Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Corsica

293

Corsica (Geographisches).

nach überein, und das jetzt französische C. ist auch in dieser Hinsicht, wie seiner geographischen Lage, seinem Klima und seinen Produkten, der Sprache und Geschichte seiner Bewohner nach, ein italienisches Land: mit Italien verknüpft es ein unterseeischer, wohl nirgends unter 100 Faden sinkender Rücken, auf welchem sich ihm die toscanischen Inseln entgegenstrecken, während es von der Provence durch Tiefen von 1000 Faden getrennt ist. Eigentümlich aber ist es, daß gerade die Ostküste flach, von Lagunen begleitet, fieberschwanger, unnahbar ist und nur im äußersten Süden und Norden sich gute Häfen, der von Malaria heimgesuchte von Porto Vecchio und Bastia, finden, letzterer der bei weitem wichtigste, das Organ, durch welches C. von jeher den lebhaftesten Verkehr mit Italien (Genua und Livorno) unterhalten hat. Bei Bastia setzt sich an den Rumpf der Insel die gebirgige, 38 km lange Halbinsel von Kap Corso, so nach der Nordspitze benannt, an, die an ihrer westlichen Basis den Hafen von San Fiorenzo hat. Sehr viel reicher gegliedert, reicher an Buchten und malerischen, steilen Vorgebirgen ist die Westseite der Insel; es folgen aufeinander die Buchten von Calvi, Porto, Sagona, Ajaccio und Valinco, alle wiederum mit kleinern Buchten, denen freilich meist eine anschließende Ebene fehlt. Nur bei Ajaccio ist eine kleine Küstenebene vorhanden, mit Recht Campo dell' Oro, das Goldfeld, genannt, welche im Verein mit dem dort mündenden Gravone, der einen Weg ins Innere bot, der Stadt besondere Bedeutung verliehen hat. Auf steilem Felsen, einen kleinen Hafen zur Seite, erhebt sich das Emporium der Meerenge Bonifacio. Das Innere der Insel ist von rauhen Bergen erfüllt, welche deutlich eine Hauptkette mit Meridianrichtung, eine Fortsetzung derjenigen von Sardinien, erkennen lassen, aber in der Weise, daß die schwer zu übersteigende Wasserscheide im nördlichen Teil der Insel sich nahe der Nordwestküste, im südlichen näher der Ostküste hält. Dadurch zerfällt die Insel in zwei Teile, die Ostseite, eine sanfte und regelmäßige Abdachung, mit Heiden und Sümpfen bedeckt, weithin unbewohnt, außer im N. ohne entwickeltere Thäler, die Westseite, eine fortgesetzte Bildung von tief eingeschnittenen Parallelthälern und bis zum Meere reichenden Bergrücken. Die Scheidung Corsicas in das Land diesseit und jenseit der Berge ist uralt historisch, auch der Charakter der Bewohner beider Landeshälften ist verschieden: jenseits herrscht mehr Wildheit, diesseits mehr Kultur, geistige und materielle. Die ganze Ostseite, bis wo am Golf von Porto Vecchio reichere Gliederung beginnt, besteht aus Kreidegesteinen, meist Kalk, an der Küste auch aus tertiären und quartären Bildungen, während der bei weitem größte Teil der Insel westlich einer Linie, welche etwas westlich von Corte in nordwestlicher Richtung gegen Belgodere verläuft, aus altkristallinischem Gestein, vorzugsweise Granit, besteht. Hier liegen denn auch die mächtigsten Erhebungen, rauhe Granitspitzen, den größten Teil des Jahrs von Schnee bedeckt, der zentrale Monte Rotondo 2625 m, der noch höhere, nördlichere Monte Cento 2710 m, der südlichere Monte d'Oro 2391 m und der südlichste, treffend nach seiner Gestalt benannt, Incudine ("Amboß") 2136 m. Dies sind die Ursprungsstätten der zahlreichen kleinen, im Sommer meist trocknen Flüsse. Die größten sind der Golo und der Tavignano, die zur Ostküste, der Taravo, Gravone und Liamone, die zur Westküste gehen. Das Innere der Insel ist ein Gewirr von Bergen, nur steile Pfade, oft Treppen, führen von Dorf zu Dorf, selbst die Straße an der Westküste entlang besteht nur aus steilen Auf- und Abstiegen; die Hauptstraße von Ajaccio nach Bastia durch das Innere der Insel hat im Paß von Vizzavona eine Höhe von 1145 m, ja der Weg aus dem bis nahe an die Westküste heranreichenden Golothal nach dem Golf von Porto hat im Paß von Vengio sogar 1532 m zu übersteigen. Diese Zahlen zeugen von der Wildheit des Landes und den Wirkungen, die es notwendig auf die Bewohner haben muß, von der Schwierigkeit des Verkehrs; sie erklären, daß C. noch keine Eisenbahn hat und, obwohl eine solche von Bastia nach San Fiorenzo und nach Porto Vecchio projektiert ist, noch für längere Zeit keine haben wird. Sie erklären namentlich auch den Gegensatz zwischen Ost- und Westseite.

Das Klima der Insel ist, von der Ostküste abgesehen, ein herrliches, die Mitteltemperatur des Jahrs beträgt an der Küste 17,7° C., im Sommer 24,5, im Winter 11,2° C., und wenn auch Temperaturen unter Null vorkommen, so dauern sie doch nicht an, und Schnee fällt selten. Wohl aber sind die Berge die Hälfte des Jahrs mit Schnee bedeckt. Es regnet reichlich genug, 630 mm im Jahr, und nur der Sommer ist regenarm. So können hier alle Gewächse der südlichen Mittelmeerländer gedeihen, Agrumen, Opuntien, Agaven, ja selbst Dattelpalmen; Agrumenkultur ist sogar in einzelnen Gegenden, z. B. bei Ajaccio und in den Thälern von Kap Corso, von Wichtigkeit. Der Charakterbaum Corsicas ist aber der Ölbaum, der in einzelnen Gegenden, wie in der Balagna, ganze Wälder bildet und bis 700 m hoch steigt; gegen 12,000 Hektar sind seiner Kultur gewidmet, die bis 300,000 hl Oliven, resp. 400,000 kg Öl liefert. Höher hinauf steigen die Edelkastanien, welche noch ungeheure Wälder bilden (zusammen 27,000 Hektar) und so reich tragen, daß sich die Bevölkerung wesentlich davon nährt und dadurch von einer intensivern Bodenkultur zurückgehalten wird. Sonst sind aber die Urwälder, welche ehemals die Insel so dicht bedeckten, daß sie Ansiedelungsversuche der Römer gänzlich vereitelten, bedeutend gelichtet worden, namentlich durch die Hirten, welche Feuer anlegen, um im Frühjahr frische Weide zu haben. Noch gibt es einzelne dichte Wälder von herrlichen Laricio-Kiefern, wohl auch von Lärchen, Eichen und Buchen; aber sie schwinden jetzt rasch dahin, und von den offiziellen 125,000 Hektar Wald besteht der größte Teil aus Buschwald und Gestrüppe, in der Küstenzone meist aus immergrünen Sträuchern gebildet, die sogen. Macchien, der sicherste Zufluchtsort der corsischen Banditen. Über der Zone der Wälder breiten sich die Alpenwiesen aus, auf denen im Sommer die Schafe und Ziegen weiden, wo auch noch der Muflon vorkommt. In dieser Region fehlt es auch im Sommer nicht an rieselnden Bächen und Quellen.

C. hat eine Bevölkerung von (1881) 272,639 Seelen. Die Insel ist also schwach bevölkert (31 Bewohner pro QKilometer), doch ist in diesem Jahrhundert die Zunahme eine bedeutende. Die Bewohner Corsicas sind, von einer im 17. Jahrh. eingewanderten griechischen Kolonie und von einigen Tausend Franzosen in den Städten abgesehen, als Italiener anzusehen; namentlich in den Küstenstädten tragen sie auch physisch den italienischen Typus, während man im Innern breitere, fleischigere Köpfe, kleine Nasen, lichtere Gesichtsfarbe und öfter braune als schwarze Haare bei kräftig gedrungenem Körper findet. Ob sie von Ligurern oder Iberern stammen, ist schwer zu entscheiden; jedenfalls haben sie sich in verschiedenen Perioden mit Griechen, Rö-^[folgende Seite]

^[Artikel, die unter C vermißt werden, sind unter K oder Z nachzuschlagen.]