Bergvolkes der Taurier, welche, vielleicht Reste der vorhistorischen Kimmerier, sich seit der Einwanderung der Skythen auf die südlichsten Berge zogen und als furchtbare Seeräuber die schiffbrüchigen Ausländer an dem Vorgebirge Parthenium (südlich vom heutigen Sebastopol) ihrer Artemis opferten. Aus der Vermischung der eingedrungene Skythen und Taurier entstanden die Tauroskythen. Die Küsten waren meist von Griechen besetzt (Herakleia, Theudosia, Pantikapäon). Die Halbinsel war bevölkerte und fleißiger angebaut, als jetzt die Krim ist, und hatte einen großen Getreidereichtum. In großer Zahl fanden sich hier kleine Pferde vor. Eine Hauptquelle des Wohlstandes war, wie noch heutzutage, der reiche Ertrag der Salzseen und der Fischerei. - C. Thracica, vorzugsweise Chersones genannt, die langgestreckte, schmale, gegen SW. gerichtete Landzunge zwischen dem Thrakischen Meer und dem Hellespont (jetzt Halbinsel der Dardanellen oder von Gallipoli). Eine lange Mauer, welche nördlich von Kardia am Meerbusen Melas begann und an der Propontis bei Paktyä endete, schützte die Halbinsel von der Landseite vor den Angriffen der Thraker. Städte, die meist von Fischfang und Handel lebten, waren: Kardia, Kalliupolis, Sestos etc. Die Halbinsel war ursprünglich von thrakischen Dolonkern bewohnt, welche schon frühzeitig mit griechischen Ansiedlern verschmolzen. Der ältere Miltiades gründete dort Mitte des 6. Jahrh. v. Chr. ein griechisch-thrakisches Fürstentum. In die Gewalt der Perser gekommen, gehörte sie nach deren Verdrängung bald den Athenern, bald den Spartanern, dann den Makedoniern. Nach Besiegung Antiochos' d. Gr. geriet sie unter die Herrschaft der Römer. - C. aurea ("goldene Halbinsel"), die jetzige Halbinsel Malakka in Hinterindien.

Chertsey (spr. tschertsi), Stadt in der engl. Grafschaft Surrey, an der Themse, mit (1881) 4500 Einw. Dabei St. Ann's Hill, ehemals Landsitz von Ch. J. ^[Charles James] Fox.

Cherub (in der Mehrzahl Cherubim), Gebilde der religiösen Symbolik des Alten Testaments, deren Grundgestalt die menschliche ist, mit welcher die leiblichen Attribute andrer Wesen, des Löwen, Stiers, Adlers, besonders Flügel, verbunden sind, indem die Gestalt das Vollkommenste aus den geschöpflichen Bildungen zusammenfassen und als Repräsentant der Herrlichkeit der Schöpfung gelten soll. In der Bibel erscheinen die Cherubim als Wächter des Paradieses nach dem Sündenfall, als Beschirmer der Bundeslade, als Vertreter der Gottesmajestät in den Visionen des Hesekiel, als Thron Gottes (Wolken, Blitz und Sturm) in den Psalmen. Eine Verwandtschaft der Cherubgebilde mit den analogen Kompositionen des Heidentums, namentlich den geflügelten und menschenköpfigen Löwen und Stieren zu Ninive und Persepolis, liegt am Tage; aber die hebräischen Cherubim sind nicht Objekt der Anbetung, sondern nur Symbol der Gott anbetenden und lobenden Schöpfung, in der Gott sich offenbart. In der christlichen Poesie ist der C. geradezu zu einem Engel höherer Ordnung geworden, während die vier Gesichter, welche sie bei Hesekiel zeigen (Mensch, Löwe, Stier, Adler), in der christlichen Kunst sich zu Attributen der vier Evangelisten gestalteten. In der mystischen Haggada bilden die Cherubim die erste Reihe der Himmelsscharen, welcher die Ophanim als zweite, die Chajoth als dritte und die Engel (Malachim) als vierte Reihe folgen.

Cherubini (spr. ke-), Maria Luigi Carlo Zenobio Salvador, Komponist, geb. 14. Sept. 1760 zu Florenz, erhielt seine Ausbildung von 1777 an in Bologna durch Sarti, nachdem er bereits in seiner Vaterstadt gründlichen Musikunterricht genossen und mit verschiedenen geistlichen Kompositionen an die Öffentlichkeit getreten war. 1780 debütierte er in Alessandria mit der Oper "Quinto Fabio" als dramatischer Komponist und zwar mit solchem Glück, daß er alsbald von verschiedenen Bühnen Italiens

^[Artikel, die unter C vermißt werden, sind unter K oder Z nachzuschlagen.]